Drohungen und Gewalt: Putins digitale Bürgerwehr macht Jagd auf ukrainische Patrioten
Die Krim, Luhansk, Donezk: Wladimir Putin lässt Gegner der russischen Invasion in besetzten Gebieten der Ukraine offenbar systematisch jagen.
Sewastopol – Dort, wo es eigentlich ausschließlich um Sport gehen soll, wurde es zwischenzeitlich richtig ernst. Der Ukraine-Krieg tauchte mittels politischer Symbolik bei der Fußball-EM 2024 (14. Juni bis 14. Juli) auf.
Regime von Wladimir Putin: Moskau lässt wohl Ukrainer auf der Krim verfolgen
So zeigten Fans aus der Ukraine beim Gruppenspiel ihres Nationalteams gegen Belgien (0:0) am 26. Juni in Stuttgart zum Beispiel ein Banner mit dem Gesicht eines gegen Russland gefallenen Soldaten. Im selben EM-Spiel hatten Fans, die angeblich von der Krim stammen, neben der ukrainischen Fahne die Flagge der Krim-Tartaren dabei.
Laut einem Medienbericht werden sie deshalb nun auf der völkerrechtswidrig besetzten Halbinsel von den dortigen Vertretern des Moskau-Regimes verfolgt. Das schreibt The Times aus Großbritannien. Demnach sollen die drei Brüder, die nur zwischenzeitlich in Deutschland waren, ein Beispiel dafür sein, wie eine digitale Bürgerwehr mutmaßlich Jagd auf Ukraine-Patrioten macht.

Krim, Luhansk, Donezk: Putin lässt Ukrainer systematisch unter Druck setzen
Konkret: Die Männer hatten das Foto mit den zwei Flaggen offenbar in den sozialen Medien geteilt. Später sei die Aufnahme einer russischen Bürgerwehr zugespielt worden, die demnach im digitalen Raum unterwegs ist und laut der britischen Tageszeitung ukrainische Staatsbürger aus den besetzten Gebieten verfolgt und unter Druck setzt, die ein anti-russisches Verhalten zeigen würden. So habe beschriebene Bürgerwehr das Foto von der Europameisterschaft ebenfalls geteilt und dazu geschrieben: „Wir werden auf Ihr Haus aufpassen, wenn Sie nach Hause kommen.“
Zur Einordnung: Die Krim-Tartaren sollen nach westlichen Einschätzungen aus dem Untergrund heraus mit Kiew zusammenarbeiten, um Anschläge auf die Infrastruktur der russischen Besatzer auf der besetzten Schwarzmeer-Halbinsel auszuüben und/oder um die Lage russischer Stellungen für Luftangriffe an die ukrainischen Streitkräfte weiterzugeben. Die russischen Behörden auf der besetzten Krim lassen deshalb immer wieder – von Kameras begleitet – angebliche Saboteure und Partisanen durch schwer bewaffnete Sicherheitskräfte festnehmen. Das gilt auch für die überfallenen Gebiete der östlichen Regionen Luhansk und Donezk.
Meine news
Besatzung in der Ukraine: Keine medizinische Versorgung ohne Russland-Ausweis
Laut Euronews treibt Putin die sogenannte Russifizierung in den besetzten ukrainischen Gebieten in Form einer erzwungenen politischen und sprachlichen Umerziehung regelrecht voran. Moskaus Behörden versuchen etwa unter Hochdruck, möglichst vielen ursprünglich ukrainischen Bewohnerinnen und Bewohnern der Regionen russische Pässe auszustellen. In eben jenen Behörden ist Russisch die verpflichtende Amtssprache. Dem Bericht zufolge wird Bürgerinnen und Bürgern ohne von Moskau ausgestellten Ausweisdokumenten teils sogar der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt.
So wurde zum Beispiel aus dem im Herbst 2022 wieder befreiten Cherson berichtet, wie die russischen Besatzer vorgehen. „Der Auftrag der Russen war es, die Existenz des ukrainischen Staates hier in Cherson auszuradieren“, erklärte Alexander Samoilenko, der Vorsitzende des Regionalrats von Cherson, Euronews. Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International (AI), hatte dem Online-Nachrichtenportal erzählt, wie die beschriebene Russifizierung nicht zuletzt in Schulen bei Kindern angewandt wird. „Im Grunde ist das Lehrbuch ein Propagandamittel. Es verweigert den ukrainischen Kindern den Zugang zu ihrer eigenen Kultur, ihrer eigenen Geschichte. Und es versucht, diese Kinder in die Musterbürger zu verwandeln, die Russland aus ihnen machen möchte“, sagte sie.
Putin-Überwachung in der Ukraine: Russland will laut EU ukrainische Kultur vernichten
Um die angebliche Loslösung vom ukrainischen Staat und Hinwendung zur Russischen Föderation zu dokumentieren, ließ Moskau im äußersten Osten der Ukraine Schein-Referenden durchführen, um „illegal Land zu rauben“, wie die Europäische Kommission dazu auf ihrer Website schreibt. „Unterm Strich hat der Kreml alles getan, um die Eigenstaatlichkeit der Ukraine zu untergraben. Unter diesen Umständen ist es besonders beeindruckend, mit welcher Entschlossenheit die Ukrainer ihren Staat und ihre Identität verteidigen“, heißt es von der EU dazu.
Es ist harsch die Rede von „Russlands angestrebten Genozid an der ukrainischen Sprache, der ukrainischen Kultur, dem ukrainischen Staat und dem ukrainischen Volk“. Wie das Putin-Regime die Unterdrückung und die Kontrolle forciert, beschrieb nachdrücklich Anna Wright, Researcherin für die Ukraine, Belarus und Moldau bei der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. „Sie haben immer weniger Freiheiten. Ihre Menschenrechte werden immer mehr unterdrückt. Zivilpersonen werden willkürlich inhaftiert, weil die Besatzungsbehörden ihnen Verbindungen zu ukrainischen Behörden oder Streitkräften vorwerfen“, erzählte die gebürtige Ukrainerin auf der Website von AI.

Wladimir Putins Regime: Ukrainerin berichtet von Verschleppungen nach Russland
„Die Betroffenen werden in den besetzten Gebieten oder in Russland festgehalten und haben meist keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Wir erleben außerdem eine sehr starke Indoktrinierung der Bevölkerung, zum Beispiel der Schulkinder“, schilderte sie von den Bedingungen in den betroffenen Gebieten: „Das Vermögen derjenigen, die sich weigern, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, wird beschlagnahmt. Es gibt Zwangsrekrutierungen von Bewohnern der besetzten Gebiete in die russischen Streitkräfte. Auch die Reisefreiheit ist stark eingeschränkt. Wer keinen russischen Pass besitzt, hat kaum Möglichkeiten, die Gebiete zu verlassen.“ (pm)