Nach russischem Abzug aus Syrien: Libyens Regierungschef warnt vor neuem „Schlachtfeld“

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Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien zog der Kreml seine Luftabwehr aus dem Land ab. Nun offenbar baut Putin seine Präsenz im politisch instabilen Libyen aus. Staatschef Dbeiba mahnt.

Moskau/Damaskus/Tripolis– 24 Jahre lang war Syrien von Machthaber Baschar al-Assad regiert worden, bis sich am 8. Dezember Historisches ereignete: Rebellen stürzten das zuvor unantastbare Assad-Regime, indem sie die Hauptstadt Damaskus für sich beanspruchten. Syriens Machthaber floh nach Russland, was das Ende seiner Herrschaft besiegelte. Syrerinnen und Syrer blicken einer neuen Ära entgegen, doch in Zeiten des Umschwungs und der Machtübernahme der HTS-Rebellen um Abu Mohammed al-Dscholani will vieles neu geordnet werden.

Nach dem Sturz seines langjährigen Verbündeten Assad reagierte Wladimir Putin mit dem Abzug der russischen Flugabwehr aus Syrien. Der Kreml entschied, sie nach Libyen zu verlegen, wie Angaben aus russischen Militärkreisen nahelegten. Insbesondere westliche Militärs beobachten seitdem genau, in welchem Maße Russland seine Präsenz in Libyen verstärkt. Unterdessen meldete sich Libyens Regierungschef mit einer Einschätzung der Situation zu Wort.

Libyens Staatschef warnt vor zunehmender Präsenz Russlands im kriegsgeschüttelten Land

Dass mehrere internationale Medien übereinstimmend von der Verlegung russischer Waffen ins rund 2100 Kilometer Luftlinie von Syrien entfernte Libyen berichteten, veranlasste den libyschen Staatschef Abdulhamid Dbeiba nun dazu, eine Warnung auszusprechen. „Wir haben Bedenken, dass internationale Konflikte nach Libyen verlagert werden und das Land zu einem Schlachtfeld wird“, sagte Dbeiba am Donnerstag vor Journalisten, wird er von der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zitiert.

Seit dem Sturz von Libyens langjährigem Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 ist das nordafrikanische Land gespalten. Staatschef Dbeiba sorgt sich nach dem Ende des Assad-Regimes in Syrien um zunehmenden Einfluss Russlands in Libyen.
Libyens Regierungschef Abdul Hamid Dbeiba © IMAGO / photothek

In den vergangenen Tagen mehrten sich Berichte internationaler Medien, wonach russische Streitkräfte Militärausrüstung vom eigenen Marinestützpunkt im syrischen Tartus und dem russischen Luftwaffenstützpunkt Hmeimim in den Osten Libyens verlegen. Gegenstand war die Nachricht etwa in Beiträgen der Deutschen Welle und der New York Times. So nannte die New York Times ausgehend von Angaben eines Militärbeamten auf dem Luftwaffenstützpunkt al-Khadim im Osten Libyens, „ein halbes Dutzend russischer Flugzeuge“ seien hier seit dem 8. Dezember eingetroffen, um Militärausrüstung abzuliefern.

Der New York Times zufolge zeigten auch öffentlich zugängliche Flugaufzeichnungen zuletzt einen erhöhten Flugverkehr zwischen Flughäfen in Russland und Belarus sowie dem Osten Libyens. Die Fracht selbst lasse sich jedoch nicht unabhängig verifizieren, räumte das US-Medium ein.

Expertinnen und Experten warnen vor Putins Bemühungen im politisch instabilen Libyen

Am Mittwoch erklärte bereits Italiens Verteidigungsminister Guido Crosetto, dass „Moskau Ressourcen von seiner syrischen Basis in Tartus nach Libyen transferiert“, wie er von der italienischen Tageszeitung La Repubblica zitiert wurde. Crosetto selbst halte dies für „keine gute Sache“, wie er hinzufügte. Die Verlegung russischen Kriegsgeräts von Syrien nach Libyen im Anschluss ans Ende des Assad-Regimes hält Italiens Verteidigungsminister für mehr als nur bedenklich. Crosetto zufolge sei das ein „Grund zur Besorgnis“ – „vor allem“, wie er hinzufügte, „wenn sie nur ein paar Schritte von uns entfernt sind.“

Seitdem Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 gestürzt worden war, herrscht über weite Strecken Chaos und Gewalt im nordafrikanischen Land. Seitdem bekämpfen sich bewaffnete Milizen und ausländische Söldner hier gegenseitig und ringen um die Vorherrschaft im Land, das grundsätzlich über reiche Erdöl-Vorkommen verfügt.

Generell ist das Land seit dem Sturz Gaddafis politisch stark in einen östlichen und westlichen Teil gespalten. In der Hauptstadt Tripolis ist die von der UNO anerkannte libysche Übergangsregierung ansässig, die gegen eine Gegenregierung in der Metropole Bengasi im Osten Libyens kämpft. Unterstützt wird die östliche libysche Gegenregierung dabei vom Kreml. Bereits im Frühjahr berichtete die ARD-Tagesschau davon, dass Russland plant, seinen Einfluss im politisch instabilen Land auszubauen.

Mit einer Verlagerung seines militärischen Fokus von Syrien nach Libyen könnte Putin auf dortige Erdölvorkommen abzielen

Mit seinem Einfluss und der Unterstützung der östlichen Gegenregierung in Libyen könnte Putin etwa das Ziel verfolgen, besseren Zugang zu den reichen libyschen Gold- und Erdölvorkommen zu erhalten. Ausgehend von Angaben des Auswärtigen Amtes berichtete die Tagesschau im April (4. April 2024), allein der Erdöl-Schmuggel aus Libyen vollziehe sich in einer Dimension von rund 12,8 Milliarden US-Dollar jährlich.

Libyens Regierungschef Dbeiba sieht mit einer potenziell verstärkten Präsenz Russlands im seit Jahren politisch instabilen Libyen ein neues Problempotenzial auf das nordafrikanische Land zukommen. „Niemand, der auch nur einen wenig Patriotismus besitzt, möchte, dass eine ausländische Macht ankommt und ihre Hegemonie und Autorität über das Land und die Menschen ausübt“, sagte Dbeiba. „Dass Kräfte mit Gewalt und gegen den Willen des libyschen Volkes eindringen, lehnen wir strikt ab“, wird Libyens Regierungschef von der dpa weiter zitiert. (fh)

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