Gigantische Militärparade in Peking: So kriegsbereit ist Chinas Armee wirklich
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Mit einer großen Militärparade hat China seine Streitkräfte gefeiert. Die chinesische Armee ist in einigen Bereichen bereits Weltspitze – kämpft aber auch mit Problemen.
Es war eine Demonstration von militärischer Stärke, wie sie selbst in China nur selten zu sehen ist: Bei einer riesigen Parade anlässlich des 80. Jahrestags des Siegs über Japan im Zweiten Weltkrieg ließ die chinesische Regierung am Mittwoch am Platz des Himmlischen Friedens in Peking neue Waffen auffahren, Tausende Soldaten marschierten im Gleichschritt durch das Zentrum der chinesischen Hauptstadt.

„Heute muss sich die Menschheit erneut zwischen Frieden und Krieg entscheiden“, sagte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Ansprache vor Zehntausenden Zuschauern und Dutzenden Regierungschefs aus aller Welt, darunter Russlands Präsident Wladimir Putin und Nordkoreas Diktator Kim Jong-un. Xi Jinping, der auch oberster Befehlshaber der chinesischen Volksbefreiungsarmee (VBA) ist, forderte die Streitkräfte auf, „den Aufbau eines Militärs auf Weltklasseniveau zu beschleunigen“. Mit etwas über zwei Millionen aktiven Soldaten ist die VBA schon heute die größte Armee der Welt.
In den vergangenen 20 Jahren hat China seine Militärausgaben versiebenfacht
„Chinas Aufrüstung hat in den letzten zehn, 15 Jahren wesentlich schnellere Fortschritte erzielt, als die meisten Beobachter für möglich gehalten hätten“, sagte Sarah Kirchberger, Direktorin des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. „Ziele werden schneller erreicht als geplant, was in den meisten anderen Ländern, auch in den USA, seltenst vorkommt, eher im Gegenteil. Die USA betrachten Chinas Militär inzwischen als ‚peer competitor‘, also eine gleichrangige Herausforderung“, so die Militärexpertin.
In den vergangenen 20 Jahren hat China seine Militärausgaben versiebenfacht, in diesem Jahr liegt das Verteidigungsbudget offiziell bei 247 Milliarden US-Dollar. Verschiedene Schätzungen ausländischer Experten gehen von noch deutlich höheren Summen aus. 2012 betrugen Chinas Verteidigungsausgaben etwa ein Sechstel des Militärbudgets der Vereinigten Staaten, bis 2024 war dieser Anteil auf ein Drittel gestiegen. Nimmt man die Bevölkerungszahl zum Maßstab, geben die USA allerdings etwa zwölfmal so viel für ihre Streitkräfte aus als China.
Dennoch ist die Volksrepublik nicht nur bei der Zahl ihrer aktiven Soldatinnen und Soldaten weltweit führend. Besonders deutlich zeigt sich Chinas zunehmende Dominanz bei der Marine. Im Jahr 2023 besaß China laut der US-Denkfabrik CSIS 332 Kriegsschiffe, die USA hingegen nur 291. Bis 2030, so die CSIS-Experten, könnte China über fast 50 Prozent mehr Kriegsschiffe verfügen als die US Navy. Ein dritter chinesischer Flugzeugträger, die „Fujian“, lief vor drei Jahren vom Stapel. Bei der Militärparade am Mittwoch zogen Laster unter anderem Unterwasser-Drohnen durch die Straßen von Peking, laut Experten könnte China diese torpedoförmigen Kolosse als Tarnkappen-U-Boote einsetzen.
Auch bei der Zahl der Kampfflugzeuge liegt China mit etwa 3200 Jets vor den USA, die gut 2700 Kampfjets besitzen. Alte Flugzeugmodelle nimmt China immer schneller außer Dienst, um sie durch neue Modelle zu ersetzen. Seit 2016 stellt Chinas Armee Jets der sogenannten fünften Generation in Dienst, darunter den Tarnkappenjet J-20. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Bau moderner Interkontinentalraketen, auf der Parade in Peking zogen am Mittwoch Raketen vom Typ Dongfeng auf mobilen Abschussrampen an den Gästen vorbei. Chinas Spitzenmodell, die Rakete Dongfeng 41, hat Schätzungen zufolge eine Reichweite von 15.000 Kilometern, zudem kann sie mit mehreren atomaren Sprengköpfen bestückt werden, die gleichzeitig verschiedene Ziele angreifen können.
„Was jährliche Raketenstarts angeht, ist China inzwischen Weltspitze“
Laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri verfügt China über etwa 600 Atombomben, das US-Verteidigungsministerium schätzt, dass es 2035 schon 1500 Sprengköpfe sein könnten. Zum Vergleich: Russland besitzt laut Sipri derzeit 4309 einsatzfähige nukleare Sprengköpfe, die USA 3700.
An möglichen Abrüstungsgesprächen, wie sie zuletzt US-Präsident Donald Trump ins Spiel gebracht hat, will China nicht teilnehmen. „China hat mehrfach deutlich gemacht, dass es sich nicht an Abkommen zur Reduzierung von Atomsprengköpfen beteiligen wird, solange die Arsenale der USA und Russlands soviel größer sind“, sagt Expertin Kirchberger. Außerdem habe Peking „aus den Erfolgen der russischen nuklearen Erpressung gelernt, bei der Russland erfolgreich die Drohkulisse einer nuklearen Eskalation eingesetzt hat, um westliche Staaten von entschlossenerer Unterstützung der Ukraine abzuhalten“, so Kirchberger.
Auch wenn in Peking vor allem Raketen, Kampfjets und die schiere Masse an Soldaten beeindruckte: Laut Kirchberger wachsen Chinas militärische Fähigkeiten auch bei Cyberspionage und Cyberangriffen. Zudem baue das Land „seine Weltraumfähigkeiten enorm aus“, so die Expertin. „Was jährliche Raketenstarts, die Anzahl an zivilen und militärischen Satellitenkonstellationen, aber auch die zivile Weltraumforschung angeht, ist China inzwischen Weltspitze.“
Nur ein Problem seiner Streitkräfte scheint China nicht in Griff zu bekommen: massive Korruption. Allein 2023 wurden zwei chinesische Verteidigungsminister wegen mutmaßlicher Bestechlichkeit entlassen, auch in den Raketenstreitkräften, denen unter anderem das Atomarsenal untersteht, wurden mehrere hohe Generäle aus ihren Ämtern entfernt. „Die aktuelle Säuberungswelle im chinesischen Militär unter Xi Jinping ist für die Reformära – also seit 1978 – beispiellos“, sagt Expertin Kirchberger. Noch sei allerdings unklar, wie sich das auf Moral und Gefechtsbereitschaft der chinesischen Streitkräfte auswirke. Auf der Militärparade in Peking rief Xi die Streitkräfte nun dazu auf, „ihre geheiligten Pflichten gewissenhaft zu erfüllen“.