Atomare Aufrüstung in Europa: Polen prescht vor – und fordert US-Sprengköpfen

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Polen sorgt sich vor einem möglichen Angriff durch Wladimir Putin. Präsident Duda will deswegen US-Atomwaffen an die Grenze zu Russland verlegen.

Warschau – Die Sicherheitsarchitektur in Europa verschiebt sich infolge des Ukraine-Kriegs und der zweiten Amtszeit von Donald Trump unaufhaltsam. Diverse Länder innerhalb der EU haben aus Sorge vor einem sich ausbreitenden Konflikt mit Russland die Aufrüstung ihrer militärischen Möglichkeiten angekündigt. Doch während ein Großteil der EU-Staaten unabhängiger von Washington werden will, sucht Polen Schutz bei Trump. Als Abschreckung gegen Wladimir Putin will das Land an der Nato-Ostflanke jetzt auch US-Atomwaffen an der Grenze zu Russland stationieren.

Aufrüstung in Polen: Präsident Duda fordert Stationierung von US-Atomwaffen

Mit einem entsprechenden Vorstoß hatte sich jetzt der polnische Staatspräsident Andrzej Duda nach vorne gewagt. Im Gespräch mit der Financial Times sagte Duda, es sei „offensichtlich“, dass Präsident Trump die in Westeuropa stationierten Atomwaffen nach Polen verlegen könnte. Den Vorschlag habe er bereits mit Keith Kellogg, Trumps Sonderberater für die Ukraine, diskutiert, sagte Duda weiter.

„Die Grenzen der Nato wurden 1999 nach Osten verschoben, sodass 26 Jahre später auch eine Verlagerung der Nato-Infrastruktur nach Osten erfolgen sollte“, gab Polen Staatspräsident im FT-Interview zu bedenken. Polen hatte sich 1999 gemeinsam mit Tschechien und Ungarn der westlichen Militärallianz angeschlossen. Die Nato-Erweiterung war die erste seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und die erste, bei der sich ehemalige Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts dem westlichen Bündnis angeschlossen hatten.

Polen fordert US-Atomwaffen zur Abschreckung gegen Putin – Kreml kündigt Reaktion an

„Ich denke nicht nur, dass die Zeit gekommen ist, sondern dass es sicherer wäre, wenn diese Waffen bereits hier wären“, führt Duda mit Blick auf US-amerikanische Atomwaffen weiter aus. Eine Verlegung von nuklearen Sprengköpfen nach Polen dürfte im Kreml jedoch als massive Provokation aufgefasst werden. Polen grenzt im Norden an die russische Exklave Kaliningrad und im Osten an Belarus, wo Putins wichtigster Verbündeter Alexander Lukaschenko an der Macht ist.

Aus Putins Machtzentrale im Kreml folgte noch am Donnerstag eine kühle Reaktion auf den Vorstoß. „Militärvertreter werden die Situation natürlich analysieren und in jedem Fall alle notwendigen Maßnahmen als Reaktion ergreifen, um unsere Sicherheit zu garantieren“, teilte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit, ohne auf Details einzugehen.

Nach Ende des Ukraine-Kriegs: Nimmt Putin die Nato-Ostflanke ins Visier?

Seit der Eskalation im Ukraine-Krieg im Februar 2022 sorgen sich die Staaten an der Nato-Ostflanke verstärkt um ihre Sicherheit. Es wird befürchtet, Putins Blick könnte sich nach der Ukraine auch auf Polen oder das Baltikum richten – den Nato-Staaten mit einer direkten Grenze zu Russland. Mittelpunkt in den Gedankenspielen von Militäranalysten ist dabei auch immer wieder die Suwalki-Lücke.

Die knapp über 100 Kilometer lange Grenzlinie zwischen Polen und Litauen trennt das Baltikum von dem restlichen Nato-Partner und ist gleichzeitig der Ort, an dem die russische Exklave Kaliningrad am wenigsten weit von Belarus entfernt ist. Ein Angriff dort könnte also sowohl eine Landbrücke von Kaliningrad zu Russlands Verbündetem schlagen, als auch das Baltikum von seinen Partnerländern abschneiden. Ein russischer Angriff würde jedoch den Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrags auslösen. Danach wird ein Angriff auf einen Nato-Staat als ein Angriff gegen alle gewertet. Der Einsatz für Putin wäre also extrem hoch.

Polens Staatspräsident Andrzej Duda hat sich als Reaktion auf Putins Vorgehen im Ukraine-Krieg für die Stationierung von US-Atomwaffen ausgesprochen. © Montage: Mikhail Metzel/ Harry Nakos/dpa

Polens Präsident für Stationierung von US-Atomwaffen – lobende Worte aus Berlin

Polen könnte mit der Stationierung von US-Atomwaffen Russland von einem Angriff auf das Gebiet abschrecken, doch Putin dürfte eine Verlegung von Atomwaffen näher an die russische Grenze als Provokation werten. Duda verweist in seinem Vorstoß jedoch auf die Verlegung russischer Atomwaffen während des Ukraine-Kriegs in die Nähe der Nato-Ostflanke. „Russland hat nicht einmal gezögert, als es seine Atomwaffen nach Belarus verlegte“, sagte Duda der Financial Times. „Sie haben niemanden um Erlaubnis gefragt.“

Berlin äußerte sich am Donnerstag positiv zu dem Vorschlag aus Polen. „Grundsätzlich sind wir natürlich sehr erfreut über die Rolle, die Polen spielt innerhalb der Europäischen Union oder auch innerhalb der Nato“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann der Tagesschau. Man wisse es zu schätzen, „dass Polen sich da so stark einbringt“.

Trump-Ankündigung zu Atomwaffen: Europa sucht nach Lösungen für die Zukunft

Nach Daten der Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) befinden sich derzeit US-Atomwaffen auf dem Gebiet von Belgien, Deutschland, Niederlande, Italien und der Türkei. Neben den USA verfügen auch die Nato-Mitglieder Frankreich und Großbritannien über eigene Atomwaffen, die auf ihrem Staatsgebiet stationiert sind.

US-Präsident Trump hatte zuletzt auch mit einem Abzug der US-Atomwaffen aus Europa kokettiert und damit Debatten über die Zukunft eines atomaren Abwehrschirms auf dem Kontinent ausgelöst. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte in dem Zusammenhang angeboten, dass man die Rolle der USA übernehmen könne. Jedoch beinhaltet das nukleare Arsenal Frankreichs im Vergleich zu den USA und Russland nur einen Bruchteil an Sprengköpfen. Fest steht: sollte Trump seinen Drohungen Taten folgen lassen, würde sich die Sicherheitsstruktur in Europa drastisch verändern. (fd)

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