Nato schießt nach: Neue deutsche Leopard-Panzer sollen Putin das Fürchten lehren

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Auf Halde gelegt: Einige Leopard A1 und andere Gefechtsfahrzeuge warten in vielen Nato-Ländern auf ihre Wiederbelebung – hier in Belgien. Der Arbeitseinsatz ist aufwändig, die Ersatzteile mittlerweile schwer zu beschaffen (Archivfoto). © IMAGO/Monasse T/Andia.fr

Acht Leopard 1A5, 14 Leopard 2 – die Nato-Partner lassen neue Panzer gegen Putin rollen. Mehr Schlagkraft an der Front; neue Schwierigkeiten dahinter.

Kiew – „Die Europäer brauchen neun Monate, um einen Leopard 2 zu überholen“, schreibt David Axe. Im März hatte der Forbes-Autor kritisiert, dass der Ukraine-Krieg schneller voranschreite, als die Panzer repariert werden könnten. Im Januar davor hatte laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel auch ein Grünen-Bundestagsabgeordneter den Zeitverzug kritisiert; im Mai musste sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) einen Rüffel auch der Kanadier wegen der schleppenden Reparaturdauer abholen; und jetzt endlich hat die Bundesregierung acht weitere Leopard-Panzer in Marsch gesetzt. – noch ältere Modelle als die bisherigen Leopard 2. Pikant daran: Die Ukraine hatte im Mai bereits die Annahme von Leopard 1-Panzern verweigert.

Auch Dänemark und die Niederlande schießen Material nach: 14 Leopard-2-Panzer, wie die Ukrainska Prawda meldet. Geplanter Liefertermin: Ende des Sommers. „Leider ist festzustellen, dass nur noch eine sehr geringe Zahl der gelieferten Kampfpanzer von der Ukraine eingesetzt werden kann“, hatte Sebastian Schäfer geschrieben, nachdem der Grünen-Haushaltspolitiker aus dem Wahlkreis Esslingen zusammen mit Verteidigungsminister Pistorius eine Panzer-Werkstatt in Litauen besucht hatte; dort werden die Panzer wieder zusammengeflickt, weil der Ukraine selbst offenbar sowohl die Kapazitäten als auch die Kenntnisse fehlen. Der Panzer bereitet Sorgen.

Das Leopard-Desaster der Ukraine: schlecht aufbereitet, fehlende Teile und nur notdürftig geflickt

18 Kampfpanzer Leopard 2A6 hat die Ukraine aus Deutschland bekommen; insgesamt bisher 58 Leopard 1A5. Beide Modelle jeweils mit Ersatzteilen – die aber offenbar hinten und vorn nicht reichen. Insgesamt waren der Ukraine aus Nato-Ländern insgesamt allein 155 generalüberholte Leopard-Panzer 1 zugesagt worden; aus Industriebeständen, das heißt, sie waren eingemottet gewesen. Im September 2023 hatte die Ukraine dann 20 Leopard 1 erhalten – und sie umgehend reklamiert. „Nach Erhalt und Inspektion stellte die Ukraine fest, dass 18 der 20 erhaltenen Panzer kleinere Mängel oder Fehlfunktionen zeigten und zwei ‚schwerwiegendere Mängel‘ aufwiesen“, schreibt der Kyiv Independent.

„Ich war 2019 und 2020 Kommandeur der VJTF, also der schnellen Nato-Speerspitze; und wir hatten in unserer Brigade Leopard 2 aus drei Ländern, Deutschland, Norwegen und den Niederlanden – und diese Leopard 2 benötigten jeweils unterschiedlichen Sprit.“

Letztlich bleibt die Situation mehrfach unbefriedigend: Die Zahl der Westpanzer ist zu gering; der Umfang der Revitalisierung der Industriebestände war letztendlich weit aufwändiger, als offenbar vorher angenommen; und darüber hinaus scheint die Instandsetzung ebenfalls in mehrfacher Hinsicht eine Katastrophe zu sein. Allein aufgrund der schlechten Verfügbarkeit von Ersatzteilen für das Leopard-Modell 2A4, das in den vergangenen Jahren in der Bundeswehr durch das Modell A6 getauscht worden war, aber noch in anderen Nato-Armeen läuft.

„Zudem hätten Reparaturversuche durch die ukrainische Armee zu weiteren Schäden an den Panzern geführt. Es sei zu prüfen, inwiefern dies durch eine bessere Schulung der Mechaniker oder durch die Bereitstellung von Anleitungen verhindert werden könne oder ob gleich eine Instandsetzung in der Ukraine möglich sei“, zitierte der Spiegel Anfang des Jahres aus dem Brief des Grünen-Abgeordneten Schäfer an Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann.

Das Problem der Ukraine. Nato-Partner horten großen Leopard-Bestände

Im Mai hatte dann Kanada eine Lösung aufgedrängt und damit eine Unwucht in die Nato hineingetragen: „Kritiker haben mit dem Finger auf die deutschen Hersteller Krauss-Maffei Wegmann (Hersteller des Fahrgestells) und Rheinmetall (Hersteller der Kanone) gezeigt und erklärt, deren Weigerung, die geistigen Eigentumsrechte an den verschiedenen Komponenten des Leopard A4 mit anderen Unternehmen zu teilen, habe den Teilemangel verursacht und die Reparaturkosten in die Höhe getrieben“, berichtete der kanadische Sender CBC News.

Der Thinktank International Institute for Strategic Studies (IISS) ging Anfang 2023 insgesamt von 223 eingelagerten Leopard 2A4 in den Beständen der Bundeswehr und von Rheinmetall aus. Die verschiedenen Nato-Partner sollen rund 2200 Leopard-Panzer verschiedener Modelle und Baureihen im Dienst beziehungsweise eingelagert haben. Der Ukraine jedenfalls gehen die Panzer aus. Laut aktuellen Angaben der Statistik-Plattform Oryx ist ein Leopard 1A5 beschädigt, zehn Leopard 2A4 zerstört, elf Leopard 2A4 beschädigt und aufgegeben, sechs Leopard 2A6 zerstört, fünf Leopard 2A6 beschädigt.

Fehlende Logistik-Strategie: Ukrainer reparieren lieber selbst und riskieren Doppelarbeit

Forbes hatte im März geschrieben, dass die Ukrainer aufgrund der fehlenden Ersatzteile am liebsten die am stärksten malträtierten Gefechtsfahrzeuge ausschlachten und die anderen Panzer selbst reparieren würden; berichtet hatte das Christian Freuding; der ist Generalmajor des Heeres der Bundeswehr, Leiter des Lagezentrums Ukraine und des Planungs- und Führungsstabs des Bundesministers der Verteidigung in Berlin. Ihm zufolge würden die Ukrainer die beschädigten Teile „ausbauen und sie dann auf Lastwagen und Züge verladen, um sie nach Polen oder Litauen zu transportieren“.

Das würde eine Verdoppelung der Arbeit bedeuten, wenn in den Reparaturzentren Teile repariert werden, die dann nochmal in der Ukraine angefasst und in die Fahrzeuge eingebaut würden. „Der ohnehin schon langsame Reparaturprozess wird dadurch noch langsamer“, sagt Freuding laut Forbes. Allerdings werden unter Feldbedingungen in der Regel kaum beschädigte Teile repariert – sie werden ausgetauscht. Hat ein Panzer beispielsweise einen Motorschaden erlitten, erfolgt keine Fehlerdiagnose mit anschließendem Einbau des Ersatzteils. Normalerweise wird ein neuer Motor eingebaut.

Putins Alptraum kaum fronttauglich: Ukraine sucht nach eigenen Lösungen

Vielleicht macht den Leopard 1 die gegenüber dem Leopard 2 schwächere Panzerung anfälliger oder die schwächere Bewaffnung. Oder die fehlende Waffenstabilisierung, die der Besatzung mehr Übung auf dem Gerät abverlangt. Vielleicht resultiert die Kritik auch einfach aus einem unterschiedlichen Verständnis von der Waffe zwischen den Weststaaten und der Ukraine.

Das ukrainische Magazin Armyinform hatte bereits Anfang 2023 einen Hinweis gegeben – als sie mit „Vitaliy“ den Führer eines Zuges von Leopard-1-Panzern schwärmen ließen: „Als wir im Training waren und es zu kleineren Pannen am Panzer kam, baten wir und die anderen Besatzungsmitglieder sofort die ausländischen Ausbilder, uns die notwendige Ausrüstung und Mechanismen zur Verfügung zu stellen. Sie waren überrascht, denn sie waren es gewohnt, Reparaturbataillone zu erwarten, die die Ausrüstung reparieren würden“, sagte „Vitaliy“.

Kritik der Analysten: Ukraine hätte lieber mit mehr Sowjet-Material kämpfen sollen

Der Kommandant betonte, wie Armyinform schrieb, „dass jede Maschine in den Händen motivierter Leute gut funktionieren wird, denn die meisten Panzerfahrer, die an deutschen Panzern arbeiten, sind Freiwillige, die bereit sind, alle Anstrengungen für einen baldigen Sieg zu unternehmen“. Bereits im Juli des ersten Kriegsjahres hatte Dan De Luce die aktuelle Lage scheinbar vorausgeahnt: „Trotz des Zustroms westlicher Systeme wird die Ukraine in absehbarer Zukunft wahrscheinlich weiterhin von Waffen aus der Sowjetzeit abhängig bleiben“, hatte der Reporter des US-amerikanischen Senders NBC spekuliert.

Aufgrund der Recherchen des Thinktanks Foundation for Defense of Democracies hätte die Ukraine hunderte Waffensysteme sowjetischen Ursprungs in 23 Ländern außerhalb der Nato finden können, beispielsweise Mi-17-Hubschrauber, T-80-Panzer und BM-14-Artilleriegeschütze. Laut NBC hätte die Ukraine somit gewohnte Systeme in Ländern wie Südkorea, Kolumbien, Argentinien und Kenia finden und möglicherweise von dort beziehen können.

General genervt: Drei Leopard 2 aus drei Nato-Ländern benötigen drei verschiedene Spritsorten

Als ein „logistischen Alptraum“ bezeichnete Anfang 2023 ein ungenannter französischer Offizier gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Versorgung der Ukraine mit Westpanzern. „Die Palette ist extrem groß. Jeder hat sein eigenes Waffensystem, seine eigenen Triebwerke“; äußerte die Quelle. Das kann der deutsche Panzer-General Freuding bestätigen: „Ich war 2019 und 2020 Kommandeur der VJTF, also der schnellen Nato-Speerspitze; und wir hatten in unserer Brigade Leopard 2 aus drei Ländern, Deutschland, Norwegen und den Niederlanden – und diese Leopard 2 benötigten jeweils unterschiedlichen Sprit“, sagte er im Bundeswehr-Podcast Nachgefragt.

Aber neben den logistischen Herausforderungen und der Feindeinwirkung hinterlasse auch die Beanspruchung an jedem Fahrzeug ihre Spuren – zumal die übermäßige Beanspruchung in schweren Gefechten. Normalerweise befinde sich in einer Gefechtssituation zu jedem Zeitpunkt ein Drittel aller Panzer in der Wartung, wie der Offizier sagte. „Ein Kampfpanzer ist, was die Wartung an Land betrifft, das komplexeste aller Militärfahrzeuge.“ (Karsten Hinzmann)

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