Behörde stuft Benzin als krebserregend ein: Öl-Industrie könnte Klagewelle drohen

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Eine WHO-Einrichtung hat die Krebs-Gefahr bei Benzin untersucht. Dabei kam sie zu eindeutigen Ergebnissen. Droht eine Klagewelle?

Lyon, Frankreich – Die Automobilindustrie hatte in den letzten Jahren einige Rückschläge eingesteckt. Sei es das Verbrenner-Aus, der Preisdruck aus China, Massenentlassungen bei Zulieferern und sogar den Branchentitanen – jetzt könnte auf die Branche ein neuer Skandal zukommen. Eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation hatte untersucht, ob Benzin gesundheitsgefährdend ist.

WHO-Einrichtung untersucht Benzin – und eine Verbindung zu Krebs

Ist Autobenzin krebserregend? Eine Arbeitsgruppe der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) hatte Mitte März dazu neue Ergebnisse vorgelegt. Unter anderem stuften die Wissenschaftler Autobenzin als krebserregend für Menschen ein und bewerteten es in der sogenannten „Gruppe 1“, also mit der höchsten Gefährdungsstufe. „Grundlage hierfür waren ausreichende Hinweise auf Krebserkrankungen beim Menschen sowie die Kombination aus ausreichenden Hinweisen auf Krebserkrankungen bei Versuchstieren und starken mechanistischen Hinweisen bei exponierten Menschen“, schrieb die IARC dazu.

Eine Zapfsäule an einer Tankstelle.
Eine Zapfsäule an einer Tankstelle (Symbolfoto). Eine WHO-Behörde hat die Krebs-Gefahr bei Benzin untersucht. Dabei kam sie zu eindeutigen Ergebnissen. Droht eine Klagewelle? © IMAGO / NurPhoto

Im Detail soll die Exponierung zu Blasenkrebs bei Erwachsenen führen sowie zu akuter myeloischer Leukämie. Bestimmte Additive in der Flüssigkeit sollen ebenfalls gefährlich sein. Hauptsächlich sind Menschen durch die Freisetzung von Benzindämpfen den krebserregenden Stoffen ausgesetzt, berichtete das IARC. Vor allem bei der Herstellung oder beim Transport und Tankvorgängen soll die Exponierung besonders hoch sein. Mitarbeiter von Tankstellen oder in der Produktion sind generell höheren Menschen von Benzindämpfen ausgesetzt als die durchschnittliche Bevölkerung.

Bei den Additiven, die IARC ebenfalls untersucht hatte, handelt es sich um Zusatzstoffe, die die Verbrennungseffizienz erhöhen und die Luftverschmutzung verringern sollen. Aktuell sind mehrere sogenannte Sauerstoffhaltige Zusatzstoffe in Gebrauch, aber ihre Nutzung im Benzin variiert je nach Region und je nach Zeitraum des produzierten Benzins. Den Wissenschaftlern zufolge haben die USA zum Beispiel auf zwei bestimmte Zusatzstoffe verzichtet und durch Ethanol ersetzt. Diese Ergebnisse hatten die Wissenschaftler im Wissenschaftsmagazin Lancet veröffentlicht. IARC ist eine Behörde der Weltgesundheitsorganisation.

IARC hat bei Glyphosat für Aufruhr gesorgt – Verband sieht keine große Gefahr für Krebs

Allerdings ist die IARC wegen früherer Einschätzungen umstritten. Vor etwa zehn Jahren etwa hatte die Behörde vor einem Krebsrisiko bei Glyphosat gewarnt, dem Wirkmittel im Unkrautvernichter Roundup. Das hatte dem Bayer-Konzern eine wahre Klagewelle beschert, mit der der Konzern heute noch zu kämpfen hat. Pikant daran: Gesundheitsbehörden in westlichen Ländern, darunter in vielen europäischen Staaten, hatten erklärt, dass der Wirkstoff kein Krebsrisiko habe.

Droht der Ölindustrie nun dasselbe? „Die IARC hebt zwar mögliche Gesundheitsrisiken hervor, doch technische und organisatorische Schutzmaßnahmen wurden über Jahrzehnte etabliert, um eine mögliche Exposition von Tankkundschaft ebenso wie vom Personal so gering wie möglich zu halten“, zitierte Business-Insider einen Sprecher des Wirtschaftsverbands Fuels und Energie (En2x). Seit 2008 seien Tankstellen dazu verpflichtet, Gasrückführungssysteme einzubauen, die die Freisetzung flüchtiger organischer Verbindungen bei der Betankung „erheblich“ reduzieren sollen.

Warnung aus Deutschland – kann Gaspendelung vor Krebs schützen?

Das Umweltbundesamt hatte vor mehreren Jahren bereits vor Benzol gewarnt, das im Benzin für Kraftfahrzeuge enthalten ist. Dieses gilt als krebserregend. „Sobald man den eigenen Tank befüllt, hat man mit dieser gefährlichen Substanz Kontakt, die aus Tanks verdunstet“, teilte die Behörde per Website mit. Durch die Gaspendelung habe man das Entweichen von Benzol beim Tanken allerdings deutlich reduzieren können. Dabei handelt es sich um die schon erwähnten technischen Systeme zur Reduzierung von Ausdünstungen beim Benzintransfer. „Der Hauptteil der Belastung geht jedoch auf den Straßenverkehr zurück“, erklärte das Umweltbundesamt.

Ob eine ähnliche Entwicklung wie damals bei Glyphosat stattfindet – mit den Großkonzernen der Öl-Industrie als Ziel der Klagen – wird sich in den kommenden Wochen herausstellen.

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