Trainings-Tipps vom Ü60-Weltmeister: „Wenn du das in den Griff bekommst, ist das ein Game-Changer“
Der Coburger Stefan Eichhorn ist Hyrox-Weltmeister 2024 in seiner Altersklasse. Im Interview verrät der 61-Jährige, woran selbst viele Top-Athleten in Sachen Ernährung scheitern. Hier gibt er wertvolle Tipps.
Der Fitness-Sport Hyrox liegt im Trend. Bei dem Wettkampfformat müssen so schnell wie möglich insgesamt 8 Kilometer (aufgeteilt in 1000-Meter-Runden) gelaufen und 8 verschiedenen Workouts absolviert werden, die Kraft und Kraftausdauer fordern. Stefan Eichhorn ist einer der Besten unter den Hyrox-Athleten, in seiner Altersklasse (60 bis 64 Jahre) sogar Weltmeister. Im Interview mit Ippen.Media gibt er Tipps für das Krafttraining und die Ernährung, und spricht er über Wohlstands-Bäuchleine seiner Konkurrenten.
Als Hyrox-Weltmeister in der Altersklasse 60 bis 64 Jahre wissen Sie, wie man sich auch mit zunehmendem Alter extrem fit hält. Welchen wichtigen Tipp können Sie an weniger erfahrene Sportlerinnen und Sportler weitergeben?
Eichhorn: „Ich gehe schon seit fast 30 Jahren in das gleiche Gym und sehe, was die Leute dort so machen. Ab und zu gebe ich auch mal Kurse. Ich würde als Erstes ein echtes Plädoyer für Krafttraining halten – am besten mit freien Gewichten. Ich zum Beispiel habe mich komplett vom Maschinentraining gelöst. Klar, es gibt ein paar Geräte, zum Beispiel die Beinpresse oder den Beinstrecker, die man auch mal nutzen kann. Das mache ich auch gelegentlich. Aber prinzipiell ist es gut, freie Gewichte zu benutzen.“
Gilt das auch für Krafttrainingsanfänger?
Eichhorn: „Wenn man ein Anfänger ist, sollte man auf jeden Fall mit jemanden trainieren, der sich da auskennt. Das Training mit freien Gewichten ist ja kein Hexenwerk, aber man muss es richtig machen, weil man sich sonst verletzt. Das ist das eine.“
Und das andere?
Eichhorn: „Es ist nicht sinnvoll, im Gym einfach irgendwas zu machen – völlig random. Ich gehe mal hin und stemme ein paar Hanteln. Das ist vielleicht besser als nichts, aber wenn du wirklich Resultate erzielen willst, musst du dir zu deinem Training Gedanken machen: Wie kriege ich eine Progression hin? Der Körper passt sich an Belastungen an. Wenn du ihn immer mit der gleichen Belastung forderst, also meinetwegen immer 5x5 Kniebeugen mit 50 Kilogramm, dann sagt dein Körper irgendwann: ‚Ja, schön, mach mal!‘ Da passiert aber nichts mehr. Es gibt keinen Reiz, der dafür sorgt, dass die Muskeln wachsen, weil man einfach daran gewöhnt ist. Hypertrophie funktioniert so nicht. Und was die meisten noch weniger verstehen als das Training, ist das Thema Ernährung.“
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„Krass fit, aber trotzdem ein Wohlstands-Bäuchlein“
Inwiefern?
Eichhorn: „Da hängt brutal viel dran. Das habe ich auch bei der Weltmeisterschaft in Nizza unter meinen Konkurrenten in meiner Altersklasse gesehen. Da waren fast 40 Leute da und ich habe mich mit vielen unterhalten. Selbst die kriegen es nicht hin. Ich habe ein Körperfettanteil von 5 Prozent und die haben teilweise 20 Prozent. Die schieben dann, obwohl sie wirklich krass fit sind, ein Wohlstands-Bäuchlein vor sich her. Wenn du das in den Griff bekommst, ist das ein Game-Changer.“
Ist das eine Wissenslücke oder eine Frage der Disziplin?
Eichhorn: „Ein wichtiger Punkt. Das ist genau das, warum es bei den meisten heute gar nicht funktioniert: Sie haben keine Ahnung! Ich betreue ein paar Leute in Sachen Ernährung, die auch sportlich sind. Ich denke immer, die müssten ein bisschen was wissen, aber sie wissen nichts. Wenn ich denen sage, so und so müsste eine sinnvolle, ans Training angepasste Ernährung aussehen, stellen sie fest, dass sie meilenweit davon entfernt sind.“
Was ist der Knackpunkt bei der Ernährung?
Eichhorn: „Du musst einfach schauen, dass du deinen Körper mit allem versorgst, was er braucht, und ihm aber auch nicht zu viel Energie zuführst, weil du dann zunimmst – und das sind keine Muskeln. So funktioniert das nicht – und bei Frauen schon gleich gar nicht. Beim extremen Bodybuilding ist das nochmal ein anderes Thema.“
Eichhorn über Ernährung für Kraftsportler: „Ein paar Abstriche muss man machen“
Muskelaufbau ohne Fettaufbau – mit welcher Ernährungsstrategie schafft man das? Ist da viel Verzicht gefragt?
Eichhorn: „Ich würde es gar nicht so nennen. Man muss sich auf jeden Fall etwas suchen, was man mag, was zu einem passt, und wo man null verzichten muss. Ich esse wahnsinnig gern. Wenn man Kraftsport macht, viel Training mit Hanteln oder Gewichten, ist für Männer und Frauen nach meiner Auffassung ein hoher Proteinanteil unverzichtbar. Am Ende sorgt das auch dafür, dass man sich nie beschränken muss. Die Leute, die ich betreue, von denen muss keiner hungern. Das wäre auch Blödsinn, weil du das vier Wochen durchhalten würdest und nach acht Wochen meistens schwerer bist als vorher, weil du letztendlich keine Ernährungsweise gefunden hast, die zu deinem Leben passt.“
Gibt es typische Fehler, die man bei der Ernährung vermeiden sollte?
Eichhorn: „Man muss nur aufpassen, dass man nicht aus Langeweile isst oder auch nicht so ein paar grundlegende Fehler macht. Die haben weniger mit Verzicht, sondern eher mit einer falschen Herangehensweise zu tun. Wenn man so drauf ist, dass man jeden Tag zwei Tafeln Schokolade braucht, dann wird es nicht funktionieren. Ein paar Abstriche muss man machen. Aber viele Leute konsumieren heutzutage Lebensmittel nur noch als Genussmittel, das hat aus meiner Sicht nichts mehr mit Ernährung im eigentlichen Sinne zu tun. Die Nahrungsmittelindustrie, die Werbung und Social Media machen es den Leuten zehnmal so schwer wie es früher war.“
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Hyrox-Weltmeister: „Alkohol ist eine Katastrophe“
Wo machen Sie als Top-Athlet Abstriche in Sachen Ernährung?
Eichhorn: „Bei Nutella und Wein. Ersteres esse ich gar nicht mehr, weil das einfach ein Suchtmittel ist. Wenn ich das einmal anfange, das wäre wie einem entwöhnten Raucher eine Zigarette in die Hand zu geben: Das geht schief! Der komplette Verzicht funktioniert für mich besser. Und Alkohol, habe ich festgestellt, ist einfach eine Katastrophe.“
Weil man Alkohol mit zunehmendem Alter schlechter wegsteckt?
Eichhorn: „Das hat nichts mit Alter zu tun. Alkohol ist ein Nervengift, hat wahnsinnig viele Kalorien. Während Corona haben wir uns abends öfter mal zu Hause eine Flasche Wein zu zweit gegönnt, weil es ganz nett war und man sich dann auch dran gewöhnt hatte. Ich habe das dann irgendwann weggelassen und ein halbes Jahr später habe ich, ohne etwas anderes zu ändern, 5 Kilo abgenommen. Noch dazu bekommt man Schlafstörungen. Du schläfst zwar brutal schnell ein, wachst aber zwei Stunden später auf und bist glockenwach.“
Schlaf ist ein enorm wichtiger Baustein für die Regeneration. Achten Sie da speziell drauf?
Eichhorn: „Früher habe ich mir da nie drüber Gedanken gemacht, als ich noch jünger war. Aber ich merke es brutal, wenn ich mal zwei Nächte hintereinander nicht gut schlafe. Heutzutage kann man die Schlafqualität ganz gut mit Trackern messen. Ob da jetzt alle Werte so sinnvoll sind, darüber kann man streiten. Aber die HFV-Werte* können sie ganz verlässlich messen. Und die gehen bei einer unzureichenden Erholung durch schlechten oder zu wenig Schlaf in eine Richtung, die eher schlecht ist. Also weniger als sechs Stunden Schlafen ist für mich auf Dauer nicht denkbar.“
*HFV
HFV ist die Abkürzung für Herzfrequenzvariabilität (im Englischen auch HRV für Heart Rate Variability). Die HFV ist die Variabilität in den Zeitintervallen zwischen aufeinanderfolgenden Herzschlägen. Wie lange diese Intervalle sind, kann deutlich schwanken. Die HRV spiegelt die Anpassungsfähigkeit des Herzens an unterschiedliche Belastungen wider. Eine höhere HRV heißt, dass das autonome Nervensystem flexibler und anpassungsfähiger ist. Die ist ein Zeichen für einen guten Gesundheits- und Erholungszustand. Ein niedriger HRV-Wert deutet hingegen auf eine eingeschränkte Anpassungsfähigkeit hin.
Wie sinnvoll ist Intervallfasten für Sportler?
Intervallfasten ist in den vergangenen Jahren zum Trend geworden – auch unter Sportlern. Haben Sie damit Erfahrung?
Eichhorn: „Das habe ich leider 25 Jahre lang gemacht. Ich habe davon so viel gehört. Es erhöhe die Langlebigkeit, sei gut für den Abtransport von irgendwelchen Stoffen, und so weiter. Ich habe versucht, mein erstes Essen herauszuzögern, bis es nicht mehr ging. Da habe mich natürlich irgendwann richtig schlecht gefühlt am Nachmittag. Aber ich dachte, das ist gut für mich. Abgenommen habe ich dabei nie. Aber das ist natürlich auch nur mein eigener Blick auf mich selbst. Dann habe ich mich mit Holger Gugg ausgetauscht, ein Ernährungsberater, der aus dem Bodybuilding kommt und viel Erfahrung hat. Und der hat gesagt: ‚Mensch, probier‘ doch mal einfach zu frühstücken.‘“
Und?
Eichhorn: „Nach einem Vierteljahr, habe ich mir gesagt: ‚Was bist du 25 Jahre lang für ein Trottel gewesen?!‘ Ich habe deutlich mehr gegessen, kein Gramm zugenommen, aber mich einfach 20 Prozent besser gefühlt, und zwar den ganzen Tag. Das ist bestimmt eine individuelle Sache, aber ich halte es nicht für clever – egal, ob das jetzt 16:8-Fasten ist oder anderes Fasten. Es mag was anderes sein, wenn jemand krank ist, und Heilfasten vielleicht ein erfolgversprechender Faktor. Aber für einen gesunden Menschen eher nicht. Es sei denn, man braucht das für seinen Kopf, um mal den Schalter umzulegen und zum Beispiel mit schlechten Ernährungsgewohnheiten zu brechen.“
Den ersten Teil des Interviews mit Hyrox-Weltmeister Stefan Eichhorn lesen Sie hier.
Die Autorin ist eine ehemalige Leistungssportlerin, zertifizierte Skilehrerin und Fitnesstrainerin (B-Lizenz).