Minus wird immer tiefer: Gesetzliche Krankenkassen verbuchen erneut dramatisches Defizit
Krankenversicherte müssen sich auf steigende Zusatzbeiträge im kommenden Jahr einstellen. Jetzt rutschen die Kassen in ein noch tieferes Defizit - Verbraucher kommen aus der Belastungsspirale nicht raus.
Berlin – Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) rutschen zunehmend ins Loch und lassen einen weiteren Beitragsanstieg damit nur erahnen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf das Bundesgesundheitsministerium am 10. Dezember mitteilt, verzeichneten 95 GKV bis Ende des dritten Quartals ein Minus von 3,7 Milliarden Euro. Einnahmen von 239,2 Milliarden Euro standen Ausgaben von 242,9 Milliarden Euro gegenüber. Demnach fielen die Finanzreserven auf 4,7 Milliarden Euro – sie liegend damit knapp unter der gesetzlich vorgesehenen Mindestreserve von 0,2 Monatsausgaben.
Lauterbach: Kosten der Krankenkassen steigen durch Inflation, Personal und medizinische Leistungen
Das Minus im selben Zeitraum des vergangenen Jahres betrug eine Milliarde Euro, bis Juni dieses Jahres waren es 2,2 Milliarden. „Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen ist insbesondere Ergebnis eines inflationsbedingt hohen Anstiegs der Ausgaben für Personal und medizinische Leistungen“, erklärt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu den roten Zahlen.
So ist das Defizit der ersten drei Quartale laut Ministerium auf den Zuwachs für Leistungsausgaben und Verwaltungskosten zurückzuführen. Besonders die Aufwendungen für Krankenhausbehandlungen entpuppten sich als Treiber auf der Kostenseite. Zudem erlebten die Pflegepersonalkosten und die Ausgaben für stationäre psychiatrische Behandlungen einen Anstieg. Lauterbach möchte mit fundamentalen Strukturreformen entgegenwirken: „Digitalisierung, Krankenhausreform und Maßnahmen zur Herzgesundheit werden die Kosten stabilisieren“, heißt es in der Ankündigung.
Wie der SPD-Politiker weiter mitteilt, sei die langjährige Versäumung der Modernisierung des Gesundheitswesens ein wesentlicher Teil für die Kostenexplosion: „Das macht sich zum Beispiel in sehr hohen Ausgabenzuwächsen im Krankenhausbereich bemerkbar, der für ein Drittel der Gesamtausgaben verantwortlich ist.“ Auch die mangelhafte Prävention sei mitverantwortlich. „Während in Skandinavien und dem Vereinigten Königreich (UK) die schweren Herzerkrankungen in zehn Jahren deutlich gesenkt werden konnten, hinken wir hinterher“, sagte Lauterbach.

Zusatzbeiträge der Krankenkassen steigen weiter: Belastungsgrenze für Versicherte erreicht
Bereits zum Jahresbeginn stieg der durchschnittliche Zusatzbeitrag um mehr als einen Prozentpunkt auf 1,83 Prozent im November. Weil der allgemeine Beitragssatz von 14,6 Prozent des Bruttolohns nicht ausreicht, muss ein zusätzlicher Wert berechnet werden. Für 2025 dient der durchschnittliche Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent als Orientierung für die Kassen – 0,8 Prozentpunkte höher als 2024. Die Krankenkassen bestimmen jedoch die Höhe des Zusatzbeitrages für das kommende Jahr selbst. Mitglieder haben bei Erhöhungen der Zusatzbeträge ein Sonderkündigungsrecht.
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„Die Belastungsgrenze von Versicherten und Arbeitgebern ist mehr als erreicht. Wir brauchen dringend einen Kurswechsel hin zu einer einnahmeorientierten Ausgabenpolitik“, fordert Dr. Ralf Langejürgen, Vorstand des BKK Landesverbandes Bayern. Das Defizit im Dritten Quartal werde Versicherte im Durchschnitt mit 49 Euro zusätzlich belasten. „Die Reserven in der GKV tendieren gegen Null. Im Durchschnitt pendeln alle Krankenkassen um die Mindestreserve von gerade einmal 20 Prozent einer Monatsausgabe“.
Krankenhausreformgesetz sei verfassungswidrig: „Bund drückt sich vor seiner Finanzierungsverantwortung“
Der BKK-Chef geht dabei mit Lauterbachs Krankenhausreformgesetz scharf in die Kritik, das im Oktober im Bundestag verabschiedet wurde und am 1. Januar in Kraft treten soll. Dadurch soll die Entökonomisierung der Kliniken erreicht werden, indem beispielsweise die Fallpauschale auf 40 Prozent gesenkt und die Spezialisierung der Kliniken ausgebaut wird. Finanziert werden soll das ganze bis 2029 mit einem Transformationsfonds von 50 Milliarden Euro. Dieser soll zur Hälfte aus Beitragsgeldern der Versicherten finanziert werden.
„Bei den 25 Milliarden Euro für den sogenannten Transformationsfonds drückt sich der Bund erneut vor seiner Finanzierungsverantwortung“, moniert Langejürgen weiter. „Die Praxis der letzten Jahre, Gesundheitsgesetze zu verabschieden, in denen die Kostenverantwortung einfach systemwidrig auf die Solidargemeinschaft der Versicherten abgewälzt wird, muss dringend beendet werden“. Der Transformationsfonds ist laut GKV-Spitzenverband verfassungswidrig.