„Tiefgreifende politische Fehlentscheidung“: CSU-Urgestein rechnet mit Merkel-Politik ab

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Zehn Jahre nach Merkels „Wir schaffen das“ wächst in der Union die Kritik: Friedrich spricht von einer Fehlentscheidung, Merz kündigt eine „Migrationswende“ an.

Berlin – Zehn Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz „Wir schaffen das“ kritisieren führende CDU-Politiker die damalige Migrationspolitik. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte am vergangenen Wochenende auf dem Landesparteitag der NRW-CDU Kursänderungen an: „Wir machen Ernst mit dem, was wir Migrationswende genannt haben“, so der Kanzler. Ähnlich äußerten sich auch andere Unionsmitglieder. Nun übte Merkels früherer Innen- und späterer Ernährungsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Kritik.

Hans-Peter Friedrich (CSU, links) übt Kritik an Angela Merkels Flüchtlingspolitik. © IMAGO / IPON / Political-Moments

Im Gespräch mit der Bild sagte der Ex-Minister: „Die Botschaft von Frau Merkel hieß ‚Deutschland öffnet seine Grenzen‘ und ging um die Welt“, so Friedrich. „Die Folgen dieser tiefgreifenden politischen Fehlentscheidung waren eine Massenzuwanderung, die unsere Integrationsfähigkeit und unser Sozialsystem bis heute völlig überfordert. Jetzt rettet uns nur die klare Botschaft, dass wir illegale Zuwanderung mit allen Mitteln verhindern werden.“ Während Merkels Amtszeit hatte Friedrich der Kanzlerin bereits vorgeworfen, „den konservativen Kurs [...] sträflich zu vernachlässigen“ und die AfD zur „tödlichen Gefahr“ zu machen.

Von links bis konservativ: Kritik an Merkels „Wir schaffen das“

Politisch eigentlich Welten entfernt, sind sich CSU-Politiker Friedrich und Sahra Wagenknecht, die Vorsitzende des BSW, in ihrer Kritik an Merkel offenbar einig. „Merkels Wende in der Flüchtlingspolitik war einer der größten politischen Fehler in der Geschichte der Bundesrepublik“, sagte Wagenknecht, Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter, der Bild. Merkels Entscheidung, die Grenzen zu öffnen und Millionen Menschen mit Selfies einzuladen, sei nicht alternativlos gewesen. Zwar sei es richtig, Menschen zu helfen, die vor einem Bürgerkrieg fliehen. Aber Angela Merkel habe „einen Kontrollverlust zugelassen, der unser Land bis heute überfordert.“

„Merkels Politik ist die Geburtshelferin der AfD und verantwortlich für viele Probleme im Land“, so Wagenknecht weiter. Die frühere Kanzlerin räumte selbst unlängst ein, dass ihre Entscheidung Menschen dazu gebracht habe, sich der AfD anzuschließen. Aber sei das ein Grund, etwas nicht zu tun, das sie für richtig, wichtig und menschenwürdig gehalten habe, fragt Merkel in der ARD-Doku „10 Jahre ‚Wir schaffen das!‘“. Es gab auch Zuspruch an dem Entschluss: „Was unterm Strich bleibt, ist der Beweis: Unsere Gesellschaft ist stärker, wenn sie Menschlichkeit und Solidarität lebt“, lobte Serpil Midyatli, stellvertretende Parteivorsitzende der SPD.

Merkel zeigt sich verwundert über Kritik: Altkanzlerin verteidigt berühmten Satz erneut

Die frühere Bundeskanzlerin hatte mit ihrer Entscheidung zur humanitären Aufnahme von hunderttausenden Menschen auf eine Notlage reagiert, als hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien insbesondere über die Balkanroute in die EU kamen. In der ARD-Dokumentation sagt Merkel auch, sie sei verwundert, dass der Satz „Wir schaffen das!“ ihr in den letzten Jahren um die Ohren gehauen wurde. Die Worte „sollten ja nichts anderes ausdrücken, als dass wir vor einer großen Aufgabe stehen.“ Es folgten mehr als eine Million Asylanträge 2015/2016, volle Flüchtlingsunterkünfte, Kitas und Schulen und Wohnungsmangel.

Kritiker werfen der Kanzlerin vor, Bedingungen geschaffen zu haben, die Menschen anziehen und zu einer Flucht nach Deutschland motivieren. Dass es solche wirtschaftlichen Pull-Faktoren gebe, sei wissenschaftlich nicht haltbar, betont etwa Johanna Böhm vom bayerischen Flüchtlingsrat. Merkel erinnert in der Dokumentation auch an die damalige Willkommenskultur in Deutschland. Menschen, die nicht wollten, „dass wir unsere Werte verraten, was die Menschenwürde anbelangt“, so die Altkanzlerin. Zum Jahrestag bekräftigte sie ihre Entscheidung erneut und betonte, dass es bei der Integration messbare Fortschritte gebe.

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