Jetzt macht die Post dicht – bald auch bei uns!

Legenden und Mythen ranken sich um den Brief. Zum Beispiel die, dass es sich mit Briefmarken reich werden lässt. Die erste dieser „Postwertzeichen“, so der Behördenjargon, wurde in Großbritannien gedruckt, 1840, die schwarze 1-Penny-Marke, noch ohne Zähne, und das blaue Gegenstück mit 2-Pence-Wert. Bis heute gar nicht mal sehr teuer, da in Millionenauflage gedruckt. Hingegen sind die rote und blaue Mauritius (1847), ebenfalls mit dem Porträt von Königin Victoria, etliche Millionen wert. Derlei Sammlerleidenschaft war aber 1840 kein Thema. Es ging, wie heute auch, um Rationalisierung.

Und die greift durch: Die dänische Post macht am Jahresende Schluss mit dem immer lästigeren Briefgeschäft. Egal ob Liebes- oder Drohbrief – aufwühlend findet man bei „PostNord“ in Kopenhagen allenfalls die Zahlen in der Bilanz, und da hinterlässt der Briefdienst eine Spur so rot wie die Mauritius 1-Penny-Marke. „Die Dänen nutzen zunehmend die Digitalisierung und die überwiegende Mehrheit aller Menschen empfängt heute Dinge, die früher als Brief verschickt wurden, digital“, so PostNord. Seit dem Jahr 2000 sei die Zahl der Briefe um mehr als 90 Prozent zurückgegangen und tendiert weiter fallend. 

Silvester 2025 endet in Dänemark der Versand von Briefen

Ab Ende 2025 können Dänen keine Briefe mehr mit dem Dienstleister, der für seine roten Briefkästen bekannt ist, versenden oder empfangen. Schon im Juni will man damit beginnen, die verbliebenen 1500 Briefkästen zu demontieren. Die Weiterbeförderung ausländischer Briefe sollen andere Anbieter übernehmen – Genaueres weiß man nicht. Es dürfte kein lohnender Auftrag werden, denn andere Länder stehen natürlich vor den gleichen Existenzfragen ihrer Briefbeförderung und das Aufkommen verspricht außer bei Spezialaufträgen keine hohen Margen mehr.

Mit dem Rückgang der Briefvolumen und Kostendruck werden auch in Großbritannien Zustellungen an manchen Tagen ausgesetzt oder auf weniger Tage konzentriert. In ganz Europa geraten die Briefzusteller, die aus den traditionellen staatlichen Postbehörden hervorgegangen sind, von zwei Seiten unter Druck: Zum einen werden die Briefe weniger, ohne dass deswegen die Stellenzahl merklich reduziert werden könnte. Zum anderen nagen private Newcomer am Geschäft, die keinen hoheitlichen Auftrag wahrnehmen müssen und sich die lukrativen Teile bei der Zustellung herauspicken können.

Deutsche Post dementiert Briefausstieg

Die teilstaatliche Deutsche Post dementiert aufs Schärfste, bereits Pläne für den Briefausstieg fertig in der Schublade zu haben und kurz vor der Rückgabe ihrer Beförderungspflicht an den Staat zu stehen. Die Tendenz ist aber klar: Schon seit einem Jahr werden Briefe in Deutschland nicht mehr per Flugzeug befördert. 

Und mit der Postreform zum 1. Januar 2025 hat der „Universaldienstleister“ Post mehr Zeit, Briefe regulär zuzustellen: Statt in überwiegender Zahl am übernächsten Tag beim Empfänger zu sein, sind es nun drei Tage, auf dem Lande auch mehr. Und nur in Großstädten gibt es gesichert an sechs Wochentagen Post. Wie rührend wirkt da noch die Bemerkung des früheren Postchefs Klaus Zumwinkel, dass „wir künftig noch mehr als bisher 95 Prozent der Briefe am nächsten Tag zustellen”. Die eigenwillige Logik dieser Rechenkunst ist heute vergessen, viele legendäre Briefgeschichten sind es dagegen nicht.

Bei der Eilzustellung gestorben

Die Briefzustellung muss kurz nach Erfindung der Schrift entstanden sein – Dokumente sind nicht überliefert. In der Antike allerdings wurden Briefe schon regelmäßig befördert, in Ägypten naheliegenderweise per Wasserpost – der Nil bot sich eben an. In den restlichen Altertumskulturen gab es berittene Boten mit meist mündlichem Auftrag, teils Läufer. Unvergessen Pheidippides, der nach dem Sieg über die Perser bei Marathon 490 v. Chr. zwar mitsamt seiner Kurzmitteilung („Sieg!”) noch Athen erreichte, dort aber sogleich verstarb. Wahrscheinlich nicht das erste, aber sicher berühmteste Opfer der Eilzustellung.

Reiterkuriere mit Briefen und Paketen ritten zwar des öfteren ihre Pferde zu Schaden, überlebten aber selbst in großer Zahl. An Poststationen in ganz Europa wurden die Tiere gewechselt, dann ging es weiter. Das war der Goldstandard der Post vom alten Rom bis in den Wilden Westen mit seinem Ponyexpress, der ab 1860 für ein Jahr Furore machte. Briefe brauchten mit dem Reiter-Stafettensystem rund zehn Tage von Missouri bis zur kalifornischen Küste, immerhin 3200 Kilometer und durch eher unwirtliche Gegenden mit feindlich gesonnenen Indianern, von Naturhindernissen ganz zu schweigen. 

Die Eisenbahn war der schärfste Pony-Konkurrent

Von feiner Klugheit des Erfinders Wiliam H. Russell zeugte es, dass nur relativ leichtgewichtige und familiär ungebundene junge Leute bis 18 Jahre genommen wurden – am liebsten hatte man Waisen auf den Ponys. Schwerere Sendungen und gar Geld- und Goldtransporte übernahmen Postkutschen, die für spannende Unterhaltung noch Generationen später sorgten. Der Pony-Express allerdings wich bereits 1861 der neuen Telegraphenleitung, die Postkutsche diente auf allen Seiten des Atlantiks noch viele Jahre. 

Die schärfste Pony-Konkurrenz kam auf Gleisen. Wobei die Eisenbahn-Postwaggons angesichts des Tempos der Lokomotiven nicht gegen Überfälle immun waren. Aber auch größeres Tempo half am Ende nicht – der „Große Postraub” von 1963 erbrachte nach heutigem Wert 46 Millionen Euro, und die Täterbande konnte zunächst entkommen. Vielleicht typisch britisch, dass die gewaltlos vorgehenden Delinquenten schnell zu Volkshelden avancierten. Man fasste bald zwölf der Täter, Bandenchef Bruce Reynolds ging 1968 ins Netz, und der berühmt-berüchtigte Ronald Biggs brach schon 1965 wieder aus dem Gefängnnis aus und narrte fortan die Polizei auf drei Kontinenten, ehe er zurück in Großbritannien 2009 begnadigt wurde. In Deutschland fesselte eine der zahlreichen Verfilmungen die Fernsehzuschauer mehrteilig schon 1966.

Der verzweifelte Versuch, die Briefe auf der Titanic zu retten

Rund sieben Millionen Briefsendungen, Wertbriefe und Einschreiben, darunter 600.000 aus Deutschland, die mit der „Titanic” 1912 untergingen, beschäftigen noch heute Forscher und Sammler. Die heroische Geschichte der Postler an Bord auch: Die fünf Mitarbeiter des britischen Postamtes auf der Titanic hievten nach der Kollision des Schiffes mit dem Eisberg die schweren Säcke verzweifelt über mehrere Decks nach oben – obwohl auf der Brücke längst bekannt war, dass die Titanic sinken würde. 

Alle fünf Postler kamen im eisigen Atlantik ums Leben. Einige Postsäcke schwammen auf dem Wasser und wurden geborgen; es gibt sogar Briefe, die von Expeditionen zum Wrack in der Tiefe hoch geholt wurden – natürlich in keinem guten Zustand. 

Auch Napoleon schrieb liebe Briefe

"Seit ich dich verlasse, bin ich stets traurig. Mein Glück besteht einzig darin, dir nahe zu sein. Stets erinnere ich mich an deine Liebkosungen, deine Tränen, deine zärtliche Sorge. Die unvergleichliche Joséphine entzündet in meinem Herzen ein brennendes und feuriges Verlangen…” – diese Zeilen schrieb Napoleon Bonaparte von einem seiner Feldzüge an seine verehrte Joséphine, kurz nach ihrer Hochzeit. 

Dass die Antworten der Kaiserin eher kühl ausfielen und manchmal gar ganz ausblieben, soll den französischen Feldherrn schier um die Contenance gebracht haben. Immerhin sind seine romantischen Züge für die Nachwelt erhalten; sie zu erleben, war nicht vielen vergönnt, jedenfalls nicht vor Moskau oder auf einem anderen Kriegsschauplatz.

89 Jahre brauchte ein Brief

Das Schicksal mancher Schreiben offenbart sich auch erst Jahrzehnte nach der Einlieferung bei Post oder Feldpost. 89 Jahre brauchte ein Brief, der dann 2021 in England doch noch zugestellt wurde. Zum Glück waren die Nachfahren des Empfängers ihrem Wohnsitz treu geblieben. In den USA dauerte es in einem Fall 83 Jahre, bis eine Sendung zugestellt wurde – immerhin ein Beleg dafür, dass die Post nie aufgibt. Außer vielleicht, das ganze Business. Womit wir wieder beim Abschied der Dänen von ihren Briefen samt Briefkästen wären.


Artikel verfasst von Business Punk