„Der Tod ist bei diesen Fahrten kein Thema“: Wenn letzte Wünsche in Erfüllung gehen

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„Der Tod ist bei diesen Fahrten kein Thema“, sagt Ingrid Moser aus Gmund, die sich ehrenamtlich beim Wünschewagen des ASB München engagiert. Nach ähnlichem Prinzip will das Bayerische Rote Kreuz im Kreis Miesbach ein sogenanntes Herzens㈠wunschmobil etablieren. © Steffen Gerber

Ein letzter Besuch im Zoo, ein Spaziergang am See oder Kaffeetrinken in Venedig: Ingrid Moser aus Gmund begleitet ehrenamtlich mit dem Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes München Schwerstkranke an Sehnsuchtsorte. Nach ähnlichem Prinzip will das Bayerische Rote Kreuz ein Herzenswunschmobil für den Landkreis Miesbach auf den Weg bringen.

Lange bevor Ingrid Moser ihr Ehrenamt bei einem Wünschewagen aufnahm, hatte sie schon einmal einen Todkranken auf Reisen begleitet. Ihr Mann litt zu jener Zeit an Amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer nicht heilbaren Erkrankung des motorischen Nervensystems. Es war sein Wunsch, noch einmal nach Hamburg zu fahren, um die dort studierende Tochter zu besuchen. „Wir wussten nicht, dass es unsere letzte gemeinsame Reise sein wird“, erinnert sich Ingrid Moser. Nicht zuletzt, weil ihr Mann zu dieser Zeit bereits auf den Rollstuhl angewiesen war und zur Versorgung diverse medizinische Geräte benötigte, beschloss Ingrid Moser, ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil zu mieten: „Da hatten wir alles an Bord, was wir brauchten.“

Als die Gmunderin ein passendes Wohnmobil im Internet gefunden hatte und es in natura sah, packte sie doch der Respekt vor der eigenen Courage. Gewiss, sie hatte bereits Wohnmobile gefahren, „aber dieses hier war mit seinen mehr als sieben Metern Länge eine andere Dimension“.

Herzenssache: Noch einmal das tun, was jemandem wirklich am Herzen liegt

Doch als sie dann in dem Gefährt über die Autobahn rollten, spielten Zweifel keine Rolle mehr: „Ich habe Musik von den Beatles aufgelegt, und mein Mann hat mich angestrahlt mit einem Lachen, das aus seinem tiefsten Innersten kam“, erzählt Moser. Dabei formte er die Hand zum Daumen-hoch-Zeichen – sprechen konnte er aufgrund seiner fortschreitenden Krankheit nicht mehr. „In dem Moment war mir klar, wie wichtig es ist, jemandem in seiner letzten Lebensphase zu ermöglichen, noch einmal das zu tun, was ihm am Herzen liegt“, sagt Ingrid Moser. Einige Monate später starb ihr Mann, nur eine Woche nach seinem 61. Geburtstag.

Die Aktion „Leser helfen Lesern“

Von der Aktion „Leser helfen Lesern“ der Heimatzeitung profitieren in diesem Jahr der BRK-Kreisverband, das Bunte Haus in Miesbach sowie der Förderverein Warmbad Miesbach. Spenden können auf das Konto 13 300 bei der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee (BLZ 711 525 70), IBAN: DE04 7115 2570 0000 0133 00, eingezahlt oder überwiesen werden. Das Finanzamt anerkennt den Durchschlag der Überweisung bis zu einem Betrag von 300 Euro. Für Spenden über 300 Euro stellt das Landratsamt Quittungen aus (bitte vollständige Adresse angeben).

Es dauerte noch einige Jahre, bis Ingrid Moser ihr Ehrenamt als Fahrerin eines Wünschewagens einer professionellen Hilfsorganisation begann. Die Gmunderin, die im Büro einer Garten- und Landschaftsbaufirma arbeitet, hatte bereits ein langjähriges ehrenamtliches Engagement bei der Tafel. Doch als sie auf dem Bad Feilnbacher Apfelmarkt auf den Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bunds München (ASB) aufmerksam wurde und sich über Angebot und Aufgaben informierte, war der Entschluss rasch gefasst, sich dort zu engagieren. Hatte sie doch nicht vergessen, wie wertvoll die gemeinsame Fahrt im Wohnmobil für ihren Mann damals war.

Inzwischen gehört sie seit vielen Monaten zum Team der Wunscherfüller und fährt mit dem ASB-Wünschewagen Schwerstkranke an Sehnsuchtsorte und zu besonderen Ereignissen. Das Angebot ist für die Fahrgäste und eine Begleitperson kostenlos und finanziert sich komplett aus Spenden. Nach ähnlichem Prinzip soll das Herzenswunsch㈠mobil funktionieren, das der Miesbacher Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes im Landkreis etablieren will. Bisher gibt es ein solches Angebot noch nicht im Kreis Miesbach. Um Fahrzeug sowie Betriebskosten finanzieren zu können, ist das BRK auf Spenden aus der Aktion „Leser helfen Lesern“ unserer Zeitung angewiesen.

Zehn Fahrten allein in diesem Jahr – Oft sind es „ganz einfach Dinge“

Etwa zehn Fahrten hat Ingrid Moser allein in diesem Jahr selbst durchgeführt oder begleitet, darunter auch mehrtägige. Insgesamt hat der Wünschewagen des ASB München heuer schon 83 Fahrten durchgeführt. „Oft wünschen sich unsere kranken Fahrgäste ganz einfache Dinge, zum Beispiel noch einmal in den Zoo zu gehen oder ihre Wohnung zu besuchen, die sie seit dem Umzug ins Pflegeheim nicht mehr gesehen haben.“ Manche wünschen sich eine letzte Fahrt in die Berge, zu einem Konzert oder an einen See, den sie früher oft besucht haben, um dort noch einmal Spazieren und Kaffeetrinken zu gehen. Ingrid Moser brachte schon einen Schwerstkranken zur Hochzeit seines Sohnes und ermöglichte einem Pflegebedürftigen, sich von seiner sterbenden Frau zu verabschieden, die weit entfernt in einem anderen Pflegeheim untergebracht war. Auch Kinder sind von Zeit zu Zeit unter den Fahrgästen.

Dabei arbeitet Ingrid Moser im Team mit weiteren Ehrenamtlichen, darunter mindestens eine medizinische Fachkraft, das ist Voraussetzung für die Fahrten. Ebenso wie die vorherige Bestätigung durch einen Arzt, dass die Fahrt für den Kranken machbar ist. Alle Begleiter werden im Rahmen von Schulungen auf ihren Dienst vorbereitet. Gesprächsführung mit Kranken und ihren Angehörigen stehen auf der Agenda, ebenso der sichere Umgang mit dem Spezialfahrzeug, die Handhabung von Defibrillatoren und rechtliche Aspekte beim Umgang mit Schwerstkranken. Auch werden regelmäßig Erste-Hilfe-Kurse zur Auffrischung angeboten.

Hohe Verantwortung – Die Schwerkranken stehen im Mittelpunkt

Wenn Ingrid Moser einen Schwerstkranken zur Fahrt abholt, macht sie sich behutsam mit den Gegebenheiten und der körperlichen Verfassung des Fahrgasts vertraut. Sie versucht, seine Gefühlslage zu erspüren und ihm mögliche Ängste zu nehmen. Schließlich tragen die Wunscherfüller eine hohe Verantwortung für den Menschen, der sich vertrauensvoll für einen ganzen Tag in ihre Obhut begibt.

Dankbarkeit – und das Vergessen des Todes

Belastet sie die Arbeit mit Sterbenden nicht? „Der Tod ist bei diesen Fahrten kein Thema“, sagt Ingrid Moser. „Wir versuchen, dem Fahrgast einen unbeschwerten Tag zu ermöglichen und die Wunschfahrt zu einem besonderen Erlebnis werden zu lassen. Dabei wird sogar oft gelacht, manchmal gesungen und viel erzählt.“ Sie erlebe jedes Mal, wie groß Freude und Dankbarkeit bei Fahrgästen und Angehörigen seien. „Für sie wird die verbleibende Zeit miteinander noch einmal mit schönen Erinnerungen aufgefüllt, von denen die Angehörigen auch später noch zehren können.“ Nicht zuletzt deshalb übt sie das Ehrenamt sehr gerne aus: „Für mich ist es mein bisher schönstes Ehrenamt. Es erfüllt mich auch mit Dankbarkeit dafür, dass es mir gut geht.“

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