Diplomatische Wende trotz Russland-Nähe? Ukraine lädt Chinas Außenminister nach Kiew ein

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Es gibt Anzeichen einer Annäherung zwischen China und der Ukraine. Auf eine China-Reise des ukrainischen Außenministers Kuleba folgt schon Tage später die Gegeneinladung an den Amtskollegen Wang Yi.

Mehr als drei Stunden sprachen Dmytro Kuleba und Wang Yi vergangene Woche im südchinesischen Guangzhou miteinander. Der Austausch der beiden Außenminister der Ukraine und Chinas hat offenbar etwas angestoßen: Denn nun hat Kiew Wang Yi bereits zum Gegenbesuch eingeladen. „Wir sind bereit, Minister Wang Yi in der Ukraine willkommen zu heißen, damit er sich aus erster Hand ein Bild von den Folgen der russischen Aggression gegen unser Land machen kann“, sagte Außenamtssprecher Heorhii Tykhy laut der Nachrichtenagentur Reuters. Man wolle die Gespräche über eine Reihe bilateraler, regionaler und internationaler Themen vertiefen, denn man nehme ein Interesse Pekings daran wahr.

Es wäre das erste Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges, dass ein hochrangiger chinesischer Politiker das angegriffene Land besucht. So wie auch Kuleba der erste Außenminister seines Landes war, der seit Februar 2022 nach China gereist ist. Kiew tastet sich derzeit vorsichtig an Peking heran. Denn China gilt als das Land, das den größten Einfluss auf Wladimir Putins Russland hat, dank seiner Nähe zu Moskau – und aufgrund der wachsenden wirtschaftlichen Abhängigkeit Russlands vom Handel mit der Volksrepublik.

Bereiten Außenminister den Weg zu einem Gipfel Selenskyjs mit Xi?

Die Außenminister könnten sogar nach 29 Monaten Krieg endlich ein Treffen der Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Xi Jinping vorbereiten. „Hat ... Minister Kulebas Besuch in China ein mögliches Treffen zwischen den Anführern der Ukraine und Chinas näher gebracht? Das hat er zweifellos“, sagte Tykhyi. Es sei jedoch noch zu früh für einen Termin.

Man wählt derzeit betont positive Worte. „Ich bin überzeugt, dass ein gerechter Frieden in der Ukraine in Chinas strategischem Interesse liegt und Chinas Rolle als globale Friedensmacht wichtig ist“, hatte Kuleba in Guangzhou gesagt. Sogar Präsident Selenskyj meldete sich am Abend des Treffens von Guangzhou zu Wort: „Es gibt ein klares Signal, dass China die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine unterstützt“, so Selenskyj. „Und es wurde uns bestätigt, dass China keine Waffen an Russland liefern wird.“

Die Außenminister der Ukraine und Chinas, Dmytro Kuleba und Wang Yi, geben sich die Hand bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar.
Die Außenminister der Ukraine und Chinas, Dmytro Kuleba und Wang Yi - hier bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Kuleba reiste vergangene Woche nach China, nun folgte die Einladung an Wang nach Kiew. © Ren Pengfei/Xinhua/Imago

Hoffen auf Trendwende in Chinas Ukraine-Politik

Doch während Putin und Xi Jinping einander demonstrativ als „gute Freunde“ bezeichnen, haben Selenskyj und Xi keine persönliche Beziehung. Selenskyj drängte auf ein Treffen mit Xi, doch seit der russischen Invasion kam es lediglich zu einem Telefonat, im April 2023. Mit Kritik an Peking hielt sich Selenskyj dennoch stets zurück – bis zu diesem Juni. Auf dem Shangri-La-Sicherheitsdialog in Singapur beschuldigte er China öffentlich, dem Kreml dabei zu helfen, die Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz zu untergraben. Es sei bedauerlich, dass „solch ein großes unabhängiges Land wie China ein Instrument in den Händen von Putin ist“.

Die Worte zeigten den Frust Selenskyjs in einer Phase, in der China Kiew mehrfach vor den Kopf gestoßen hatte. Hochrangige chinesische Beamte haben Berichten zufolge damals immer wieder Bitten um persönliche Treffen mit ukrainischen Counterparts oder dem Botschafter Kiews in Peking ausgeschlagen.

Deutet sich nun eine Trendwende an? Das ist zu früh zu sagen. Immerhin zeigen ein paar in Guangzhou geschlossene Vereinbarungen Chinas Interesse an den Beziehungen zur Ukraine sowie an Getreideimporten und offenen Logistikkanälen. China war der größte Abnehmer im Rahmen des Abkommens zur Ausfuhr ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer, das Russland vor einem Jahr zum Ärger Pekings aufgekündigt hatte.

China stützt Russland – und sorgt sich um Folgen für Beziehungen zu Europa

Peking habe seine „De-facto-Unterstützung für Russland“ stets aufrechterhalten, auch in Form gemeinsamer Manöver, meint der China-Experte Björn Alexander Düben vom Forward College in Berlin. „Es gibt jedoch Anzeichen dafür, dass sich China zunehmend vor den diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Kosten seiner anhaltenden Partnerschaft mit Moskau fürchtet.“ Vor allem an funktionierenden Beziehungen zur EU ist Peking weiter gelegen. Doch Chinas Ukraine-Sondergesandter Li Hui war Anfang des Jahres in der EU ausgesprochen kühl empfangen worden. „In allen europäischen Hauptstädten, die er besuchte, wurde Li daran erinnert, dass Chinas (indirekte) Unterstützung für Russland in Bezug auf die Ukraine die chinesisch-europäischen Beziehungen aktiv beeinträchtigt“, schreibt Düben.

Chinesische Banken schränken aus Sorge vor US-Sanktionen derzeit ihre Geschäfte mit Russland wieder ein. Der 2022 und 2023 sprunghaft gestiegene Handel ging im ersten Halbjahr 2024 leicht zurück. Anfang Juli führte Peking Ausfuhrkontrollen für eine ganze Reihe Waren inklusive Dual-Use-Produkten ein. Am Mittwoch wurden diese Kontrollen auf Drohnen und Drohnenteile mit potenzieller militärischer Anwendung ausgedehnt, darunter etwa hochpräzise Messgeräte.

Die Zeitung Kyiv Independent berichtete unter Berufung auf Kuleba, dass die Ukraine zu Friedensverhandlungen bereit sei, wenn auch Moskau bereit sei, „in gutem Glauben zu verhandeln“. Das sei derzeit nicht der Fall. Auch das chinesische Außenministerium räumte ein, dass die Bedingungen für Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland noch nicht reif seien. Man sei aber bereit, eine konstruktive Rolle bei den Friedensbemühungen zu spielen, hieß es.

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