Brisanter Bericht: US-Militär würde Europa bei Putin-Angriff wohl alleine lassen

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Europa kann sich offenbar bei einem möglichen Angriff Russlands nicht auf die Hilfe der USA verlassen. Washington will sich vor allem um ein anderes Land kümmern.

Washington – Für Donald Trump zählt nur ein Land. Sein Land. „America first“ lautet das oft zitierte Motto des US-Präsidenten. Auch hinsichtlich der Außenpolitik sind die Prioritäten aber offenbar klar verteilt. Und da muss sich Europa weit hinten anstellen. Auf jeden Fall deutlich hinter Taiwan, das sich seit Jahren chinesischen Aggressionen ausgesetzt sieht.

Diese klare Rangfolge soll aus einem geheimen internen Memo hervorgehen, aus dem die Washington Post zitiert. Das neun Seiten starke Dokument wurde demnach Mitte März im Pentagon verteilt und von Verteidigungsminister Pete Hegseth unterzeichnet. Wichtigste Themen sind die Verhinderung einer Besetzung Taiwans durch China sowie die Stärkung der Verteidigung der USA.

USA als Schutzmacht: Druck auf Europa wegen Verteidigungsausgaben soll erhöht werden

Laut dem Artikel erinnert das Schreiben stark an einen Bericht des konservativen Thinktanks Heritage Foundation mit dem Namen „Project 2025“ aus dem vergangenen Jahr. In einigen Punkten sei dieser wortwörtlich übernommen worden.

Europa hat für ihn absolut keine Priorität: US-Verteidigungsminister Pete Hegseth (l.) verspricht den Nato-Verbündeten im Falle eines russischen Angriffs keine umfassende Unterstützung. © IMAGO / ZUMA Press Wire, IMAGO / SNA

Unter anderem heißt es in Hegseths Schreiben, sein Haus werde angesichts personeller und finanzieller Engpässe „auf anderen Kriegsschauplätzen Risiken eingehen“. Der Druck auf die Verbündeten in Europa, dem Nahen Osten und Ostasien werde erhöht, die Ausgaben für die Verteidigung anzuheben, um möglichst eigenständig auf die Bedrohungen aus Russland, Nordkorea und dem Iran reagieren zu können.

Für Europa gelten die USA seit Jahrzehnten als wichtigster Partner und Schutzmacht. Zuletzt waren bereits Diskussionen aufgekommen, ob Washington unter Trump den Nuklear-Schutzschirm über dem Kontinent einklappen könnte. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte als Staatschef der einzigen Atommacht innerhalb der EU bereits angeregt, mit den Pariser Nuklearwaffen vorsorglich auch Partnerländer wie Deutschland zu schützen.

Trump und Taiwan: Hegseth sieht Invasion durch China als größte Gefahr

Die Post erinnert daran, dass die US-Verteidigungsstrategie unter Präsident Joe Biden den Schwerpunkt auf Allianzen zur Abwehr der russischen Aggression legte und Bündnisse wie die Nato „als unseren größten globalen strategischen Vorteil“ beschrieb. Dagegen fordern die Trump-USA nun von den transatlantischen Partnern, einen „weitaus größeren“ Teil der Lasten zu tragen, da Washington zögere, Streitkräfte bereitzustellen, wenn die Prioritäten anderswo lägen.

Pete Hegseth (l.) schüttelt die Hand von Shigeru Ishiba
Japan-Besuch: Pentagon-Chef Pete Hegseth (l.) versichert Tokios Ministerpräsident Shigeru Ishiba, ein Auge auf die Lage im Indo-Pazifik haben zu wollen. © Stanislav Kogiku/Pool SOPA Images/AP/dpa

Anderswo meint in diesem Fall den Indo-Pazifik, wo Chinas Einfluss eben begrenzt werden soll. Denn die Trump-Administration sieht Peking als größte Gefahr für die USA – ebenso wie es auch schon die erste Regierung unter dem Republikaner und jene unter Biden taten. Hegseth aber geht offenbar noch einen Schritt weiter. Er soll eine mögliche Invasion Taiwans als das Szenario ansehen, dem Vorrang gegenüber allen anderen Gefahren eingeräumt werden muss.

Also: Schickt Chinas Präsident Xi Jinping tatsächlich Truppen auf den Inselstaat, lassen die USA Europa einfach Europa und die Nato schlicht die Nato sein. Trump hatte bereits im Wahlkampf getönt, unter ihm brauche der alte Verbündete keine Unterstützung gegen Kreml-Chef Wladimir Putin zu erwarten. Vielmehr würde er die Russen „sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“.

Europa und Putin: USA sagen nur nukleare Abschreckung gegen Russland zu

Aus dem neuen Dokument soll hervorgehen, dass im Falle eines russischen Angriffs wahrscheinlich allenfalls mit bedingter Unterstützung vom großen Bruder aus Übersee zu rechnen ist. Zwar würden die USA Europa nukleare Abschreckung zur Verfügung stellen. Einige US-Sprengköpfe lagern in EU-Ländern, darunter auch in Deutschland. Allerdings solle die Nato nur auf US-Streitkräfte zurückgreifen, die weder für die Verteidigung des Heimatlandes noch für die Abschreckung Chinas benötigt würden.

Hegseth verspricht sich davon augenscheinlich mehr Eigenverantwortung der Europäer. Würden Berlin und Co. einen erheblich größeren Teil ihrer Verteidigung selbst tragen, sei auch sichergestellt, „dass die Nato eine russische Aggression zuverlässig abschrecken oder besiegen kann, selbst wenn die Abschreckung versagt und die Vereinigten Staaten bereits in einen primären Konflikt in einer anderen Region verwickelt sind oder Truppen für eine dortige Abschreckung zurückhalten müssen“.

USA wollen Taiwan schützen: Hegseth kündigt „glaubwürdige Abschreckung“ an

Passend dazu befindet sich Hegseth gerade in dieser „anderen Region“, wo es zuletzt nicht nach Plan lief. Bei einem Besuch in Japan betonte Trumps wegen dem Chat-Skandal um den US-Angriff auf die Huthi-Rebellen in die Kritik geratener Pentagon-Chef, die USA würden an einer „robusten“ und „glaubwürdigen Abschreckung im Indo-Pazifik einschließlich der Taiwan-Straße“ festhalten. Peking warf er ein „aggressives“ Verhalten vor.

Den auf Guam stationierten US-Soldaten erklärte Hegseth, sie seien die „Sperrspitze“ von Washingtons Militäroperationen. Die neuen Richtlinien seines Hauses sollen dem Post-Artikel zufolge eine verstärkte Truppenpräsenz durch U-Boote, Bomber, unbemannte Schiffe sowie Spezialeinheiten des Heeres und des Marine Corps für eine „Verteidigungsoffensive“ Taiwans vorsehen. Ein zweiter Überfall einer Großmacht wie im Fall des Ukraine-Kriegs soll also mit aller Macht vermieden werden.

Donald Trump (M.) steht am Rednerpult und zeigt nach vorne
Da geht‘s lang: US-Präsident Donald Trump (M.) will den außenpolitischen Fokus weg von Europa und hin zu Taiwan lenken. © Uncredited/Pool/AP/dpa

Trump gegen Selenskyj: Eklat im Weißen Haus beeindruckt offenbar auch Taiwan

Allerdings soll auch Taipeh dazu gedrängt werden, seine Verteidigungsausgaben „deutlich zu erhöhen“. Trump schweben als Maßstab sogar zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militärausgaben vor, heißt es. Das wäre noch einmal deutlich mehr als die Forderungen an die Nato-Partner, von denen er fünf Prozent des BIP verlangt. Taiwans Präsident Lai Ching-te soll allerdings lediglich eine Anhebung auf mehr als drei Prozent zugesagt haben.

Laut zwei Personen, die mit den offiziellen Gesprächen Taiwans vertraut sind, ist sich die Regierung jedoch keineswegs sicher, wie sehr Trump und seinem Kabinett über den Weg zu trauen ist. Die Zweifel seien infolge des Eklats im Weißen Haus im Februar gewachsen. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der um weitere Unterstützung im Abwehrkampf gegen Russland gebeten hatte, führten Trump und sein Vize-Präsident J.D. Vance den Verbündeten vor laufenden Kameras vor.

Die Schimpftirade im Oval Office hat also sogar in Ostasien Wirkung gezeigt. Auch wenn Trumps „America first“-Motto nun wohl um „Taiwan second“ erweitert werden kann, muss offensichtlich noch einiges an Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit der kleine Inselstaat seiner mutmaßlichen Schutzmacht auch wirklich vertraut. (mg)

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