Kein bisschen Frieden auf dem Bürgenstock – was bleibt vom Ukraine-Gipfel in der Schweiz?

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Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, kommt zur abschließenden Medienkonferenz während des Gipfels zum Frieden in der Ukraine. © Michael Buholzer/dpa

Der Friedensgipfel in der Schweiz lässt viel Platz für Interpretation. Die Ukraine hat Unterstützung erfahren, aber einige wichtige Länder haben die Abschlusserklärung nicht unterzeichnet.

Bürgenstock – Über 90 Länder haben bei der Ukraine-Konferenz in der Schweiz Grundlinien für mögliche Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau aufgezeigt. Die große Mehrheit der Teilnehmer forderte am Sonntag die Beteiligung „aller Parteien“ an einem Friedensprozess und betonte zugleich die Bedeutung der Souveränität der Ukraine und die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen. Die Abschlusserklärung wurde von einer sehr großen Mehrheit der Teilnehmerländer unterstützt, nicht aber von vielen Brics-Staaten wie Indien oder Brasilien.

Ukraine-Friedensgipfel in der Schweiz – Ohne Russland geht es nicht

In der Abschlusserklärung heißt es: „Wir glauben, dass das Erreichen von Frieden die Einbeziehung von und den Dialog zwischen allen Parteien erfordert.“ Hervorgehoben wurden dabei „die Prinzipien der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten einschließlich der Ukraine“. Der Dialog aller Parteien. Das bedeutet: Ohne Russland geht es nicht. Russland war zu dem Gipfel auf dem 1128 Meter hohen Bürgenstock nicht eingeladen und hatte auch kein Interesse gezeigt teilzunehmen. Der britische Premierminister Rishi Sunak kritisierte Russlands Unterstützer am Samstag scharf. Sie stünden „auf der falschen Seite der Geschichte“, sagte er und betonte: „Putin hat kein Interesse an einem echten Frieden.“

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte am Sonntag, die russische Führung sei „nicht bereit für einen gerechten Frieden“. Friedensgespräche könnten schon „morgen“ beginnen, wenn die russischen Truppen aus der Ukraine abzögen. Am Freitag hatte der russische Präsident Wladimir Putin eine Waffenruhe und Friedensgespräche in Aussicht gestellt, sollte die Ukraine ihre Streitkräfte aus vier von Russland besetzten Gebieten im Osten und Süden der Ukraine abziehen und auf einen Beitritt zur Nato verzichten. Nichts Neues also aus dem Kreml, die Reaktionen waren entsprechend. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wies einen russischen „Diktatfrieden“ klar zurück.

Scholz fordert Putin zum Rückzug auf – und will Russland an den Verhandlungstisch bringen

Der Bundeskanzler schloss sich aber auch der allgemeinen Erkenntnis an: „Es ist wahr, dass der Frieden in der Ukraine nicht erreicht werden kann, ohne Russland miteinzubeziehen“, sagte Scholz und forderte zugleich den vollständigen Rückzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten.

Ein wichtiges Thema bei dem Treffen war auch die Vermeidung eines atomaren Katastrophenfalls durch den Krieg in der Ukraine, wo unter anderem das Atomkraftwerk Saporischschja im Süden monatelang umkämpft war. Die Ukraine müsse die volle Kontrolle über das AKW erhalten, forderten die Länder in der Abschlusserklärung. Auch jegliche „Bedrohung oder Einsatz von nuklearen Waffen“ seien unannehmbar.

Zudem unterstützte die überwiegende Mehrheit der Länder die Forderung nach einem vollständigen Austausch gefangener Soldaten und der Rückkehr deportierter ukrainischer Kinder. Auch dürfe die „Lebensmittelsicherheit auf keinen Fall militarisiert“ werden. Die Ukraine müsse ungehinderten Zugang zum Schwarzen Meer und zum Asowschen Meer haben.

Friedensgipfel für die Ukraine: Wichtige Länder unterzeichnen Erklärung nicht

Unter anderem Indien, Brasilien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stimmten der Erklärung nicht zu. An den Gesprächen hatten Vertreter aus 92 Ländern teilgenommen, darunter viele Staats- und Regierungschefs. China war nicht vertreten. Das Treffen fand unmittelbar im Anschluss an den G7-Gipfel in Italien statt, bei dem der Ukraine 50 Milliarden Dollar als Kredithilfe zugesagt wurden.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb auf Englisch im Onlinedienst X, sie rufe Russland auf, die Botschaft der internationalen Gemeinschaft zu hören. Moskau müsse seine „imperialistische Gewalt“ einstellen. Auch die Ukraine hatte bereits vorgeschlagen, Moskau zu einem weiteren Treffen einzuladen, bei dem dann ein von allen Teilnehmern vereinbarter gemeinsamer Friedensplan vorgelegt werden würde.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bekräftigte am Sonntag, Kiew solle über einen Truppenabzug aus dem Osten und Süden der Ukraine „nachdenken“, um den Weg für Friedensgespräche freizumachen. „Die aktuelle Entwicklung der Lage an der Front zeigt uns eindeutig, dass sie sich für die Ukrainer weiter verschlechtert.“ Peskow erklärte, es handele sich nicht um ein „Ultimatum“, sondern um „eine Friedensinitiative, die die Realitäten vor Ort berücksichtigt“. (AFP/WHA)

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