Ukraine kauft ein, USA profitieren: Ungebremste Aufrüstung durch Ukraine-Krieg

Die Ukraine ist weltgrößter Waffenimporteur, die USA größter Händler. Donald Trump demonstriert damit seine Stärke und wirbt Russland einen Kunden ab.
Kiew – „Die USA brauchen die begrenzten wirtschaftlichen Vorteile, die Waffenverkäufe mit sich bringen, nicht – und schon gar nicht die strategischen Kopfschmerzen, die sie mit sich bringen“, schreiben Trevor A. Thrall und Caroline Dorminey. Die beiden Analysten des Thinktanks haben sich mit der Rüstung als Wirtschaftszweig beschäftigt und ihre Bedenken geäußert über das „risky business“ – denn wenn auch US-Präsident Donald Trump mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj politisch überkreuz liegt, sind sie doch wirtschaftlich lohnende Partner gewesen: Wladimir Putins aggressiver Expansionismus hat die Ukraine zum weltgrößten Waffenimporteur gemacht und die USA zum weltgrößten Profiteur – zum Schaden Russlands.
Der Thinktank Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) hat jetzt Zahlen veröffentlicht, nach denen die Ukraine zwischen 2020 und 2024 zum weltgrößten Käufer von Großwaffen geworden sei – die Importe hätten sich im Vergleich zu 2015 bis 2019 fast verhundertfacht, schreiben die schwedischen Friedensforscher. Der Ukraine-Krieg habe auch eine Verschiebung der Transaktionen von Rüstungsgütern gebracht, beziehungsweise den Fokus auf Osteuropa gelegt sowie eine deutliche Zunahme der Käufe von Nato-Ländern provoziert, lautet das Ergebnis.
Ukraine-Krieg: Zugespitzt formuliert, könnte Trump gar kein Interesse an einem schnellen Frieden haben
Zugespitzt formuliert, könnte Donald Trump gar kein ernsthaftes Interesse an einem schnellen Frieden zwischen Russland und der Ukraine haben: „Wie der Ukraine-Krieg die US-Dominanz im globalen Waffenhandel verstärkte“, titelt denn auch aktuell die Washington Post (WP); schließlich hat die SIPRI-Studie klargestellt, dass 43 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte aus den USA stammen. Die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der US-amerikanischen Yale-Universität hat das sogar bereits Anfang vergangenen Jahres viel deutlicher formuliert.
„Vielleicht werden einige europäische Verbündete aufgrund von Trumps bisherigen Aussagen über das Bündnis und seinem Umgang damit ihren Blick nach innen richten, anstatt amerikanische Produkte zu kaufen.“
„Manche behaupten zwar, die US-Hilfe versickere in einer Kloake ungezügelter ukrainischer Korruption, doch eine Studie hat gezeigt, dass 90 Prozent der ukrainischen Hilfsgelder gar nicht in die Ukraine fließen. Vielmehr verbleiben diese Gelder in den USA, wo führende Rüstungskonzerne zig Milliarden in über 100 neue Produktionsanlagen investiert haben. Damit sind in mindestens 38 Bundesstaaten Tausende von Arbeitsplätzen entstanden, während wichtige Unterkomponenten aus allen 50 Bundesstaaten bezogen werden“, so Jeffrey Sonnenfeld und Steven Tian.
Die beiden Wirtschaftswissenschaftler betonen, dass nahezu alle Waffen, die die Ukraine dringend bräuchte, vollständig in den USA hergestellt worden seien – ob Großgeräte wie die F-16-Kampfjets oder kleinere Ausrüstungsgegenstände wie Nachtsichtgeräte oder auch Munition. „Jede zusätzliche Hilfe für die Ukraine würde der US-Wirtschaft wahrscheinlich nur noch mehr helfen, da es sich bei früheren Waffenlieferungen größtenteils um den Abbau muffiger alter Vorräte und bestehender Lagerbestände handelte und nicht um neue Vorräte“, so die Analysten.
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Motor der Rüstungsindustrie: „Bedrohungswahrnehmungen gegenüber China“
Auch Mathew George stellt klar, dass der Ukraine-Krieg den USA zu einem globalen wirtschaftlichen Alleinstellungsmerkmal verholfen hat: Sie seien in einer „einzigartigen Postion“ als Waffenexporteur und hätten den nächst größeren Exporteur Frankreich um das Vierfache übertrumpft, sagt der Direktor des Waffentransferprogramms von SIPRI, wie ihn die WP zitiert. Dennoch bleibe die Ukraine lediglich ein Nebenkriegsschauplatz, wie Siemon Wezeman sagt. Der SIPRI-Analyst betont, das Asien und Ozeanien zwischen 2020 und 2024 die Region mit den größten Waffenimporten der Welt gewesen seien – „wie dies seit Anfang der 1990er-Jahre fast ausnahmslos der Fall war“, so Wezeman.
Seines Wissens nach stünden dahinter „Bedrohungswahrnehmungen gegenüber China“. In Taiwan könnten die USA noch größere Geschäfte machen – allerdings weigern sich die USA, dorthin ihren Exportschlager F-35 zu veräußern, weil dort die Gefahr sehr groß sei, dass die Technik durch China ausspioniert würde. Russland scheint aber als Ausrüster – gegen China – auszufallen, wie John CK Daly aktuell analysiert: Die Rüstungsindustrie breche gerade zusammen, die Exporte von Rüstungsgütern brächen um 92 Prozent ein, wie Daly für den Thinktank Jamestown Foundation zusammenfasst.
Unter Bezug auf das kasachische Medium Arbat schreibt Daly, dass die Rüstungsexporte Russlands bis Ende 2024 um das 14-fache zurückgegangen und auf unter eine Milliarde Dollar Umsatz beziehungsweise Gewinn geschrumpft seien – von ursprünglich fast 15 Milliarden Dollar vor dem Ukraine-Krieg und acht Milliarden nach dem ersten Kriegsjahr. Laut dem Jamestown-Analysten Pavel Luzin plant der Kreml für das Jahr 2025 einen Rüstungsetat von rund 150 Milliarden Dollar – und somit verschlingt Russland den Großteil seiner Rüstungsproduktion selbst.
Trumps Dilemma: Waffen-Deals nicht der beste Weg, um außenpolitische Ziele der USA zu erreichen
Wie Elias Yousif im Oktober 2022 geschrieben hat, hätte die US-Sicherheitshilfe für die Ukraine im ersten Kriegsjahr bereits alle Präzedenzen übertroffen: Zwischen Februar und Oktober 2022 hätten die USA Rüstungsgüter für fast 18 Milliarden Dollar nach Kiew versandt; „mehr als das Sechsfache dessen, was die Vereinigten Staaten in allen acht Jahren nach der Annexion der Krim durch Russland bereitgestellt haben“, so der Analyst des US-Thinktanks Stimson Center. Damit sei die Welt aber um keinen Deut sicherer geworden, legt Yousif nahe.
Der originäre Wunsch der Hilfe beziehungsweise Wunsch der politischen Steuerung eines Konfliktes hat offenbar die Risiken der Folgen von Waffenlieferungen in Konfliktgebiete verdrängt, so der Analyst. „Selbst angesichts eines Souveränitätsbruchs und einer Invasion durch Russland erweisen die Vereinigten Staaten und ihre Partner den Menschen, die sie eigentlich schützen wollen, möglicherweise einen schlechten Dienst, ohne die potenziellen Risiken einer Waffenlieferung an das Land zu berücksichtigen“, schreibt Yousif. Ohne US-amerikanische Waffen wäre der Ukraine-Krieg tatsächlich längst am Ende und hätte zumindest vielen Menschen das Leben gelassen – und vielleicht einen Ausgang vorgezogen, der möglicherweise ohnehin unausweichlich ist.
Bereits 2018 hatten sich A. Trevor Thrall und Caroline Dorminey auseinandergesetzt mit der Rolle von Waffenverkäufen in der US-Außenpolitik. Laut den Analysten des US-amerikanischen Thinktanks Cato Institute sei der wirtschaftliche Nutzen von Waffenverkäufen fraglich und ihr strategischer Nutzen weitaus unsicherer und begrenzter als die meisten glauben, wie sie schrieben; obwohl sie grundsätzlich Waffenverkäufe als ein nützliches Instrument der Außenpolitik erachten – allerdings „in den meisten Fällen“ nicht als den besten Weg, um außenpolitische Ziele der USA zu erreichen, wie sie klarstellen.
Strategie gegen Putin: Donald Trump übt mit seiner Rüstungsindustrie globale Macht aus
An vier Punkten wollen sie erkennen, dass sich die USA mit Waffenverkäufen ins eigene Fleisch schnitten: Erstens trügen die Verkäufe „kaum zur Verbesserung der amerikanischen Sicherheit bei“, zweitens seien die sicherheitsrelevanten Vorteile „weitaus begrenzter und unsicherer“ als gemeinhin angenommen; drittens stellten Waffenverkäufe per se ein Sicherheitsrisiko dar. „Und schließlich würden die Vereinigten Staaten durch ein Ende der Waffenverkäufe erhebliche diplomatische Vorteile erlangen“, behaupteten Thrall und Dorminey – das kann nur bedeuten, dass eine Reduktion von US-amerikanischen Waffen möglicherweise den Raum für ein Miteinander in Verhandlungen erleichtern würde.
Während des Kalten Krieges seien amerikanische Waffenverkäufe Teil einer umfassenderen Strategie gewesen, um die Sowjetunion von einer Invasion Westeuropas abzuhalten, schreiben Thrall und Dorminey; das habe die Bindung der westlichen Partner verstärkt – und den Einfluss der USA auf diese Länder begründet, möglicherweise auch ein Diktat der Nutzung der Waffen ermöglicht, wovon die USA unter Donald Trump wieder Gebrauch machen könnten. Die USA üben mit ihrer Rüstungsindustrie globale Macht aus: bisher im Sinne der Ukraine, die sie am Leben erhalten haben, jetzt gegenüber Wladimir Putin, dadurch, dass Donald Trump die Ukraine ausbluten lässt.
USA brüskieren die Nato: Trump drängt weiterhin Länder, amerikanische Waffen zu kaufen
Und er setzt den Nato-Ländern dadurch auch die Pistole auf die Brust, wie Alex Wickham und Ellen Milligan berichten: Demnach dränge Trump weiterhin Länder, amerikanische Waffen zu kaufen. Die Regierung von Präsident Donald Trump habe ihren Verbündeten in Großbritannien und Europa mitgeteilt, dass die USA von ihnen den Kauf amerikanischer Waffen und militärischer Ausrüstung wünschten, um das Nato-Bündnis aufrechtzuerhalten, sagten europäische Offizielle, so Bloomberg News. Demnach wolle Trump die F-35 auch nach Indien veräußern – das Land ist bisher als militärischer sowie als wirtschaftlicher Partner von Russland und China bekannt.
Möglicherweise werde Trumps rustikaler Umgang mit den Nato-Ländern auch in den Bilanzen durchschlagen, vermutet William D. Hartung. Den Analysten des Thinkanks Responsible Statecraft zitiert die Washington Post mit einer düsteren Prognose: „Vielleicht werden einige europäische Verbündete aufgrund von Trumps bisherigen Aussagen über das Bündnis und seinem Umgang damit ihren Blick nach innen richten, anstatt amerikanische Produkte zu kaufen.“ (KaHin)