„Bin da echt ziemlich nerdig“: So tickt und trainiert Ü60-Hyrox-Weltmeister Stefan Eichhorn

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Stephan Eichhorn, Hyrox-Weltmeister in der Altersklasse 60-69, bei der Übung Sandbag Lunges © Stefan Eichhorn/Sportograf/Hyrox

Stefan Eichhorn aus Coburg hat sich im 2024 zum Hyrox-Weltmeister in seiner Altersklasse gekrönt. Bei dem Fitness-Rennen ist die Kombination aus Laufen und Kraft gefragt. Sein Trainingsgeheimnis verrät der 61-Jährige im Interview.

Seine Freundin fragt ihn manchmal: „Bist eigentlich schon 150? Wann hast du das alles gemacht?“ Es geht um Hyrox-Weltmeister Stefan Eichhorn und seine sportlichen Aktivitäten im Laufe seines Lebens. Der 61-Jährige aus Coburg ist im Sport von Ehrgeiz getrieben, ohne den Spaß daran zu verlieren. Im Interview mit „Ippen Media“ verrät Eichhorn, wie er trainiert, aus welchen Fehlern er gelernt hat und warum er alle Körpermaße von Arnold Schwarzenegger kannte.

Hyrox-Weltmeister Stefan Eichhorn im Interview

Sie haben im Juni 2024 in Nizza den Hyrox-Weltmeistertitel in der Kategorie der Ü60-Jährigen geholt. Sportlich aktiv waren Sie aber schon Ihr ganzes Leben. Was haben Sie alles gemacht?

Stefan Eichhorn: „Das kurz zusammenzufassen, ist schwierig, ich bin ja schon alt. Mit elf habe richtig angefangen, olympisches Gewichtheben zu machen. Ich habe geturnt, Handball gespielt, Karate gemacht und dann angefangen mit kleinen Triathlons bis hin zu Langstrecken-Triathlons. Das habe ich relativ lange gemacht, bestimmt 15 Jahre. Ich bin dann auch 24-Stunden-Radrennen gefahren, also schon extreme Ausdauergeschichten. Ich war viermal beim Ironman auf Hawaii. Irgendwann war das mal durch, weil es natürlich sehr zeitraubend ist. Ich habe nach meiner Ausbildung schon immer Vollzeit gearbeitet. Das war organisatorisch echt ein Ritt bei Rasierklinge. Auch gesundheitlich, glaube ich. Deswegen habe ich mit dem Triathlon aufgehört und bin zum Motorsport gekommen. Zehn Jahre lang bin ich dann Rundstreckencups der Amateure gefahren. 2019 bin ich dann schwer gestürzt und habe mich wirklich krass verletzt. Da habe ich für mich entschieden, dass das Risiko einfach zu groß ist.“

2019 war auch das Jahr, indem die erste Hyrox-Weltmeisterschaft stattfand ...

Eichhorn: „Richtig. In der Zeit bin ich zum funktionellen Training gekommen, im Zuge meines Trainings für das Motorradfahren. Denn da kommst du mit normalem Lauftraining nicht wirklich weit. Zu der Zeit kam Hyrox auf und ich über einen Freund dazu. Und weil ich halbe Sachen nicht so wirklich gerne mag, habe ich schon an der ersten WM in Oberhausen teilgenommen und bin dort Zweiter geworden.“

Was ist Hyrox? Das Fitness-Rennen erklärt

Hyrox ist ein Fitness-Rennen, das Laufen mit funktionellen Workout-Stationen kombiniert. Es ist also sowohl Ausdauer, als auch Kraft und Kraftausdauer gefragt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer laufen einen Kilometer und absolvieren dann ein vorgegebenes Workout – das ganze achtmal hintereinander, so schnell wie möglich. Die Reihenfolge ist immer die gleiche:

1. 1000 Meter Laufen – 1000 Meter Ski-Ergometer
2. 1000 Meter Laufen – 50 Meter Sled Push (Schlitten schieben)
3. 1000 Meter Laufen – 50 Meter Sled Pull (Schlitten ziehen)
4. 1000 Meter Laufen – 80 Meter Burpee Broad Jump
5. 1000 Meter Laufen – 1000 Meter Ruder-Ergometer
6. 1000 Meter Laufen – 200 Meter Farmer‘s Carry
7. 1000 Meter Laufen – 100 Meter Sandbag Lunges
8. 1000 Meter Laufen – 100 (bzw. 80) Wall Balls

Das Fitness-Rennen findet drinnen statt, meistens in weitläufigen Messehallen. Das Rennformat bleibt weltweit einheitlich und ermöglicht globale Bestenlisten und eine Weltmeisterschaft am Ende jeder Rennsaison.

Hyrox eignet sich sowohl für Profi-Athleten als auch für Hobby-Fitnesssportler. In der Pro-Kategorie werden bei den meisten Stationen schwerere Gewichte verwendet. Die Bestzeit für das komplette Workout in der Pro-Kategorie hält aktuell der US-Amerikaner Hunter Mcintyre in 53 Minuten 22 Sekunden. Der durchschnittliche Hobby-Athlet kommt nach etwa 90 Minuten ins Ziel, viele beenden ihr Rennen aber auch in mehr als drei Stunden.

Wie haben Sie sich damals vorbereitet?

Eichhorn: „Wir sind da völlig planlos ran, alles learning by doing. Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Wir haben halt immer irgendwas gemacht in den Kursen. Bei der Hyrox-WM habe ich eine Stunde und 28 Minuten in der Pro-Kategorie gebraucht. Das war richtig langsam, aber ich bin fast gestorben dabei. Da gibt es noch ein Video, in dem mich Mo Fürste (A. d. R.: Moritz Fürste, Hockey-Olympiasieger und Mitgründer von Hyrox) nach den Wall Balls ins Ziel geführt hat, weil ich nur noch Schlangenlinien getorkelt bin. Das war echt lustig. Über die Jahre hat sich Hyrox weiterentwickelt und hat auch sehr meinen Ehrgeiz geweckt.“

Eichhorn: „Athletische Körper haben mich schon immer total fasziniert“

Ich höre heraus, dass Sie es von sportlichen Herausforderungen schnell „anfixen“ lassen und sich dann mit Vollgas reinstürzen ...

Eichhorn: „Total. Früher war es Gewichtheben. Ich war ein totaler Anhänger von Arnold Schwarzenegger, bis ich etwa 20 war. Ich habe direkt ein Buch von ihm gelesen, kannte alle seine Körpermaße. Athletische Körper haben mich schon immer total fasziniert. Mein Anspruch an mich selbst war auch schon immer ein bisschen ‚drüber‘. Ich bin da echt ziemlich nerdig.“

Wie meinen Sie das?

Eichhorn: „Ich hasse es, wenn ich zunehme und nicht mehr so aussehe, wie ich gerne hätte. Ich habe schon immer die Einstellung vertreten, ein Athlet muss auch aussehen wie ein Athlet. Persönliche Eitelkeit. Daneben bewege ich mich wahnsinnig gern. Ich kann mir gar nichts anderes vorstellen. Mit dem Ausdauersport ist es dann allerdings auch schon in eine extreme Richtung gegangen. Ich bin Marathon irgendwann mal 2 Stunden 41 Minuten gelaufen und da habe ich keine 60 Kilo mehr gewogen. Das war zu wenig und nicht so gut. Ich habe viel Muskelmasse verloren durch das extreme Ausdauertraining. Das ist mir irgendwann bewusst geworden und da kam mir das funktionelle Training wie gerufen.“

Bei Hyrox sind sogenannte Hybrid-Athleten gefragt, die sowohl stark im Laufen, als auch bei Übungen für Kraft und Kraftausdauer sein müssen. Das spiegelt sich auch im Körperbau der Top-Athleten wider.

Eichhorn: „Stimmt. Ich bin immer völlig begeistert und eigentlich auch erstaunt, wenn ich mir die Elite-15-Leute anschaue. Mit was für einer hohen Muskelmasse und damit auch hohem Gewicht da letztlich sehr schnelle Laufzeiten zustande gebracht werden, ist echt beeindruckend und sehr faszinierend. Wobei ich sagen muss, im Triathlon habe ich auch mit Profis trainiert. Mit Thomas Hellriegel, der 1997 den Ironman Hawaii gewonnen hat, war ich öfter im Trainingslager unterwegs. Der war extrem muskulös, eine Maschine. Das hat mir gezeigt, dass man auch im Ausdauersport aussehen kann wie ein Athlet. Bei den reinen Läufern sehe ich das aber gar nicht. Wenn du einen 2:50er-Schnitt über einen Halbmarathon laufen willst, ist Masse eher schlecht, aber es sieht halt auch gruselig aus.“

Wie haben Sie den Umstieg vom Ausdauersport zu Hyrox gemeistert?

Eichorn: „Das erste Training, das ich da mitgemacht habe, das war ganz schlimm. Ich konnte mich eine Woche lang fast nicht mehr bewegen, so einen Muskelkater hatte ich. Aber es hat mich auch total angefixt, weil ich gemerkt habe, dass es mir entgegenkommt. Funktionelles Training und Krafttraining mit der Langhantel, das zum Beispiel auch beim Crossfit gemacht wird, das liegt mir in Fleisch und Blut. Als Kind habe ich es beim Gewichtheben tausendfach trainiert. Viele Leute kennen das gar nicht mehr, weil es eine Randsportart geworden ist. Erst durch Crossfit ist es wieder nach Deutschland geschwappt.“

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So trainiert der Ü60-Weltmeister im Hyrox

Wie sieht Ihr Training als Top-Athlet Ü60 aus?

Eichhorn: „Da sollte man unterscheiden zwischen sich bewegen und trainieren. Für mich gehört das ganz stark zusammen. Und ich glaube, da machen viele auch echt Fehler. Klar ist, umso älter man wird, umso mehr musst du auf deine Regeneration achten. Ich merke es heute, ich kann keine drei Tage hintereinander hart trainieren. Das funktioniert einfach irgendwann nicht mehr. Dann verletze ich mich oder werde krank. Im Vorfeld der WM in Nizza habe ich mein Training so gestaltet: Ich habe den Vorteil, dass ich bei einer Versicherung arbeite. Wir haben flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, die Hälfte des Monats Homeoffice zu machen. Sprich, ich habe früh meinen Rechner angemacht und 1 bis 2 Stunden gearbeitet. Dann bin ich meistens eine halbe Stunde, Stunde einfach spazieren gegangen. Das hilft mir schon, die Belastung vom vorabendlichen Training besser zu verarbeiten. Da fühle ich mich danach einfach besser, weil die Durchblutung angeregt wird, ich habe frische Luft und den Kopf frei. Mittags bin ich dann meistens zum Krafttraining ins Gym und habe entweder klassisches Krafttraining oder Hyrox-spezifische Sachen gemacht. Abends war ich nochmal laufen, vielleicht eine halbe Stunde. Soweit der grobe Tagesablauf. Das war schon aufwendig.“

Hybrid-Athlet Stefan Eichhorn ist „kein großer Freund von starren Trainingsprogrammen“

Das hört sich nach einem strengen Trainingsplan an, der wenig Luft lässt.

Eichhorn: „Ich bin kein großer Freund von starren Trainingsprogrammen. Dazu schwankt mein körperliches Befinden von Tag zu Tag zu sehr. Ich habe das durchaus mal versucht, aber es hat streckenweise nicht wirklich funktioniert. Wenn ich merke, okay, du bist jetzt nicht in der Lage, diese Trainingseinheit zu machen, und ich muss immer wieder Einheiten schieben, dann brauche ich auch gar keinen Plan. Ich weiß auch selbst so viel über Training mittlerweile, auch was Hyrox angeht, dass ich versuche, nach Körpergefühl zu trainieren.“

Muskelbündelriss durch zu hohes Laufpensum: „Hat mich ein Vierteljahr ins Nirwana geschossen“

Wie schafft man es, sich zu fordern, aber nicht zu überfordern?

Eichhorn: „Vor der Hyrox-Europameisterschaft habe ich eine Zeit lang versucht, meinen Laufpensum stark zu erhöhen, was im Endeffekt dazu geführt hat, dass ich mir einen Muskelbündelriss geholt habe, der mich dann ein Vierteljahr laufmäßig ins Nirwana geschossen hat. Das war jetzt auch nichts, wo man sagen könnte, das kam durchs Alter. Das hätte ich vor 30 Jahren genauso haben können, weil es zu viel an Belastung war. Vielleicht steckt man es mit 20 eher weg, aber da wäre ich mir gar nicht so sicher. Lauftraining, sehr intensiv, sehr hohe Volumina, birgt ein großes Risiko. Deswegen habe ich das im Vorfeld von Nizza eingedampft auf kurze Läufe und bin dann aber auch nie langsam gelaufen. Nach dem Einlaufen bin ich dann nach Gefühl Renntempo gelaufen – zwei, drei Kilometer. Und das hat super funktioniert. Durch meine Vergangenheit habe ich natürlich eine riesige Ausdauergrundlage, daher würde ich es jetzt nicht für jeden so empfehlen. Aber ich bin in Nizza die Kilometer durchgängig, unter diesen Mörderbedingungen, in einem 4:15er-Schnitt gelaufen. Das fand ich eigentlich schon zufriedenstellend für das, was ich an Lauftraining gemacht habe.“

Im nächsten Teil des Interviews gibt Hyrox-Weltmeister Stefan Eichhorn unter anderem Tipps für effektives Krafttraining – sowohl für Fitness-Einsteiger, Fortgeschrittene und Ältere. Außerdem verrät er: „Was die meisten nicht hinkriegen, ist das Thema Ernährung“, und erklärt, worauf es ankommt.

Die Autorin ist ehemalige Leistungssportlerin, geprüfte Skilehrerin und Fitnesstrainerin (B-Lizenz).

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