Ampel-Aus: Parteienvertreter aus dem Landkreis reagieren

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Aus für die Ampel: Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner konnten sich nicht einigen. Die Parteienvertreter aus dem Landkreis sehen den Bruch gemischt. © Michael Kappeler/dpa

Der Bruch der Ampel-Regierung beschäftigt auch den Landkreis. Bundestagsabgeordnete und Spitzen der Parteien im Landkreis bewerten die aktuelle Lage.

Landkreis – Die Ampelregierung ist nach dem Bruch mit der FDP am Ende. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird im Bundestag die Vertrauensfrage stellen und damit den Weg für Neuwahlen freimachen. Wir haben uns bei den Bundestagsabgeordneten und den Spitzen der Parteien im Landkreis umgehört, wie sie die aktuelle Lage bewerten. Und ob sie den von Scholz avisierten Zeitplan für richtig halten. Für die Bundestagswahl haben sich die Parteien bereits in Stellung gebracht und Kandidaten für den Wahlkreis Bad Tölz-Wolfratshausen/Miesbach nominiert.

Radwan: Parteitaktik steht über dem Interesse des Landes

Alexander Radwan, Bundestagsabgeordneter und Kreisvorsitzender aus Rottach-Egern: „Was am Mittwoch passiert ist, war vom Bundeskanzler schon länger angedacht und geplant. Er hat Finanzminister Christian Lindner auflaufen lassen. Dass Olaf Scholz erst im Januar die Vertrauensfrage stellen möchte, zeigt nur: Hier stehen Parteitaktik und persönliches Interesse über dem Interesse des Landes. Er hofft, dass sich der Staub bis dahin wieder legt. So können er und die SPD sich – ebenso wie die Grünen – in Ruhe für die anstehende Wahl sortieren. Aber das durchschaut jeder in der Bevölkerung. Der Kanzler muss die Vertrauensfrage diese oder spätestens nächste Woche stellen und den Weg für Neuwahlen im Januar freimachen. Der Versuch, die Union hier in staatspolitische Verantwortung zu nehmen, ist dreist. Diese liegt bei der Regierung. Es ist absolut verantwortungslos, was Kanzler und SPD hier aufziehen, und leider machen die Grünen mit. Sie sollten ihre Minister sofort zurückziehen. Die Union jedenfalls ist auf baldige Neuwahlen vorbereitet.“

Grünen-Vertreter sind frustriert

Karl Bär, Bundestagsabgeordneter aus Holzkirchen: „Ich bin motiviert und positiv in diese Koalition hineingegangen, aber am heutigen Tag maximal frustriert. Ein solches Maß an Unzuverlässigkeit, das viele FDP-Kollegen an den Tag legten, will ich in einer deutschen Regierung nicht mehr erleben müssen. Kanzler Olaf Scholz hat mir und sicher sehr vielen in den Fraktionen der Grünen und der SPD aus der Seele gesprochen. Dass Lindner derart provoziert in einer Situation, da die USA einen neuen Präsidenten bekommt, die EU-Kommission noch nicht steht, unsere Wirtschaft ein Problem hat – so wenig Rückgrat und Verantwortungsgefühl für unser Land hätte ich ihm nicht zugetraut. Er will die Superreichen entlasten und dafür Geld bei den Bürgergeld-Empfängern und Rentnern einsammeln – und verweigert sich den nötigen Investitionen durch das Aussetzen der Schuldenbremse in einer Notsituation. Ich gehe von Neuwahlen im März aus. Danach dürfte es auf Schwarz-Grün, Rot-Grün oder wieder eine Große Koalition hinauslaufen, eine andere Option sehe ich nicht. Ich jedenfalls werde mich wieder um ein Mandat bewerben.“

Georg Kammholz, Grünen-Kreisvorsitzender aus Schliersee: „Unser Land steht vor enormen Herausforderungen: Kriege in der Ukraine und Nahost und die Versäumnisse der Vorgängerregierungen bei Energiesicherheit, Infrastruktur, Bildung und besonders Klimaschutz und Verteidigung. Sofortige Neuwahlen wären verantwortungslos. Sie würden Monate des Stillstands bedeuten. Wichtige, bereits vorbereitete Gesetze für die finanzielle Entlastung der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft sind jetzt auf den Weg zu bringen. Es gilt, den Haushalt zu beschließen und so für 2025 Planungssicherheit zu bekommen. Danach ist der richtige Zeitpunkt für die Vertrauensfrage. Wir appellieren an die demokratischen Parteien, jetzt zusammenzustehen. Wir Grüne stehen zu unserer Verantwortung für unser Land. Möglichen Neuwahlen sehen wir positiv entgegen.“

SPD ist für Neuwahlen gut aufgestellt

Bruno Peetroons, SPD-Unterbezirksvorsitzender aus Holzkirchen: „Ich finde den Schritt, bereit zu sein für Neuwahlen, sehr gut. Der Fahrplan, den Olaf Scholz ausgegeben hat, ist der richtige, um im Parlament noch Gesetze zu dringenden Themen umzusetzen, bevor es nur noch um Wahlkampf geht. Auch wenn gewählt ist, folgen ja erst Koalitionsverhandlungen, die sehr schwierig und langwierig werden dürften. Ich hoffe daher, dass bis zu Neuwahlen die Bereitschaft zu Kooperationen im Parlament besteht, sehe mit der Union aber nur geringe Chancen, denn egal bei welcher Partei: Es ist eben immer die Frage, wie man bei seinen Wählern punkten kann. Die Koalition mit der FDP sehe ich rückblickend nicht als Fehler. Die Ampel ist mit anderen Themen gestartet, als dann kamen, dafür hat die Koalition gute Kompromisse gefunden. Für Neuwahlen ist die SPD mit Hubertus Klingbeil und Saskia Esken an der Parteispitze und dem erfahrenen neuen Generalsekretär Matthias Miersch gut aufgestellt. Ob das unter Olaf Scholz stattfinden wird, kann ich nicht abschätzen. Im Wahlkreis sind wir mit unserem Bundestagskandidaten Raffael Joos gut vorbereitet.“

FDP-Vorsitzende steht hinter Lindner

Béatrice Vesterling, FDP-Kreisvorsitzende aus Holzkirchen: „Christian Lindner hat Kompromisse gemacht, soweit es ging. Bei der Schuldenbremse konnte er sich nicht erpressen lassen. Wie Scholz am Mittwoch gesprochen hat, fand ich grenzwertig. Er hat Lindner vorgeführt wie einen Schuljungen. Ich unterstütze die Forderung, dass Scholz die Vertrauensfrage unverzüglich stellt, denn wir sind nicht handlungsfähig, und die Menschen wollen Stabilität. Es war klar, dass die Ampel eine besondere Herausforderung sein würde. Dass sie ein Fehler war, finde ich aber nicht, denn in Regierungsverantwortung hat man die Möglichkeit, etwas zu bewegen. Und niemand hat beim Koalitionsvertrag damit gerechnet, dass es Krieg in der Ukraine geben würde. Dass Wissing sein Amt behält und aus der FDP austritt, finde ich nicht fair, schließlich ist er durch die Partei ins Amt gekommen. Wie die Gesamtpartei den Neustart sieht, kann ich nicht sagen, aber ich finde nicht, dass Lindner den Parteivorsitz aufgeben sollte, weil er sich in der Sache völlig korrekt verhalten hat. Die FDP im Wahlkreis ist auf Neuwahlen gut vorbereitet. Natürlich zittert man, ob wir es über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Aber wir packen an und stehen hinter unserem Kandidaten (Tim Sachs; Anm. d. Red.).“

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