Kürzungen, Abschiebungen, Ampel-Querschuss: Was welche Partei jetzt in der Migrationspolitik will
SPD, CDU, Grüne und FDP: Wer will jetzt eigentlich was in der Migrationspolitik?
Nach dem Angriff von Solingen will Deutschland in der Migrationspolitik nachschärfen. Meinungen gibt es viele – was wollen SPD, CDU, FDP und die Grünen eigentlich genau?
Berlin – Seit dem Solingen-Attentat brennt die Debatte wohl so heiß wie lange nicht mehr: Wie weiter verfahren in der Migrationspolitik in Deutschland? Dass sich etwas ändern muss, da sind sich die Spitzenparteien nahezu durchweg einig. Erhöhter Gesprächsbedarf besteht, dafür traf sich Kanzler Olaf Scholz gar mit CDU-Chef Friedrich Merz zu einem Gipfel-Gespräch.
Merz stellte danach etliche Forderungen zu Änderungen in der Migrationspolitik – und wolle zur Not dafür eben nur mit der SPD und ohne die Grünen und die FDP für eine Mehrheit sorgen. Scholz zeigt sich gesprächsbereit, kriegt aber auch etwas Gegenwind aus den eigenen Reihen der SPD. FDP-Chef Christian Lindner erklärt seine Partei bereit, bei den Plänen mitzumischen. Den Grünen passt das nicht so ganz, sie legen ein eigenes Positionspapier vor. Aber wer will jetzt eigentlich was? Ein Überblick.
Deutschland leitet die Migrations-Wende ein – Friedrich Merz‘ CDU prescht mit Vorschlägen vor
Beginnen wir mit der Union, besonders getragen durch die CDU in Person von Friedrich Merz. Der macht sich Hoffnung auf die Kanzlerkandidatur 2025 – und mischt deshalb an vorderster Front in der Migrationsfrage mit. Dazu hat er konkrete Forderungen an die Ampel-Regierung und besonders an Olaf Scholz gerichtet. Darin beinhaltet: Änderungen des Aufenthaltsrechts und des Asylbewerberleistungsgesetzes sowie Anpassungen im Polizeirecht. Außerdem sollten er und Scholz je eine Person benennen, die dann diskutieren, welchen Spielraum man im bestehenden Recht so habe.
Merz‘ weitere Forderungen: Asylsuchende sollen künftig an der Grenze bereits zurückgewiesen werden. Möglich sei dies, durch das Dubliner Übereinkommen. Das besagt, dass der Asyl-Antrag im ersten Land innerhalb der EU gestellt werden muss. Laut Merz sei damit eben nach EU-Regeln gesichert, dass Asylsuchende bereits ein sicheres Herkunftsland durchquert hätten und damit „mindestens ein Land zu weit“ gereist seien. Falls es Probleme mit dem EU-Recht gebe, wolle Merz sich eine Möglichkeit vorbehalten, eine „nationale Notlage“ auszurufen. Brisant: Merz will das zur Not nur mit der SPD und ohne Beteiligung der anderen Regierungsparteien durchdrücken.
Merz fordert große Änderungen in Migrationspolitik – so reagiert Kanzler Scholz
Und was macht Scholz mit diesen Vorschlägen? Der reagiert erstmal offen und gesprächsbereit. Scholz‘ Plan dürfte allerdings nicht zu 100 Prozent den Vorstellungen von Merz entsprechen. Gespräche mit den Ländern und der Union in der Migrationsfrage kündigte er an. Bei den Gesprächen solle es um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bekämpfung des islamistischen Terrors und das Waffenrecht gehen.
Hinzu kommt eine Arbeitsgruppe, die alle Parteien der Ampel umfassen soll. Selbstredend dabei sind Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP), durch ihre Ressort-Nähe zum Thema wenig verwunderlich. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist dabei. Merz‘ Wunsch nach Gesprächen kommt Scholz allerdings nach, diese finden aber nun nicht wie von Merz vorgeschlagen nur zwischen Union und SPD statt. Erste mögliche Maßnahmen zur Wende in der Migrationspolitik könnten trotzdem schnell kommen. Unter anderem soll es dabei um eine schnellere Rückführung von Asylbewerbern und ein schärferes Waffenrecht gehen. Auch Leistungskürzungen für Geflüchtete, die über ein anderes EU-Land einreisen, sind angeblich geplant. Sprich: Kein Bargeld, keine Bezahlkarte.
Neue Migrationspolitik in Deutschland: Das sagt die SPD
Aber was sagt die Kanzler-Partei zu den ganzen Diskussionen? Die zeigt sich erstmal offen. Allerdings nicht für die ursprünglich von Merz vorgesehenen Gesprächspläne. SPD-Chefin Saskia Esken stellte im RBB Inforadio klar, die Sozialdemokraten würden im Bundestag nicht mit der CDU gegen Grüne und FDP stimmen. Gespräche mit der Union seien aber möglich.
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Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte der Rheinischen Post: „Ich bin bereit, dass alles auf den Prüfstand kommt, was tatsächlich hilft, für Sicherheit in Deutschland zu sorgen“, warnte aber vor „blindem Aktionismus“. Laut Klingbeil müsste im Punkt Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien jetzt Druck gemacht werden. Er sprach sich auch für ein härteres Vorgehen gegen Hassprediger, etwa in sozialen Netzwerken aus. Zudem wolle er die Finanz- und Personalmittel für Sicherheitsbehörden verbessern.
Grüne veröffentlichen eigenes Positionspapier zu Migrationspolitik – und schießen innerhalb der Ampel quer
Auch die Grünen wollen sich aktiv beteiligen an der Debatte. Dazu hat die Partei direkt ein eigenes Positionspapier durch Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz und Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic herausgegeben, das auch der dpa vorliegt. Darin: Zuallererst einmal Kritik am Regierungspartner. Im Innenministerium von Nancy Faeser werde „eine klassische, heute in weiten Teilen veraltete Sicherheitspolitik verfolgt, die sich viel zu sehr in Symboldebatten verfängt“, heißt es in dem Papier. Eine Zeitenwende für mehr innere Sicherheit wird gefordert. Generell werfen sie den Innenministern in Bund und Ländern vor, zu wenig für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden zu tun. „Durch dieses Nichthandeln entstehen ineffektive und teils gefährliche Doppel- und Gar-Nicht-Strukturen.“
Konkret verlangen Notz und Mihalic ausreichend Personal und mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden – unter anderem verdeckte Ermittlungen in sozialen Netzwerken und einen besseren Austausch zwischen Polizei und Geheimdiensten. Bund und Länder sollten sich anschauen, woran konsequente Abschiebungen nicht-deutscher Gefährder scheitern. Zur Finanzierung schlagen sie vor, innere Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu definieren, also Bund und Länder gemeinsam in die Verantwortung zu nehmen.
Migrationsdebatte wird hitzig: Habeck geht auf Merz los – „unverantwortlich“
Neben dem Papier der Grünen mischt auch Robert Habeck bereits in der Debatte mit – mit harscher Kritik an Merz‘ Idee einer „nationalen Notlage“. Diese nannte er „unverantwortlich“. Weiter sagte Habeck: „Nun weiß ich nicht, ob es – wie soll ich sagen – Unwissen oder vielleicht auch fehlende europäische oder Regierungserfahrung ist oder ob es der Versuch ist, einfach mal einen rauszuhauen, um mal einen rauszuhauen.“ Der Effekt sei der Gleiche, im Raum stehe eine nicht einlösbare Forderung. „Man muss, wenn man Probleme lösen will, auch die Mittel für die Problemlösung vorher bedenken und nicht einfach eine Erwartungshaltung schüren, die dann wieder zur nächsten Enttäuschung führt.“
FDP unterstützt Pläne zu Migrations-Änderungen – Lindner will bei Sozialleistungen für Asylbewerber durchgreifen
Ebenfalls zur Not außen vor lassen wollte Merz die FDP. Das hat der Kanzler nicht nur spätestens mit der Berufung von Marco Buschmann in die zuständige Arbeitsgruppe verhindert. Die FDP bekennt sich allgemein gesprächsbereit bei dem Thema. Parteichef Lindner etwa nannte Asylreformen ohne seine Partei oder die Grünen „politisches Bodenturnen“ und tat Merz‘ Vorstoß als „Wahlkampf“ ab, betonte aber, er sei bereit, mit der Union gemeinsam an einen Tisch zu kommen – auch da sich „viele Vorschläge von Herrn Merz im Bereich der Migration“ mit den Vorstellungen der FDP decken würden.
Lindner kündigte Maßnahmen zur Kontrolle und Konsequenz bei der Migration an. Besonders bei den Sozialleistungen für Asylbewerber will er ansetzen. Er habe SPD und Grünen vorgeschlagen, dass es „bei denjenigen, die als Dublin-Flüchtlinge ausreisen müssen“, künftig „Null Euro“ vom deutschen Steuerzahler geben solle, sagte der FDP-Chef am Mittwoch in der ARD-Talksendung „maischberger“. Ausreisepflichtigen Flüchtlingen sollten „mit Ausnahme der Reisekosten in das eigentlich zuständige Land“ gar keine Sozialleistungen mehr gewährt werden, forderte Lindner. Es gebe „kein Recht von Asylbewerbern im Dublin-Prozess, sich ihren Standort in Europa auszusuchen“.
Ein Thema, das in der Migrationsdebatte nach dem Solingen-Angriff immer wieder aufkommt: Wie weiter verfahren an den deutschen Grenzen? Gegenüber IPPEN.MEDIA kanzelt die Polizeigewerkschaft einen CDU-Vorstoß ab – und sieht ein gewaltiges Problem. (han/mit Material von dpa und AFP)