Nach Solingen: Grenzen schließen? Polizei kanzelt CDU-Vorschlag ab - „Keinerlei Infrastruktur“
CDU-Politiker fordern nach dem Anschlag von Solingen Grenzschließungen in Deutschland. Lässt sich das umsetzen? IPPEN.MEDIA hat bei der Gewerkschaft der Polizei nachgefragt.
Berlin - Es geht hitzig zu im politischen Berlin: Nach dem schrecklichen und blutigen Terroranschlag von Solingen (NRW) mit drei heimtückisch Getöteten und acht teils schwerverletzten Personen debattieren die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP sowie die Opposition über Konsequenzen.
Anschlag von Solingen und Migration: Jens Spahn fordert Grenzschließungen
„Es reicht!“, schrieb der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in seiner „MerzMail“ an seine Unterstützer aus dem Umfeld der Union. Der 68-jährige Sauerländer forderte einen generellen Aufnahmestopp für Menschen aus Syrien und Afghanistan, weil es sich beim dringend Tatverdächtigen von Solingen um einen syrischen Flüchtling handelt.
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), ein enger Vertrauter von Merz, will als Reaktion sogar die deutschen Grenzen schließen lassen. Unabhängig vom rechtlichen Rahmen: Könnten die deutschen Polizeibehörden das personell überhaupt stemmen? IPPEN.MEDIA hat bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) nachgehakt und eine deutliche Antwort erhalten.

Grenzkontrollen in Deutschland wegen Migration: Bundespolizei ist am Limit
„Wegen Olympia und der Fußball-EM sind wir weit im roten Bereich. Wir haben mit Urlaubssperren gearbeitet. Natürlich muss das nachgeholt werden. Die Kollegen brauchen Luft zum Atmen. Wir haben an den Grenzen keinerlei Infrastruktur. Keine Kontrollhäuschen“, sagte Andreas Roßkopf, der GdP-Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei auf Anfrage. Roßkopf erklärte: „Wir müssten Module aufstellen, Geschwindigkeitstrichter und Beleuchtung. All das hat die Bundespolizei nicht in dem Umfang, um die Grenzkontrollen, wie wir sie im Süden und Osten des Landes haben, auszuweiten.“
Die Forderung der Union würde laut des Gewerkschafters die „Hinzunahme starker Polizeibereitschaftskräfte“ bedeuten, dabei sei dies mit den bereits für die aktuellen temporären Grenzkontrollen abgestellten rund 1500 Kolleginnen und Kollegen schon jetzt ein „Dauerzustand“, erzählt er. Damit nicht genug: Die Kollegen würden teils acht Tage Dienst in Folge leisten. Und: „Jetzt geht die Bundesliga wieder los“, sagt er. Dies erhöhe den personellen Bedarf nochmal enorm. Zur wiederholten Frage nach dauerhaften Grenzkontrollen bei gleichzeitig geschlossenen deutschen Grenzen erklärte Roßkopf mit Nachdruck in der Stimme: „Das können wir definitiv nicht leisten.“
Bundespolizei | |
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Gründung: | 16. März 1951 als Bundesgrenzschutz |
Umbenennung: | seit 1. Juli 2005 Bundespolizei |
Bedienstete: | 54.700 (Stand 31.12.2023) |
Haushaltsvolumen (2023): | 4,14 Milliarden Euro |
Aufsichtsbehörde: | Bundesministerium des Innern und für Heimat |
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Illegale Migration in Deutschland: Grenzkontrollen an 2400 Kilometern Grenze
Zur Einordnung: An den Grenzen zur Schweiz, zu Österreich, Tschechien und Polen gibt es auf Beschluss der Ampel-Bundesregierung derzeit auf einer Länge von 2400 Kilometern wegen der illegalen Migration bis zu 30 temporäre Kontrollstellen. Roßkopf kritisiert die Politik scharf wegen der Bedingungen unter denen die Bundespolizisten vor Ort ihren Dienst leisten müssen. Der Zustand der technischen Ausstattung sei „unbefriedigend“, spätestens jetzt brauche es eine „moderne Grenzpolizei“. Bei den Kollegen stelle er eine „Überlastung“ fest.
Roßkopf zu IPPEN.MEDIA: „Wir fordern, dass die Bundespolizei modern und flexibel Grenzkontrollen leisten kann. Dafür müssen etwa schnelle und moderne Fahndungsfahrzeuge, die mit PC ausgestattet sind, flächendeckend angeschafft werden.“ Dies sei bisher nicht der Fall. Mehr noch: Roßkopf verlangt ferner mehr Drohnen zur effizienten flächendeckenden Kontrolle ganzer Grenzgebiete mit weniger Personalaufwand sowie Kennzeichenerfassungsgeräte zum Abgleich. Aktuell würden die Kollegen teils an den „Kontrollstellen aus dem VW-Bus heraus“ arbeiten. CDU-Chef Merz spricht sich beim Thema Migration zum Beispiel trotzdem dafür aus, Asylsuchende künftig bereits an der Grenze zurückzuweisen. Was wirklich machbar und kontrollierbar wäre?
CDU-Forderung nach Grenzschließungen: Scharfe Kritik der Bundespolizei
Zu den Gedankenspielen der Politik meint Roßkopf deutlich: „Ausbaden und leisten müssen es die Kollegen vor Ort in 24/7-Diensten, bei Wind und Wetter. Die Motivation unserer Kollegen sinkt. Sie fühlen sich vernachlässigt.“ Die Bundespolizei hat nach eigenen Angaben aktuell 54.700 Bedienstete, wie das Bundesinnenministerium auf seiner Website schreibt, sind davon rund 45.000 Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte. Letztmals wurden die personellen Kapazitäten durch die Ampel-Koalition und die wegen Solingen schwer in die Kritik geratene Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Frühjahr 2022 durch das Budget für 1000 zusätzliche Stellen ausgeweitet. (pm)