Chinas Militär-Muskelspiele sollen Taiwan zermürben – und bergen eine große Gefahr
Mit Militärmanövern erhöht China den Druck auf Taiwan. Für Aufmerksamkeit sorgen die ständigen Provokationen kaum noch. Das könnte sich als fatal erweisen.
War das jetzt ein erneutes Militärmanöver – oder doch nur eine weitere chinesische Provokation, wie sie Taiwan mittlerweile nahezu jeden Tag erlebt? Dass die chinesische Volksbefreiungsarmee in den vergangenen Tagen ihre Militärpräsenz rund um Taiwan deutlich erhöht hat, war jedenfalls kein Thema in Chinas staatlich kontrollierten Medien. Auch das Außenministerium in Peking konnte oder wollte keine Übungen bestätigen.
Die letzten großen Manöver – im Mai, nach der Amtseinführung von Taiwans neuem Präsidenten Lai Ching-te, sowie im Oktober, kurz nach dem taiwanischen Nationalfeiertag – hatte Peking noch mit großem Tamtam und patriotisch aufgeladenen Online-Kampagnen begleitet. Auch diese martialische Propaganda bliebt diesmal aus.
China schickt so viele Kriegsschiffe wie lange nicht nach Taiwan
Tatsache jedenfalls ist: China erhöht seit Tagen den Druck auf das demokratisch regierte Taiwan, das von Peking als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet wird. Am Mittwoch (11. Dezember) meldete das Verteidigungsministerium in Taipeh die Sichtung von 53 chinesischen Kampfjets und elf Kriegsschiffen vor den eigenen Küsten, am Tag davor wurden 47 Flugzeuge und zwölf Schiffe in der Nähe Taiwans gezählt.
Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf taiwanische Sicherheitskreise beruft, wurden Anfang der Woche sogar um die 90 Schiffe in der Region gesichtet, so viele wie seit der dritten Taiwan-Krise Mitte der 90er nicht mehr. Die Präsenz der chinesischen Schiffe und Flugzeuge stelle für Taiwan „eine große Bedrohung“ dar, unabhängig davon, ob es sich nun um Übungen handle oder nicht, sagte ein Sprecher des taiwanischen Verteidigungsministeriums.
Reagiert China auf den US-Besuch von Taiwans Präsident Lai?
Einige Beobachter haben eine Verbindung hergestellt zwischen der verstärkten Militärpräsenz der vergangenen Tage und einer Auslandsreise des taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te. Lai besuchte in der vergangenen Woche drei kleine Inselstaaten, die zu den letzten offiziellen Verbündeten Taiwans gehören, und legte dabei auch Zwischenstopps im US-Bundesstaat Hawaii und dem US-Territorium Guam ein; Peking hat im Vorfeld heftig gegen die Reisepläne protestiert, es will die taiwanische Regierung international isolieren.
Im Pentagon will man sich dieser Interpretation nicht anschließen. „Wir sehen die Aktivitäten im Ostchinesischen Meer und im Südchinesischen Meer nicht als Reaktion auf die Durchreise von Präsident Lai“, sagte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums Reuters. Einen Anlass, um Taiwan zu provozieren, benötigt China aber ohnehin nicht, schon seit rund drei Jahren schickt Peking fast täglich Kampfjets und Kriegsschiffe in die Region. So zeigt die chinesische Regierung jeden Tag aufs Neue, dass sie alleine es in der Hand hat, an der Eskalationsspirale zu drehen.

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Chinas miltärische Muskelspiele sind in Taiwan alltäglich geworden
In Taiwan selbst werden diese Muskelspiele kaum mehr beachtet. Chinas Drohungen sind mittlerweile derart alltäglich geworden, dass sich in Taiwan eine Gelassenheit breitgemacht hat, die notwendig ist, um im Schatten des großen, aggressiven Nachbarn ein halbwegs normales Leben zu führen. Auch international scheint man sich an die chinesischen Dauerprovokationen gewöhnt zu haben. Zumal andere Krisen, etwa in der Ukraine und in Nahost, die ohnehin knappe Aufmerksamkeit binden.
Gleichzeitig aber werden Probleme nicht kleiner, nur weil man sie verdrängt. Und dass sich China eines Tages Taiwan unter den Nagel reißen will, steht außer Frage. „China wird seine nationale Souveränität und territoriale Integrität entschlossen verteidigen“, bekräftige am Dienstag eine Sprecherin des Pekinger Außenamts.
Gefahr eines chinesischen Angriffs auf Taiwan derzeit gering
Konkrete Kriegsvorbereitungen sind zwar nicht zu beobachten, und die meisten Experten gehen davon aus, dass China in den kommenden Jahren keinen großangelegten militärischen Angriff auf Taiwan starten wird. Als wahrscheinlicher gelten Szenarien, in denen China versucht, Taiwan durch eine Quarantäne oder Blockade von der Außenwelt abzuschneiden. In anderen Szenarien verleibt sich China nicht die taiwanische Hauptinsel ein, sondern kleine Inselchen wie Kinmen, die zu Taiwan gehören, aber direkt vor der chinesischen Küste liegen.
Die Gefahr einer unbeabsichtigten Eskalation ist zudem umso größer, je mehr Kampfjets und Kriegsschiffe China in die Region schickt. So könnte aus den Muskelspielen, die China derzeit scheinbar routinemäßig vor Taiwan veranstaltet, schnell der Ernstfall werden. Spätestens dann wäre die Weltgemeinschaft gezwungen, den Blick wieder in Richtung Taiwan zu lenken.