Bilder vom Fasching 1953 in Gmund: Archivar sucht Zeitzeugen
Im Fasching 1953 ließen es die großen und kleinen Gmunder krachen. Davon geben die Bilder, die Gerhard Seidl bekommen hat, lebendiges Zeugnis. Der Gemeindearchivar bittet um Hilfe der Bevölkerung.
Gmund – Der Fasching 1953 war kalt am Tegernsee und schneereich. Als sich der Gaudiwurm damals durch Gmund schlängelte, trugen die Zuschauer am Straßenrand dicke Mäntel und Mützen – und die Wägen Schneeketten. Ein heißes Thema war damals unter anderem die „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“, kurz EVG, über die seit 1950 verhandelt wurde mit dem Ziel, eine gemeinsame europäische Armee zu schaffen. Das Projekt scheiterte letztlich. Stattdessen kam es 1954 zur Gründung der „Westeuropäischen Union“, und 1955 wurde der Beitritt Deutschlands zur Nato beschlossen und vollzogen. „Ist es schön, ein Soldat zu sein?“ war damals ironisch auf einem der Wagen zu lesen, und gleich mehrere Nachbauten von Raketen wurden vom Faschingsvolk beklatscht.

Die Bilder stammen von Fotograf Friesch
Fotografisch festgehalten wurde all das vom Gmunder Alois Friesch (1920-2007), der, ebenso wie sein Bruder Fritz Friesch (1915-1943), als Fotograf arbeitete und bis etwa 1970 ein bereits von seinem Vater eröffnetes Fotoatelier an der Tölzer Straße in Gmund betrieb. Was nicht im Atelier entstand, sondern ihm vor die Linse lief, lichtete Alois Friesch ab – darunter Mädchen und Buben, die sich als Charlie Chaplin, als Wuidara, Prinz, Prinzessin oder einfach als Irgendwer mit Hut verkleideten.
Es war am 7. November 2016, als Heidi Fritz, die Tochter von Alois Friesch, dem damals von Beni Eisenburg geleiteten Gmunder Gemeindearchiv eine Schuhschachtel übergab. Darin: Negativstreifen von etwa 1200 Bildern.

Detektivarbeit für den Gemeindearchivar
Gerhard Seidl (76), seit 2021 offiziell Nachfolger Beni Eisenburgs als Heimat- und Archivpfleger, machte sich ans Werk. „Ich habe alle Negativstreifen durchgesehen und den größten Teil digitalisiert und beschriftet“, berichtet Gerhard Seidl. Er stieß auf eine fotografische Zeitreise durch die Jahre 1950 bis 1960, eine Reise, die sich natürlich nicht nur auf den Fasching beschränkte. Landschaften, Häuser, Hochzeiten, sonstige Festivitäten sowie Personen und Porträts waren darunter. Aber auch Fotos, die wichtige Ereignisse in Gmund festhielten.
„Besonders umfangreich ist das Fotomaterial zum Neubau der Straßenbrücke über die Mangfall 1955 und die zeitgleich laufende Straßenverbreiterung von Gmund bis Tegernsee“, berichtet Seidl, der auch die passenden Texte und Erklärungen dazu recherchiert und regelmäßig im Gmunder Gemeindeboten veröffentlicht. So schreibt er etwa zur Mangfallbrücke, die 1828 erbaut und ebenso wie die Bahnbrücke nur wenige Tage vor Kriegsende am 2. Mai 1945 von den Leuten der SS-Panzer-Grenadier-Division „Götz von Berlichingen“ gesprengt wurde. Seidl berichtet von der schon in der Nacht auf 4. Mai 1945 errichteten Notbrücke, die erst im Winter 1955/56 durch einen Neubau ersetzt wurde. Auch von einem Notsteg für Fußgänger und Radfahrer sowie einem zweiten Steg ist die Rede. Schneller ging’s laut Seidl mit der Eisenbahnbrücke: Ihre Einweihung erfolgte bereits am 6. Mai 1946, so dass die Bahn wieder bis Tegernsee fahren konnte.

Meine news
Fotoausstellung für 950-Jahr-Feier ist geplant
Neben dem Friesch-Fundus hat Seidl bisher weitere 900 Fotos, Negative und Dias digitalisiert. Dazu mehrere Ortschroniken, Firmen-, Familien- und Häuserchroniken, historische Aufzeichnungen, Familienstandsbögen, sogenannte Reichsnährstandslisten und vieles mehr. Ganz intensiv arbeitet er mit an einem Buch über Persönlichkeiten und Originale in Gmund, das heuer von den Heimatfreunden herausgegeben werden soll. Auch sollen die Hefte der Häuserchroniken weiter erscheinen. „Ein Riesen-Aufwand“, sagt Seidl, der zudem für 2025 einen historischen Kalender plant und an einer Fotoausstellung anlässlich der 950-Jahr-Feier von Gmund 2025 mitarbeitet.
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Die Forscher-Arbeit fesselt Gerhard Seidl täglich aufs Neue. „Allerdings macht es archivarisch keinen Sinn, Fotos zu digitalisieren, auf denen Personen abgebildet sind, die nicht mehr zuzuordnen sind“, sagt der Moosrainer und kommt zurück zum Fasching 1953, wo er zwar auf viele lustige und interessante Aufnahmen stieß, ihm aber Namen fehlen. „Die Kinderaufnahmen sind doch zu schade, um sie einfach nur abzulegen“, sagt Seidl und bittet um Mithilfe. Wer kennt die abgebildeten Personen, die heute vielleicht um die 78 bis 84 Jahre alt sein könnten? „Über Rückmeldungen würden wir uns freuen“, sagt Seidl, der damit wieder einen interessanten Beitrag zur Gmunder Gemeindegeschichte leisten möchte.

Infos von Zeitzeugen gesucht
Hinweise zu den Faschingsbildern, von denen weitere vorliegen, nimmt Gemeindearchivar Gerhard Seidl entgegen unter 0 80 21 / 5 04 27 94 oder seidl-gerhard@gmx.de.