Beim Zolldeal hat von der Leyen Trump gleich dreimal ausgetrickst
- Im Video oben: Trump verkündet Durchbruch: Neues Handelsabkommen mit der EU
Als Donald Trump und Ursula von der Leyen (CDU) den Handelsdeal zwischen der EU und der USA verkünden, verrät ein Detail: Der Deal gleicht keiner Demütigung der EU, wie es viele Beobachter bewerteten. Im Gegenteil. Der US-Präsident verkündet im Sessel neben der EU-Kommissionspräsidentin Zahlen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen:
- "Die EU kauft von den USA 750 Milliarden Dollar Energie", liest Trump vor. "750 Milliarden Dollar Energie!"
- "Sie investieren 600 Milliarden Dollar zusätzlich zu dem, was sie bereits investieren. Sie investieren einen großen Betrag an Geld. Sie wissen, wie groß dieser Betrag ist. Er ist sehr erheblich. Jetzt investieren sie 600 Milliarden zusätzlich."
Trump betont gerne große Zahlen wie diese. Aber von der Leyen hat die Zahlen verstanden. Darin liegt ihr Vorteil.
Von der Leyen hat Trump mit ihren Zusagen ausgetrickst
Trump rühmte sich schon im Rahmen der Zolldeals mit Saudi-Arabien, Taiwan und Japan hoher Milliardensummen. Schon damals zweifelten Experten an deren Belastbarkeit. Nun hat die EU den Vereinigten Staaten viele leere Versprechen gegeben. „Die EU als öffentliche Behörde kann dies nicht garantieren", zitiert das US-Portal Politico einen hochrangigen EU-Beamten:
- Um die Einfuhrziele für Energie – also etwa Gas, Öl und Uran – zu erreichen, müsste die EU ihre Energieimporte aus den US mehr als verdreifachen.
- Dazu bräuchte sie die entsprechende Infrastruktur: Schiffe, LNG-Terminals, Leitungen und so weiter. Diese kann sie in dieser kurzen Zeit kaum neu bauen.
- Ausführen müssten diese Importe Privatfirmen. Die EU kann diese aber nicht dazu zwingen. Dass Firmen beispielsweise Gas freiwillig in den USA einkaufen, wenn sie es anderswo günstiger und mit weniger Transportkosten bekommen, scheint unwahrscheinlich.
- Die EU kann also kaum beeinflussen, ob sie ihre Zusagen einhält.
Nun gibt es zwei Erklärungsansätze, warum von der Leyen Trump dennoch diese Zusagen erteilte:
- Entweder wusste von der Leyen nicht, was sie da versprach.
- Oder sie hat Trump ausgetrickst.
Vieles spricht für die zweite Option.
In der Öffentlichkeit fand zuletzt vor allem die erste Lesart Beachtung. Trump habe die EU gedemütigt, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Vieles spricht aber dafür, dass die zweite Lesart stimmt:
- Im Zollabkommen war nichts zu hören von Trumps einstiger Forderung, die EU schließe weitere Regeln für Tech-Konzerne wie Google und Facebook aus. Diesen wichtigen Trumpf erhielt sich von der Leyen.
- Dafür sicherte sie Trump weitgehend inhaltsleere Versprechen zu. In drei Jahren, wenn die Leistungen erfüllt sein sollen, endet Trumps Amtszeit. Er kann sich jetzt also der Milliardensummen rühmen. Langfristig bedeuten diese zwar nichts. Aber das kümmert ihn wohl wenig. Aus EU-Sicht ein guter Tausch.
Von der Leyen hat Trump auch bei den Zöllen ausgetrickst
Abseits fragwürdiger Milliardensummen, hat von der Leyen auch bei Zöllen für EU-Bürger die bessere Lösung ausgehandelt:
- Wer Trump als Sieger des Abkommens lobt, argumentiert etwa so: Die Vereinigten Staaten verlangen künftig 15 Prozent Zölle auf die meisten EU Waren, die EU im Gegenzug null Prozent. Das sei ein Sieg der Vereinigten Staaten.
- Aus Verbraucher-Sicht ist diese Aussage zumindest fragwürdig: US-Verbraucher zahlen künftig deutlich mehr für EU-Waren. Im Jahr 2025 kostet das Abkommen US-Haushalte im Schnitt 2400 Euro, hat die Yale Universität errechnet.
- Das Geld fließt an den Staat. Es gleicht einer zusätzlichen Steuer. Ist es ein Sieg, wenn jeder Haushalt 2400 Euro mehr Steuern zahlt? Zumal Trump gleichzeitig den reichsten Amerikanern massiv Steuern erlässt?
- Für Europäer vergünstigen sich US-Waren oder bleiben gleich teuer. Aus Verbrauchersicht ein Traum.
Die Zölle sind keine Niederlage der EU. Trump verfolgte beim Abkommen seine eigenen Interessen: Milliardensummen, Inszenierung. Die EU hat ihm das geliefert. Dabei vertrat sie die Interessen ihrer Bürger. Das ist ein Sieg.
Natürlich gab von der Leyen Trump dabei das Gefühl des großen Erfolgs. Das gehört zum Job eines Politikers. Lächeln, während einen der andere demütigen will. Abgerechnet wird danach aber nicht. Und wir sollten uns davon nicht blenden lassen.

"Er donnert, er poltert, er droht. Er setzt Fristen, ändert sie wieder und alles ist sehr dramatisch. Und dann zaubert er einen Deal über 15 Prozent aus dem Hut. (...) Am Ende werden die Zölle an die Verbraucher weitergegeben. Und das bedeutet weniger Konsum, weniger Wachstum, weniger Jobs, weniger Gewinn." Roger Altman (Demokraten), US-Senator und ehemaliger Finanzminister
Von der Leyen hat Trump auch wirtschaftspolitisch ausgetrickst
Diesen Sieg errang von der Leyen, indem sie langfristiger dachte als Trump. Zurecht. Vieles spricht dafür, dass die Wirtschaft Deutschlands und Europas das Abkommen verkraftet:
- Der Schaden für Deutschland beträgt laut Expertenschätzungen unter einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
- Ein Simulator des Observatory of Economic Complexity (OEC) nimmt an, dass die deutsche Wirtschaft bei Zöllen von 30 statt 15 Prozent rund fünfmal so stark gelitten hätte. Ein Näherungswert zwar, aber ein Anzeichen, dass von der Leyen tatsächlich das Schlimmste vermied.
- Handelsabkommen mit Ländern in Südamerika, Asien und Afrika könnten ihn ausgleichen, schätzt die Forschungsabteilung der Deutschen Bank. Die dringend nötige Reform des EU-Binnenmarktes ebenso.
- Deutschland und andere EU-Länder spüren die Folgen der Zölle zwar. Aber sie können sich neu ausrichten.
Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten könnte sich trotz Nullzöllen Richtung EU schwerer tun:
- Trump streitet mit fast allen Ländern über Handelsabkommen. Unter anderem mit China steht eine Einigung noch aus. Die US-Wirtschaft kann sich daher schwerer umorientieren als die europäische.
- Eher feindlich gesinnte Länder wie China kann Trump schwerer unter Druck setzen als die militärisch abhängige EU. Gleichzeitig brauchen die Vereinigten Staaten die seltenen Erden Chinas zur Herstellung von Batterien. Eine schlechtere Ausgangslage.
- Ergeben sich daraus Zölle auf das wichtige Zuliefererland China, treiben diese die US-Inflation weiter. Zusätzlich zur Inflation, die alle anderen Zölle bereits auslösen. Das bremst den Konsum der Verbraucher, worunter wiederum die Wirtschaft leidet.
- Der US-Wirtschaft drohen also eher weitere Belastungen.
In der Summe hält die EU langfristig bessere Karten als die USA. Trotz dieses Vorteils für ein wenig niedrigere Zölle Probleme bei Nato oder anderen Feldern zu riskieren, wäre ein schlechter Tausch.

Von der Leyen verstand besser als Trump, worum es geht
Weil die EU langfristig im Vorteil ist, tat von der Leyen gut daran, kurzfristig im Abkommen mit den USA vor allem den Schaden zu begrenzen. Die EU gewinnt diesen Handelskrieg kaum in diesem Monat oder diesem Jahr. Sie gewinnt ihn wohl über Jahrzehnte. Der jetzige Deal spielt dabei kaum eine Rolle. Dafür handelt Trump zu wankelmütig.
Das Fehlen logischer Folgerichtigkeit begleitet Trumps zweite Amtszeit. Von der seltsamen Berechnung seiner Zölle, bis zur Zollerhöhung gegen Brasilien: ständige Ankündigungen, ständige Strategiewechsel. Vieles zielt auf kurzfristige Effekthascherei.
Trumps kurzfristige Gewinndenken schadet den Vereinigten Staaten langfristig. Die Inflation steigt. Deutsche Firmen investieren kaum noch in den USA. Aktienexperten fürchten eine Börsenkrise, Finanzexperten die Zahlungsunfähigkeit des Landes.
Die EU und von der Leyen taten gut daran, darauf nicht einzusteigen. Sie speisten Trump mit leeren Versprechen ab und begrenzten den Schaden. Immerhin scheint vorerst die Gefahr gebannt, die USA könnten die NATO-Beistandspflicht aufweichen, die angegriffenen Mitgliedern die Hilfe der anderen Partner zusichert. Das allein ist viel wert.
Der Rest dieses Treffens verschwindet bald in der Bedeutungslosigkeit:
- Schon in der Nacht zu Mittwoch veröffentlichte das Weiße Haus eine Meldung zum Abkommen, die den Darstellungen der EU in vielen Punkten widersprach.
- Alles spricht dafür, dass Trump bei seiner Suche nach neuer Selbstinszenierung Deutschland und Europa immer neue Runden des Zollstreits aufbürdet.
- Verhindern können von der Leyen und die EU das nicht. Sie können nur immer wieder das beste daraus machen.
- Selbst mehr Aufrüstung und Wirtschaftskraft können diese Aufgabe erleichtern, aber nicht überflüssig machen: Trump belegte China zwischenzeitlich mit Zöllen von 145 Prozent. Und China ist den USA militärisch und wirtschaftlich fast ebenbürdig.
- Nichts deutet daher darauf hin, dass militärische oder wirtschaftliche Weltmacht den Handelskrieg für die EU verhindert hätten.
EU-Politiker werden noch oft lächeln müssen, während Trump sie demütigen will. Solange dabei ähnliche Abkommen entstehen wie derzeit, ist Europa dennoch auf einem guten Weg.