Forscher finden Zusammenhang zwischen Beweglichkeit und Lebenserwartung

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Die Dehnung der Oberschenkelvorderseite bzw. des Hüftstreckers ist Teil des „Flexitests“. © IMAGO / Pond5 Images

Im Rahmen einer Studie zeigte sich ein interessanter Zusammenhang zwischen der Körperflexibilität von Menschen mittleren Alters und ihrer Lebenserwartung. Wie Sie Ihre Flexibilität selbst testen können, lesen Sie hier.

Brasilianische Wissenschaftler haben einen Zusammenhang zwischen der Beweglichkeit des Körpers und der Lebenserwartung entdeckt. Die Studie zeigt, dass beweglichere Menschen im mittleren Alter länger leben könnten. Genaueres zur Studie und wie Sie Ihre Flexibilität ganz einfach selbst testen können, erfahren Sie hier.

Fitness-Faktoren, die einen Einfluss auf die Sterblichkeit haben können

Die körperliche Fitness hat sich in der Wissenschaft immer wieder als zuverlässiger Risiko- bzw. Schutzfaktor erwiesen, mit denen sich Aussagen über die Überlebenswahrscheinlichkeit von Menschen treffen lassen. Ein schlechter Fitnesszustand hat schlechtere Prognosen hinsichtlich der Lebenserwartung zur Folge. Hier spielen insbesondere die aerobe Fitness (Herz-Kreislauf-System), aber auch Faktoren wie die Balance und Muskelkraft eine Rolle, wie Studien zeigen konnten.

Der sogenannte Sit-and-Rise-Test (Aufstehen von und wieder hinsetzen auf Stuhl) ist eine gängige Methode, um die Kraft bei älteren Menschen zu testen. Es hat aber auch etwas mit Flexibilität zu tun, um diesen Test erfolgreich meistern zu können. Deshalb wollte die Forschungsgruppe um Dr. Claudio Gil S. Araújo von der Universität Rio de Janeiro in ihrer Studie genauer untersuchen, wie die Beweglichkeit mit der Sterblichkeit zusammenhängt.

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So lief die Langzeitstudie ab

Für die Studie, die im Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports erschienen ist, rekrutierten die Wissenschaftler 3139 Personen (2087 Männer, 1052 Frauen) im Alter von 46 bis 65 Jahren. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von durchschnittlich 12,9 Jahre.

Die Beweglichkeit (oder Flexibilität) kann als Fähigkeit definiert werden, den physiologisch maximal möglicher Bereich einer Gelenkbewegung willkürlich oder unwillkürlich ansteuern zu können. Beweglichkeit umfasst sowohl Gelenkigkeit im Hinblick auf die Gelenkstruktur als auch die Dehnfähigkeit der Muskulatur.

Die Forscher entwickelten einen sogenannten „Flexindex“ zur Messung der Körperflexibilität. Dieser Score basiert auf 20 Bewegungen an sieben verschiedenen Gelenken (Fuß, Knie, Hüfte, Rumpf, Schulter, Ellbogen, Hand). Jede Bewegung wird mit 0 bis 4 Punkten bewertet. Die Gesamtpunktzahl reicht von 0 bis 80.

Der Flexitest umfasst folgende Bewegungen:

  • Dorsalflexion des Fußgelenks (Beugen des Fußgelenks zum Fußrücken hin)
  • Plantarflexion des Fußgelenks (Beugen des Fußgelenks zur Fußsohle hin)
  • Kniebeugung
  • Kniestreckung
  • Hüftbeugung
  • Hüftstreckung
  • Hüftadduktion (Heranziehen der Beine)
  • Hüftabduktion (Abspreizen der Beine)
  • Rumpfbeugung
  • Rumpfstreckung
  • Seitliche Rumpfbeugung
  • Handgelenkbeugung
  • Handgelenkstreckung
  • Ellbogenbeugung
  • Ellbogenstreckung
  • Schulteradduktion bei 180 Grad Abduktion
  • Schulterstreckung und hintere Adduktion
  • Hintere Schulterstreckung
  • Schulteraußenrotation bei 90 Grad Abduktion
  • Schulterinnenrotation bei 90 Grad Abduktion

Diese umfassende Liste ermöglicht eine detaillierte Bewertung der Körperbeweglichkeit. Sie deckt alle wichtigen Gelenkbereiche ab und bietet so ein ganzheitliches Bild der Flexibilität.

Wer jetzt den Flexitest (der bereits im Jahr 1986 entwickelt wurde) selbst ausprobieren möchte, kann dies anhand der Beschreibungen und bildlichen Darstellungen der Übungen in der Originaldatei versuchen. Zur Bewertung ist jedoch eine zweite Person, im besten Falle mit Fachexpertise, notwendig.

Die Ergebnisse der Studie: Beweglichkeit als Schlüssel zu längerem Leben?

Die Ergebnisse waren bemerkenswert. Laut den Studienautoren konnte gezeigt werden, dass eine reduzierte Körperflexibilität mit einem schlechteren Überleben bei Männern und Frauen mittleren Alters zusammenhängt.

Während des rund 13 Jahre langen Untersuchungszeitraums starben 302 Teilnehmer, darunter 224 Männer und 78 Frauen. Frauen zeigten einen um 35 Prozent höheren Flexindex als Männer. Die Überlebenden hatten in beiden Geschlechtergruppen einen fast 10 Prozent höheren Flexindex.

Die Forscher berücksichtigten dabei Faktoren wie Alter, Body-Mass-Index und Gesundheitszustand. Trotzdem zeigte sich: Männer mit niedrigem Flexindex hatten ein 1,87-fach höheres Sterberisiko. Bei Frauen war das Risiko sogar 4,78-mal höher.

Da die Flexibilität mit dem Alter tendenziell abnimmt, sollten Flexibilitätsübungen mehr im Fokus stehen, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler um Dr. Claudio Gil S. Araújo. Gesundheitsbezogene Fitnessuntersuchungen sollten demnach immer auch Beweglichkeitstests umfassen.

Übrigens: Eine andere Studie zeigte eine überraschende Verbindung zwischen hartem Lauftraining und Lebenserwartung.

Kritische Einordnung der Studie

Als Schwachpunkte der Studie räumen die Wissenschaftler ein, dass es sich um ein Beobachtungs-Design handelt, und somit keine Kausalität beim beobachteten Zusammenhang zwischen Beweglichkeit und Lebenserwartung vorliegen muss. Die Stichprobe setzte sich aus vorwiegend weißen, sozial höher gestellten Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit einem hohen Interesse an gesundheitlicher Vorsorge zusammen. Darüber hatten die Wissenschaftler keine Kontrolle über Faktoren wie den Zeitpunkt der Durchführung der Tests, die Ernährung, psychische Aspekte oder sportliche Aktivitäten und sitzende Tätigkeiten, die die Beweglichkeit beeinflussen können.

Die Forscher regen daher weitere Studien an. Diese sollen untersuchen, ob Dehnübungen und Flexibilitätstraining die Lebensdauer beeinflussen können.

Fazit: Mögliche Auswirkungen der Beweglichkeit auf die Lebensdauer – Trainingstipps

Trotz der Einschränkungen unterstreicht die Studie die Bedeutung der Körperflexibilität für die Gesundheit. Sie zeigt, dass Beweglichkeit mehr als nur ein Aspekt der Fitness ist. Vielmehr könnte sie ein wichtiger Indikator für die Lebenserwartung sein.

Für viele Menschen, insbesondere im fortgeschrittenen Alter, sollte dies ein Anreiz sein, Dehnübungen und Beweglichkeitstraining in die tägliche Routine einzubauen. Als mögliche Trainingsformen eignen sich zum Beispiel sanfte Bewegungsformen wie Tai-Chi, Yoga oder klassische Gymnastikübungen.

Wichtige Dehnübungen für Radfahrer finden Sie übrigens im Trainingsplan für Radsport-Einsteiger, den sie sich kostenlos als PDF herunterladen können. Diese sind natürlich auch für alle anderen sinnvoll – vor allem, wenn man viel sitzt und zu Verkürzungen und Schmerzen rund um Hüfte, unteren Rücken und Nacken neigt.

Auch Pilates fördert die Beweglichkeit. Pilates-Trainerin Maria Felsner zeigt einfache Wand-Pilates-Übungen für Einsteiger im Video. Die folgende 25-Minuten-Routine kann ebenfalls ein Schritt zu mehr Flexibilität und Körperbewusstsein sein, den Sie einfach in Ihren Alltag integrieren können:

Allgemein lässt sich festhalten: Je inaktiver Sie sind, desto schlechter wird Ihre Beweglichkeit werden. Schon kurze Spaziergänge oder Walking-Einheiten können einen Großteil der Muskulatur stärken und lockern zugleich. Die Bewegung und Belastung der Gelenke sind essenziell für den Erhalt ihrer Funktion. Ob Teamsport, Laufen, Radfahren, Schwimmen, Wandern oder Krafttraining: Bleiben oder werden Sie aktiv! Zur Inspiration finden Sie zahlreiche Workouts und Trainingspläne für unterschiedliche Fitness-Level zum kostenlosen Download in unserer PDF-Bibliothek.

Sie wollen nicht nur Ihre Beweglichkeit testen, sondern noch mehr über Ihren Gesundheitszustand erfahren? Hier erfahren mehr über 4 weitere Selbsttests, die einiges verraten können. Bedenken Sie aber immer, dass die Aussagekraft solcher Tests beschränkt ist und niemals den Gang zum Arzt ersetzen können. Jedoch können sie Interessierten einen ersten Überblick über ihren Staus Quo verschaffen.

Die Autorin ist ehemalige Leistungssportlerin, geprüfte Skilehrerin und Fitnesstrainerin (B-Lizenz).

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