Unaufgeregt und besonnen: Bürgerversammlung läuft friedlich ab

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Holzkirchen
  4. Holzkirchen

KommentareDrucken

Alle 350 Plätze für Holzkirchner waren bei der Bürgerversammlung im Oberbräu-Saal besetzt. © STEFAN SCHWEIHOFER

Die Gemeinde Holzkirchen hatte sich gut vorbereitet: Polizeipräsenz, reglementierter Zutritt, präzise Antworten auf teils fremdenfeindlich konnotierte Anfragen und viele Demokraten im Publikum trugen zu einem friedlichen Ablauf der voll besetzten Bürgerversammlung bei.

Holzkirchen – Normalerweise ist die Holzkirchner Bürgerversammlung kein Publikumsmagnet. Am Mittwochabend dagegen waren alle 350 für Holzkirchner Bürger vorgesehenen Plätze bereits um 19.20 Uhr besetzt. die ortsfremden Besucher musste mit der Audioübertragung am Vorplatz vorlieb nehmen.

Teilnehmerzahl bei Demo überschaubar

Weit weniger Interessierte als im Vorfeld gedacht versammelten sich vor dem Kultur im Oberbräu. Etwa 150 waren es laut Polizei zu Spitzenzeiten, wobei just als ihr Thema, die Flüchtlingsunterkünfte um Moarhölzl und bei der Vivo in Warngau, durch die Boxen drang, ein Schwund erkennbar war.

Anders als in Warngau bauten sie auch kein Bedrohungsszenario mit Johlen, Trillerpfeifen, Traktorhupen und Parolen auf. Der Chef der Holzkirchner Polizei, Christian Gollwitzer, bezeichnet die Stimmung als „unemotional und entspannt“. Zwar seien auch Demonstrierende mit Megafonen vor Ort gewesen, hätten diese aber nicht genutzt. Ordnungspersonal und Polizei wiesen zeitig auf die Verhaltensregeln hin, was aber nur vereinzelt nötig war. Für den Rechenschaftsbericht von Bürgermeister Christoph Schmid interessierte sich draußen vielleicht ein Handvoll Anwesende und postierte sich dazu vor dem zweiten Lautsprecher am Platz für Menschenrechte. Direkt vor dem Eingang zum Kultur im Oberbräu übertönten die Gespräche der Demonstranten untereinander die Übertragung ins Freie. Zu Konfrontationen der großen Mehrheit an entschiedenen Gegnern der Flüchtlingsunterkunft mit dem Dutzend Besuchern, die das strikte Nein ablehnen, kam es kaum. Letztere waren unter anderem an Regenbogen-Sonnenschirmen erkennbar. Auf der anderen Seite: ein Blinklicht an einer Stethoskop-Stange, ein Schild, viel mehr war da nicht. Die Polizei verbrachte einen ruhigen Abend.

Als das Thema Asylunterkünfte an der Vivo und im Moarhölzl um 21.35 Uhr, gut zwei Stunden nach Beginn, erstmals zur Sprache kam, harrten nur noch etwa 35 Gegner und knapp zehn Nicht-Gegner am Eingang im kalten Nieselregen aus. Als eine Frage zur Sicherheit am Bahnhof angesichts Geflüchteter verlesen wurde mit der Formulierung „Meine Frau lasse ich dort nicht mehr alleine hin“, brach im Saal Gelächter aus, was Schmid mit der Aussage einbremste, er wolle alle Sorgen und Nöte ernst nehmen. Die Gegner draußen nahmen das Gelächter irritiert zur Kenntnis.

Angesichts der unerwartet geringen Teilnehmerzahl war das Aufgebot an Beamten überdimensioniert. Wie viele Polizisten im Einsatz waren, wollte Gollwitzer aus taktischen Gründen nicht sagen. „Es waren aber nicht nur Beamte der Holzkirchner Polizeiinspektion, wir hatten auch Unterstützung von der Bereitschaftspolizei.“ Gut eine Stunde vor Beginn der Versammlung sperrten sie unter anderem die Hafnergasse. Mehrere Mannschaftswagen waren im Umfeld platziert. Dass wie in Warngau, wo die örtliche Feuerwehr für die Straßensperrung zuständig war, Traktoren bis vor den Veranstaltungsort fuhren, sollte wohl verhindert werden. Ein einzelner Schlepper stand zeitweise im Bereich der Bushaltestelle.

Besonnenes Publikum im Oberbräu-Saal

Unaufgeregt war die Stimmung auch im Saal. Die Bürger verfolgten interessiert Schmids Rechenschaftsbericht und stimmten über die insgesamt acht Anträge ab (Bericht folgt). Einer davon schlug eine Versammlung zur geplanten Asylunterkunft, wie sie in Warngau stattgefunden hatte, vor. Das lehnten die Holzkirchner jedoch mehrheitlich ab – was die Gegner der Unterkunft draußen vor dem Oberbräu ernüchtert zur Kenntnis nahmen.

Nicht das einzige Mal, dass an diesem Abend deutlich wurde, dass vor allem besonnene Bürger im Saal saßen: Als Gemeindesprecherin Annika Walther die insgesamt 33 Anfragen – allein 25 zum Thema Asyl und Flüchtlinge – vortrug, sah man immer wieder Kopfschütteln und hörte missbilligendes Raunen. Laute Buhrufe, die Schmids Einschreiten erforderlich gemacht hätten, gab es aber nicht. Gleich zu Beginn hatte der Bürgermeister einen geregelten Ablauf angemahnt: „Ich werde Störungen nicht dulden“, stellte er klar.

Die Anfragen hatte die Verwaltung vorab in drei Segmente – Sicherheit, Gebäude der Asylunterkunft und Allgemeines – gegliedert. Anfragen zum Thema Sicherheit beantwortete Schmid, indem er die vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd ausgearbeiteten Antworten vorlas. Anfragen zum Gebäude der Asylunterkunft ließ er vorab vom Landratsamt beantworten, zum Segment Allgemeines nahmen Verwaltung und Bürgermeister selbst Stellung.

Anfragen zum Thema Sicherheit

In etlichen Anfragen schien sich die nackte Angst vor Fremden widerzuspiegeln. Etwa: „Was ist geplant bezüglich der Sicherheit von Mädchen und Frauen, da vor allem Männer aus Kulturkreisen dort untergebracht sind, in denen Frauen nichts wert sind.“ Oder: „Um wie viele Sicherheitskräfte – für die deutsche Bevölkerung, nicht für die Unterkunft – wird die jetzt schon personell unterbesetzte Polizei aufgestockt?“ Schmid las dazu folgende Antwort der Polizei vor: „Den 2500 Polizisten in mehr als 50 Dienststellen des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd ist bewusst, dass das empfundene Sicherheitsgefühl beeinträchtigt sein kann.“ Die allermeisten Flüchtlinge würden polizeilich nicht in Erscheinung treten. Aber es gebe auch Delikte, die aus unterschiedlichen Motiven begangen würden, etwa, um sich zu bereichen, aus Frustration oder aufgrund einer extremistischen Einstellung. „Wir sehen es als unsere Aufgabe an, zu vermitteln, dass die Sicherheit gewährleistet ist.“ Ziel sei, den ausgewiesen hohen Sicherheitsstandard zu erhalten.

Schmid nahm auch Anfragen ernst, die wohl polemisch gemeint waren. Etwa: „Werden bald kostenlose Selbstverteidigungskurse für Mädchen und Frauen angeboten?“ Darauf Schmid nüchtern: „Nein, das ist nicht der Fall.“ Die Gegner draußen quittierten das mit Gelächter, im Saal brandete Applaus auf.

Überschaubar: Statt mehreren Hundert versammelten sich nur etwa 150 Besucher, vor allem Gegner der Asylunterkunft in Warngau, vor dem Festsaal im Kultur im Oberbräu.
Überschaubar: Statt mehreren Hundert versammelten sich nur etwa 150 Besucher, vor allem Gegner der Asylunterkunft in Warngau, vor dem Festsaal im Kultur im Oberbräu. © STEFAN SCHWEIHOFER

Anfragen zum Gebäude

Viele Fragesteller wollten sich vergewissern, dass die Unterkunft in Warngau tatsächlich nur zwei Jahre bleibt. Schmid legte dar, dass der Gemeinderat dem Landratsamt vermittelt habe, dass seine Zustimmung maßgeblich von der Befristung abhänge. „Dieser Punkt hat für mich mit Glaubwürdigkeit zu tun“, so Schmid. „Ich persönlich kann aber nie etwas garantieren, wofür es die mehrheitliche Zustimmung der Gemeinderäte braucht.“ Für diese kleine Nachhilfe in demokratischen Entscheidungsfindungsprozessen applaudierte ihm das Publikum.

Eine Anfrage wollte mehr über den Arbeitgeber des in der Unterkunft tätigen Personals wissen. Schmid erklärte, dass ein auf große Unterkünfte ab 350 Personen spezialisierter Generalunternehmer übernehme. Dieser baue die Unterkunft und stelle Security sowie Sozialarbeiter. Auch die ärztliche Versorgung der Flüchtlinge war Thema. Laut Schmid prüft der Landkreis eine Hallensprechstunde, die es auch jetzt schon gebe.

Anfragen aus der Sparte „Allgemeines“

Einige Anfragesteller trieb die Sorge um, Flüchtlinge könnten ihren Kindern die ohnehin schon knappen Betreuungsplätze wegnehmen. Schmid legte dar, dass die Gemeinde Kinder aus Warngau nur dann aufnehmen werde, wenn die Holzkirchner Kinder versorgt seien. Im Moarhölzl sei keine Kita geplant, nur ein Raum, in dem die Flüchtlinge ihre Kinder selbst betreuen könnten. Flüchtlinge aus dem Moarhölzl, die einer Arbeit nachgehen, sollen für ihre Kinder aber einen Betreuungsplatz bekommen können.

Auf die Frage: „Wie bereiten sich die Schulen auf das Plus an Kindern vor, ohne dass unsere Kinder zu kurz kommen?“ verlas Schmid die Antwort des Staatlichen Schulamts. Dieses betrachtet die Zahl von derzeit 40 in den Turnhallen untergebrachten Kindern – zwölf im Alter von null bis fünf Jahren, 25 im Alter von sechs bis 15 Jahren und drei Kinder im Alter von 16 bis 17 Jahren – als bewältigbar, trotz Lehrermangel.

Auf die Frage: „Warum stellen Sie sich nicht schützend vor uns? Sind Ihnen die Menschen, die schon länger hier leben, nichts wert?“sagte Schmid: „Für uns sind alle Menschen gleich, egal, wie lange sie hier leben.“

Übrigens: Alles aus der Region gibt‘s auch in unserem regelmäßigen Holzkirchen-Newsletter.

Auch interessant

Kommentare