BDI fordert „Sondervermögen“: Auch Konzerne rufen nach Steuerzahlerknete
Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert ein Sondervermögen für öffentliche Investitionen. Doch Finanzminister Lindner hält weiter an der Schuldenbremse fest. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.
Not macht erfinderisch, und nirgends ist die Not so groß wie in der Ampelregierung, wenn‘s ums Geld geht. Also lässt nun auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) jede Zurückhaltung fahren und fordert beherzt ein 395-Milliarden-Euro-Sondervermögen für öffentliche Investitionen. Die Industriekapitäne sind in guter Gesellschaft: SPD-Chefin Esken hat bereits ein Sondervermögen Bildung verlangt, das Umweltbundesamt ein Sondervermögen Klimaschutz, die IG Metall ein Sondervermögen zum Umbau der deutschen Industrie und Verteidigungsminister Pistorius ein zweites Sondervermögen Bundeswehr. Gemeint ist immer dasselbe: Bundesfinanzminister Christian Lindner, der notorisch uneinsichtige Hüter der Schuldenbremse, soll Kohle rüberschieben und gefälligst neue Schulden machen. Dass das (der grünen Umweltministerin unterstellte) Bundesumweltamt gerade damit auffällig wurde, dass es einen Milliardenbetrug mit deutschen Klimaprojekten in China verschlief, passt ins Bild des recht freihändigen Umgangs mit öffentlichen Mitteln.
Die Zeitenwende stellt Deutschland vor riesige Herausforderungen
Besonders listig stellt sich dabei der BDI an: Er bringt es fertig, seinen Ruf nach Steuerzahlerknete mit der Mahnung nach Einhaltung der Schuldenbremse zu garnieren – wobei SPD, Grüne und linke Medien den zweiten Teil gerne unterschlagen, weil sich nur so die Story unter die Leute bringen lässt, dass nun sogar die Wirtschaft den sparwütigen FDP-Chef im Regen stehen lässt. Dabei beweist das lärmende Konzert der Lobbys, wie recht Lindner mit seinem Pochen auf Finanzdisziplin hat, um der jungen Generation keinen Schuldenberg zu hinterlassen.
Schon richtig: Die Zeitenwende stellt Deutschland vor riesige Herausforderungen. Da darf über eine Aussetzung oder Reform der Schuldenbremse, auch für Investitionen in die Infrastruktur, nachgedacht werden. Man darf jetzt schon Wetten darauf annehmen, dass sich auch CDU und CSU dieser Einsicht nicht mehr verschließen werden, sobald sie wieder die Regierung führen. Doch muss die Schrittfolge stimmen. Wenn der Staat neue Mittel für dringende Zukunftsaufgaben mobilisieren will, kann er der Aufblähung des Sozialstaats nicht immer weiter tatenlos zusehen. Es ist falsch und für die Solidargemeinschaft letztlich unbezahlbar, Menschen mit hohen Transferzahlungen vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Dass die SPD-Führung aus ihrem Wahldebakel die Lehre zieht, noch mehr Geld in den Sozialstaat zu pumpen, bedeutet nichts Gutes. Auch nicht für die viel beschworene neue Harmonie in der Ampel.
Georg Anastasiadis