„Haben nationalen Konsens“: Polens Außenminister dementiert Kurswechsel bei Ukraine-Politik

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Vor dem Besuch des polnischen Präsidenten bei Trump betont der oberste Diplomat des Landes, dass Warschau weiter als Fürsprecher Kiews fungieren will.

Warschau – Eigentlich ist das EU- und Nato-Mitglied Polen seit Beginn des russischen Angriffskriegs eins der wichtigsten politischen und militärischen Verbündeten Kiews. Doch seit dem Amtsantritt von Staatschef Karol Nawrocki vor vier Wochen, scheint sich in Polen die Stimmung zur Ukraine-Hilfe zu drehen. Kurz vor dem Treffen zwischen Nawrocki und Donald Trump am Mittwoch (3. September) im Weißen Haus äußert sich Polens Außenminister Radosław Sikorski zur Rolle als Fürsprecher seines Nachbarlandes.

„Was die Verteidigung betrifft, was die Notwendigkeit betrifft, Wladimir Putin Widerstand zu leisten, und was die Notwendigkeit betrifft, der Ukraine in diesem Krieg zu helfen – ja, wir haben einen nationalen Konsens“, antwortet Sikorski im Interview mit der Kyiv Post am Rande seines Treffens mit US-Außenminister Marco Rubio in Miami am Dienstag (2. September). Gefragt wurde der Außenminister Polens, ob die Regierung in Warschau im Hinblick auf Nawrockis Besuch bei Trump einheitliche Ukraine-Botschaften habe.

Besorgt vor Besuch in Washington: Bringt Polens neuer Staatschef Trumps Ukraine-Agenda in die EU?

Das Treffen zwischen dem rechtskonservativen Nawrocki und Trump wird mit Spannung erwartet. Denn angesichts der geopolitischen Lage hätte man es in anderen europäischen Hauptstädten lieber gesehen, wenn der Politik-Neuling vor seiner Reise nach Washington Gespräche mit anderen EU- und Nato-Partnern geführt hätte. Doch dies stand für Nawrocki nicht auf dem Plan.

Der 42 Jahre alte Historiker ist erklärter Trump-Fan. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die beiden persönlich begegnen. Bereits im Mai, während des polnischen Präsidentenwahlkampfs, gewährte Trump dem von der rechtskonservativen PiS unterstützten Kandidaten eine Audienz im Oval Office. Das Weiße Haus postete danach Bilder von beiden Männern mit hochgereckten Daumen, was der Wahlkampagne des damals wenig bekannten Nawrocki mächtig Schwung verlieh.

Polens Außenminister Radek Sikorski.
Polens Außenminister Radek Sikorski. © IMAGO/Klaudia Radecka

Nun gibt es bei anderen EU-Ländern mit Blick auf die Ukraine-Gespräche die Sorge, dass Nawrocki von seinem Besuch in Washington Trumps Agenda zurück nach Europa bringen könnte. Zumindest innerhalb Polens zeigt Nawrocki enorme Ambitionen. Er will den Präsidentenpalast zum neuen Machtzentrum machen und streitet mit Regierungschef Donald Tusk um die außenpolitische Linie des Landes. Gerade hat er ein Gesetz über Sozialleistungen für Ukraine-Flüchtlinge per Veto gekippt.

Erwartungen an Trump hoch: Polens Außenminister fordert härtere Sanktionen gegen Putin

Sikorski erwartet von den USA im Hinblick auf die Verteidigung der transatlantischen Sicherheit, der Ukraine und darüber hinaus, dass sich Trump dazu entschließt, ihre Militärpräsenz in Europa aufrechtzuerhalten. „Insbesondere dort, wo die Bedrohung besteht – nämlich an der Ostflanke“. Und Polens Außenminister wird noch konkreter: „Und ich hoffe, dass die USA härtere Sanktionen gegen Russland verhängen und der Ukraine ermöglichen, russische Militärziele anzugreifen.“

Die Offensive im Schwarzen Meer sei zwar ein Erfolg, und auch die Offensive gegen die russischen Ölraffinerien, doch diese Erfolge sollte man weiter ausbauen. Sikorski hoffe, dass diese Botschaften am Mittwoch auch von Nawrocki an Trump vermittelt werden können. Schließlich ist Polen seit Beginn des Ukraine-Kriegs einer der wichtigsten politischen und militärischen Verbündeten seines Nachbarlandes. Es hat 989.000 Kriegsflüchtlinge von dort aufgenommen und fungiert als wichtige logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens.

Was die Verteidigung betrifft, was die Notwendigkeit betrifft, Putin Widerstand zu leisten, und was die Notwendigkeit betrifft, der Ukraine in diesem Krieg zu helfen – ja, wir haben einen nationalen Konsens.

„Polen ist ein Vorreiter bei der Hilfe für die Ukraine. Wir haben der Ukraine mehr Panzer gegeben als dem Rest Europas zusammen. Wir haben der Ukraine MiG-29-Kampfflugzeuge gegeben und werden noch mehr geben“, so der Außenminister gegenüber Kyiv Post. 95 Prozent der Hilfe für die Ukraine fließen über polnisches Territorium. Polen sehe seinen Mehrwert darin, diese Versorgungslinien und Luftverkehrsknotenpunkte vor Störungen zu schützen.

Wegen zunehmender antiukrainischer Stimmung in Polen: Ukraine wendet sich anderen Partnern zu

Angesichts des Hickhacks in Warschau hat sich die Führung der Ukraine bislang mit Kritik zurückgehalten. In Statements wurde stets die Solidarität zwischen beiden Ländern betont. Doch hinter den Kulissen sieht es offenbar anders aus. 

Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte dem Magazin Polityka, man sei sich der zunehmenden antiukrainischen Stimmung in Polen bewusst, weshalb die Leute von Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht mehr so viel Energie in die Beziehungen zu Warschau investieren wie früher. Viel wichtiger seien jetzt die nordischen Länder, besonders Finnland, sowie Frankreich und Deutschland. (bg/dpa)

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