Drei Ergebnisse, ernüchternde Einigkeit, kaum Frieden – was die Schweizer Ukraine-Konferenz gebracht hat
Die Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz sollte eine Grundlinie zu Gesprächen mit Russland aufzeigen. Am Ende bleibt jedoch viel Ernüchterung.
Bürgenstock – Es sollte ein Schritt in Richtung Frieden im Ukraine-Krieg werden. Doch wenn man sich die Stimmung im Vorfeld des Treffens im schweizerischen Bürgenstock anschaut, schien die Hoffnung auf einen wirklich bahnbrechenden Schritt schon vorher marginal zu sein. Nicht zuletzt, da auch Russland sich schon vor einiger Zeit nicht wirklich ernsthaft interessiert zum Gipfel geäußert hat. Und das, obwohl Wladimir Putin kürzlich unter zwei Bedingungen sogar eine Feuerpause in Aussicht stellte.
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz sprach im Vorfeld immer eher von einem „zarten Pflänzchen“ als von einem gewaltigen Akt. Immerhin kamen 93 Länder zusammen. Darunter auch einige Russland positiv zugeneigte Staaten. Der vermeintlich wichtigste Akteur aus diesem Umfeld, China, fehlte allerdings. Auch Länder wie Brasilien, Indien oder Südafrika schickten nur Beobachter oder Vertreter aus unteren Ministerebenen.
Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz: Drei Kernpunkte in Abschlusserklärung festgehalten
Dennoch wollte man die Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau aufzeigen. Eine große Mehrheit der Teilnehmer forderte am Sonntag zum Abschluss dann auch die Beteiligung beider Seiten an einer Friedensfindung, nicht ohne die Souveränität der Ukraine und die Unverletzlichkeit der Grenzen zu erwähnen.

Drei Kernpunkte kristallisierten sich bei der Konferenz heraus, die auch in der Abschlusserklärung ihren Platz fanden, nachzulesen auch auf der Seite des Auswärtigen Amtes der Schweiz. „Erstens“, heißt es dort, „muss jede Nutzung von Kernenergie und Kernanlagen sicher, geschützt und umweltverträglich sein. Ukrainische Kernkraftwerke und -anlagen, einschließlich des Kernkraftwerks Saporischschja, müssen unter vollständiger souveräner Kontrolle der Ukraine und im Einklang mit den Grundsätzen der IAEA und unter ihrer Aufsicht sicher betrieben werden.“ Jede Androhung oder jeder Einsatz von Atomwaffen im Krieg sei unzulässig.
Energie-Sicherheit, Ernährungssicherheit, Freilassung von Kriegsgefangenen: Ergebnisse der Ukraine-Konferenz
Als zweiten Punkt einigte man sich auch auf folgendes: „Zweitens hängt die globale Ernährungssicherheit von einer unterbrechungsfreien Produktion und Versorgung mit Nahrungsmitteln ab. In dieser Hinsicht sind eine freie, vollständige und sichere kommerzielle Schifffahrt sowie der Zugang zu Seehäfen im Schwarzen und Asowschen Meer von entscheidender Bedeutung. Angriffe auf Handelsschiffe in Häfen und entlang der gesamten Route sowie auf zivile Häfen und zivile Hafeninfrastruktur sind inakzeptabel.“ Die Sicherung der Ernährung dürfe niemals zu einer Waffe werden.
Punkt drei: „Alle Kriegsgefangenen müssen durch vollständigen Austausch freigelassen werden. Alle abgeschobenen und unrechtmäßig vertriebenen ukrainischen Kinder sowie alle anderen unrechtmäßig inhaftierten ukrainischen Zivilisten müssen in die Ukraine zurückgebracht werden.“
Ernüchterung bei Abschlusserklärung der Ukraine-Friedenskonferenz: Nur 80 von 93 Ländern stimmen zu
Nach diplomatischen Aufrufen klingen die Punkte allemal, nach mehr als einem kleinen Ansatz in Richtung eines möglichen Friedens allerdings kaum. Der wird auch mit weiterem Blick auf die Abschlusserklärung nicht größer. Viel mehr nahm diese eher Rücksicht auf die Freunde Russlands: keine ausdrückliche Verurteilung des durch Moskau gestarteten Angriffskrieges, keine Aufforderung zum Rückzug. Stattdessen eine Berufung auf die Charta der Vereinten Nationen. Das reichte allerdings nicht, um alle Länder zufriedenzustellen.
Meine news
Nur 80 der 93 anwesenden Länder unterschrieben die Abschlusserklärung. Mit Mexiko, Brasilien, Südafrika, Indien, Saudi-Arabien und Indonesien scherten alleine sechs Staaten aus der G20-Gruppe der wichtigsten Wirtschaftsmächte aus. Mit China und Russland, die gar nicht erst vertreten waren, kann man aus der Gruppe sogar acht Länder nennen.
Einmaliges Unterfangen oder Dauer-Projekt? Wie es nach der Ukraine-Friedenskonferenz weitergeht
Aber hilft die Konferenz nun, um dem Frieden näherzukommen? Das ist zumindest fraglich. Nicht zuletzt, da Putin kurz vor dem Gipfel als Bedingung für Verhandlungen den vollständigen Abtritt der Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischja und der Krim forderte. Die USA in Person von Vizepräsidentin Kamala Harris hatte dies im Vorfeld bereits zurückgewiesen und Putin vorgeworfen, er rufe „zur Kapitulation“ und nicht zu Verhandlungen auf.
Dass der Gipfel ein schwieriges Unterfangen auf einem schwierigen Weg zum Frieden war, musste auch die Schweizer Bundespräsidentin als Gastgeberin einsehen. Viola Amherd räumte nach dem Gipfel ein, dass die „Perspektiven und Ausgangspositionen sehr unterschiedlich“ gewesen seien. Aber immerhin habe zum ersten Mal eine hochrangige und breit gestützte Konferenz über einen Friedensprozess gesprochen, sagte sie weiter.
Selenskyj spricht sich für weiteren Ukraine-Friedensgipfel aus – dann mit Russland-Beteiligung?
Wie es jetzt weitergeht, ist indes ebenso unbekannt. Geht es nach Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj, selber zu Gast auf dem Gipfel, wird bald ein zweiter Gipfel dieser Form folgen. In der Abschlusserklärung findet sich jedoch keine klare Aussage zu einer Nachfolgekonferenz. Indes sprechen sich die Länder, die der Erklärung zugestimmt haben, dafür aus, Russland bei weiteren derartigen Beratungen mit einzubeziehen. Einige Staaten hätten bereits ihre Bereitschaft signalisiert, Gastgeber eines möglichen Folge-Gipfels zu sein. Als Favorit gilt Saudi-Arabien. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, die Voraussetzung für eine Teilnahme Russlands sei, dass sich Moskau zur UN-Charta bekenne.