Vormarsch ausgebremst: Putins Truppen ändern wohl Taktik – um großen Angriff vorzubereiten
Russland lenkt offenbar den Fokus von Awdijiwka auf Tschassiw Jar. Eine größere Offensive deutet sich an. Die US-Militärhilfen könnten die Ukraine retten.
Tschassiw Jar – Statt Awdijiwka scheint Russland es im Ukraine-Krieg zunehmend auf die Region Bachmut-Tschassiw Jar abzuzielen. Das Institute for the Study of War (ISW) vermutete dahinter einen Strategiewechsel, der territoriale Gewinne vor dem Wirken der US-Militärhilfen bringen soll. Eine Stadt der Ukraine liegt dabei besonders im Fokus: Tschassiw Jar.
Während in den Morgen- und Abendbriefings des ukrainischen Generalstabs die Angriffe auf Awdijiwka etwa gleich bleiben, erreichten die Region Bachmut am 30. April deutlich mehr Angriffe als zuvor. Der Generalstab gab an, an diesem Tag in beiden Regionen 33 Angriffe abgewehrt zu haben. Große Vorstöße auf russischer Seite soll es dabei in Awdijiwka nicht gegeben haben, so das ISW. Auch wenn ein Tag nicht reicht, um ein neues Ziel oder eine neue Strategie zu vermuten, lässt sich im Zusammenhang mit anderen Entwicklungen jedoch ein möglicher Trend entdecken.
Strategisches Ziel im Ukraine-Krieg: Tschassiw Jar im Visier Russlands
Schon um den 20. April konzentrierten sich die russischen Truppen vor allem auf Erfolge in Ocheretyne (nordwestelich von Awdijiwka) und Novalakynove (nördlich von Awdijiwka), aber am 30. April schienen die bestätigten Fortschritte ins Stocken geraten zu sein. Laut ISW könnten die russischen Truppen nördliche von Awdijiwka in Richtung Toretsk vorstoßen, um in der Nähe von Tschassiw Jar unterstützen zu können.
Die Stadt wäre laut ISW strategisch wichtig für Russland, da von dort aus Offensiven gegen Druschkiwka und Kostjantyniwka möglich seien. Deswegen ist sie bereits seit Monaten umkämpft, der Kyiv Independent nach mit 20.000 bis 25.000 russischen Soldaten und mit immer wieder hohen Verlusten. Das ISW hält für eine mögliche Unterstützungsstrategie eine taktische Pause für nötig. Tschassiw Jar liegt etwa 50 Kilometer nördlich von Awdijiwka.
Ukraine hofft auf Munition – Russland will Tschassiw Jar offenbar vor US-Hilfen erobern
Gleichzeitig schrieb das ISW am ersten Mai von einer mutmaßlichen Verlegung zweier Luftdivisionen von Oblast Saporischschja in Richtung Ostukraine, wobei es unter den Quellen des Instituts unterschiedliche Auffassungen zu den Zielgebieten und den zu verlegenden Einheiten gibt. Die Vermutungen konnten nicht unabhängig überprüft werden. Sollten die Berichte stimmen, könnten auch die Luftdivisionen in Tschassiw Jar zum Einsatz kommen.
Laut der Analyse könnte Russland in der Ostukraine das aktuelle Fenster der Verwundbarkeit nutzen, bevor die amerikanische Militärhilfe die Frontlinie erreicht. Vor allem die russische Offensivoperation im Gebiet Donezk sei ein mögliches Ziel – dort, wo auch die Stadt Tschassiw Jar liegt. Laut Analysen des Kieler Institute for the World Economy liegt etwa die Hälfte der Militärunterstützung aufseiten der USA, sodass auch die ukrainischen Chancen maßgeblich von den USA abhängig sind. Das neue US-Paket mit 61 Milliarden US-Dollar halte laut Angaben des Center for Strategic and International Studies (CSIS) etwa ein Jahr.
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Auch Oleh Schyrjajew, Kommandeur des ukrainischen 225. Separatangriffsbataillons, das bei Tschassiw Jar kämpft, hofft auf neue Munition. „Ich war Zeuge der Ereignisse vor einem Jahr, als Wagner auf dem Vormarsch war“, erklärte Schyrjajew laut Reuters. „Wir haben Streumunition erhalten, was die Situation erheblich verändert hat, und es ist uns gelungen, einen erfolgreichen Gegenangriff zu starten.“ Langstreckenwaffen und Training würden der Ukraine Schyrjajew zufolge ebenfalls helfen, die Ukraine effektiver zu verteidigen. (lismah)