So sinnvoll diese Sondervermögen auch sein mögen, sie dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass Geld allein viele der Probleme nicht lösen kann und manche Reformen sogar verzögern könnte.
Sondervermögen eine realistische Option
Nach 20 Jahren Stillstand erkennen Union und SPD nun endlich, dass Deutschland einen grundlegenden Kurswechsel bei den öffentlichen Investitionen benötigt und dass eine weitere Verschleppung fatal wäre – wirtschaftlich, sozial und politisch. Vor allem die Union muss einen peinlichen Kurswechsel vollziehen und viele ihrer Versprechen im Bundestagswahlkampf kassieren. Aber es ist besser, nun die falschen Versprechen zu kassieren, als an ihnen weiterhin festzuhalten.
Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Sondervermögen sind nicht die beste Lösung
Die Verpflichtung des Staates zu substanziellen Investitionen über einen Zeitraum von zehn Jahren wäre ein starkes Signal an Wirtschaft und Gesellschaft und würde Verlässlichkeit schaffen. Die geplanten Summen – knapp ein Prozent der Wirtschaftsleistung zusätzlich für Infrastruktur und für Verteidigung – sind realistisch und notwendig. Auch der Anstieg der Staatsschulden wäre begrenzt, da die Schuldenquote – das Verhältnis von Staatsschulden zur Wirtschaftsleistung – bei einem nominalen Wachstum von 2,0 bis 2,5 Prozent pro Jahr stabil bleiben dürfte.
Trotz ihrer Vorteile sind Sondervermögen nicht die beste Lösung – sie sind lediglich besser als nichts zu tun. Tatsächlich wären sie eine schlechtere Alternative zu einer Reform der Schuldenbremse. Sondervermögen sind dann sinnvoll, wenn sie einmalige und außergewöhnliche Ausgaben finanzieren. In diesem Fall sollen sie jedoch strukturelle und dauerhafte Mehrausgaben des Staates für Infrastruktur und für Verteidigung ermöglichen. Doch Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich mehr Geld für beides benötigen.
Ausgaben über den regulären Haushalt finanzieren
Daher sollten diese Ausgaben über den regulären Haushalt finanziert werden. Eine Reform der Schuldenbremse wäre notwendig, um zwischen öffentlichem Konsum und Investitionen zu unterscheiden. Ein wesentlicher Nachteil der Sondervermögen ist, dass sie den Druck auf die Politik verringern, eine dringend benötigte Reform der Schuldenbremse anzugehen – und es ist unwahrscheinlich, dass unter diesen Umständen eine wirklich sinnvolle Reform der Schuldenbremse bis Ende 2025, wie von Union und SPD versprochen, gelingen wird.
Ein weiteres Problem der Sondervermögen ist ihre mangelnde Transparenz. Sie geben der Bundesregierung weitreichende Entscheidungsbefugnisse darüber, wann und wie sie Ausgaben tätigt, ohne dass diese – wie im regulären Haushalt – einer detaillierten Kontrolle durch das Parlament unterliegen. Zudem bleibt unklar, welche Investitionen tatsächlich über die Sondervermögen finanziert werden dürfen. Beispielsweise könnte es zu rechtlichen Auseinandersetzungen darüber kommen, ob Investitionen für künstliche Intelligenz oder andere neue Technologien zulässig sind. Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht sind absehbar.
Geld allein löst keine strukturellen Probleme
Ein weiteres zentrales Problem ist, dass nicht nur der Bund zusätzliche Mittel für Investitionen benötigt, sondern auch die Kommunen und Bundesländer. Rund die Hälfte aller öffentlichen Investitionen in Deutschland werden von den Kommunen getätigt, doch fast ein Drittel dieser Städte und Gemeinden ist überschuldet und kann Investitionen nicht aus eigener Kraft stemmen. Länder und Kommunen sollen nach den Plänen von Union und SPD jedoch lediglich ein Fünftel des Sondervermögens für Infrastruktur erhalten und zudem nur ein wenig mehr Spielraum unter der Schuldenbremse erhalten. Diese Summen werden völlig unzureichend sein, um vor allem für die Kommunen die notwendigen Investitionen stemmen zu können. Dies schafft eine Unwucht zwischen dem Bund auf der einen Seite und den Ländern und Kommunen auf der anderen, die es zu lösen gilt.
Mehr Geld allein wird weder die Herausforderungen bei der Infrastruktur noch die Probleme in der Verteidigung lösen. Viele öffentliche Einrichtungen verfügen nicht über die notwendigen Kapazitäten und Kompetenzen, um große Infrastrukturprojekte effizient umzusetzen. Auch in der Privatwirtschaft sind die Kapazitäten begrenzt. Die Bauwirtschaft mag sich derzeit über neue Aufträge freuen, doch sobald die Wirtschaft wieder an ihrer Kapazitätsgrenze produziert, müsste der Staat private Unternehmen dazu bewegen, zusätzliche Kapazitäten aufzubauen. Andernfalls könnte die staatliche Nachfrage lediglich zu höherer Inflation und zur Verdrängung privater Investitionen führen.
Sondervermögen dürfen nicht von notwendigen Reformen ablenken
Zudem sollten die geplanten Sondervermögen nicht isoliert betrachtet werden, sondern in einem europäischen Kontext. Gerade im Verteidigungsbereich ist eine stärkere europäische Zusammenarbeit essenziell – etwa durch einen gemeinsamen europäischen Einkauf. Auch in anderen Bereichen, wie der digitalen Infrastruktur oder der Energieversorgung, wäre eine europäische Koordinierung notwendig, um langfristig wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Nutzen zu generieren.
Es ist positiv, dass die künftige Bundesregierung nun entschlossen die Investitionslücke in Deutschland angehen will. Sondervermögen für Infrastruktur und für Verteidigung könnten einen dringend benötigten Mentalitätswandel anstoßen. Sie dürfen jedoch nicht von anderen notwendigen Reformen ablenken – insbesondere der Schuldenbremse und den strukturellen Defiziten staatlicher Institutionen, große Projekte effizient zu planen und umzusetzen. Mehr Geld für Zukunftsinvestitionen ist wichtig, aber allein nicht ausreichend, um Deutschlands und Europas wirtschaftliche und sicherheitspolitische Herausforderungen schnell, überzeugend und dauerhaft zu lösen.