Krieg im Nahen Osten - In israelischer Regierungssitzung bricht „totale Anarchie“ aus
Sechs Menschen bei israelischem Luftangriff im Westjordanland getötet
Sonntag, 7. Januar, 08.09 Uhr: Sechs Palästinenser sind bei einem israelischen Luftangriff im Westjordanland ums Leben gekommen. Das berichteten mehrere Medien am Sonntagmorgen übereinstimmend unter Berufung auf die palästinensische Gesundheitsbehörde in Ramallah. Der Angriff in der Stadt Dschenin traf demnach eine Zusammenkunft von mehreren Anwohnern. Laut lokalen Berichten kam es dort zuvor zu Gefechten zwischen Palästinensern und der israelischen Armee.
Bei dem Einsatz in Dschenin wurden vier israelische Grenzpolizisten durch die Explosion eines Sprengsatzes verletzt, wie mehrere Medien unter Berufung auf die Armee und die Polizei berichteten. Eine 19 Jahre alte Polizistin starb demnach später an ihren Verletzungen im Krankenhaus.
In Dschenin und auch Nablus, die beide von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet werden und als Hochburgen von Terrorgruppen gelten, finden regelmäßig Razzien des israelischen Militärs statt. Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Massaker der islamistischen Terrororganisation Hamas am 7. Oktober führt die israelische Armee derartige Razzien im Westjordanland noch häufiger durch. Das Militär hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, seitdem 2570 Verdächtige festgenommen zu haben. 1300 davon hätten Verbindungen zur Hamas.
Israel: Hamas-Struktur im Norden Gazas demontiert
21.24 Uhr: Der israelische Militärsprecher hat die militärische Struktur der islamistischen Hamas im Norden des Gazastreifens als demontiert beschrieben. Sprecher Daniel Hagari sagte am Samstag, die Hamas habe vor Kriegsbeginn vor drei Monaten im Norden des Küstenstreifens über zwei Brigaden mit zwölf Regimentern verfügt. „Insgesamt waren es etwa 14 000 Terroristen“, sagte Hagari. Es seien seitdem zahlreiche Kommandeure getötet sowie Waffen und Munition zerstört worden. Die Soldaten hätten unterirdische Tunnel gefunden und demoliert.
Allein im Flüchtlingsviertel Dschabalia im Nordabschnitt des Gazastreifen seien acht Kilometer unterirdischer Tunnel sowie 40 Eingänge gefunden worden, sagte Hagari. In dem Bereich funktioniere die Hamas nicht mehr auf organisierte Weise. „Es gibt in Dschabalia immer noch Terroristen, aber jetzt agieren sie ohne Rahmen und ohne Kommandeure.“ Er erwarte aber weiter sporadische Raketenangriffe auf Israel aus diesem Bereich.
Hisbollah meldet massiven Beschuss Israels - Armee schießt zurück
Samstag, 06. Januar, 10.28 Uhr: Die Schiitenmiliz Hisbollah hat am Freitag nach eigenen Angaben insgesamt 62 Raketen vom Libanon aus auf Israel abgeschossen. Das waren mehr als an vergangenen Tagen seit Beginn des Gaza-Kriegs Anfang Oktober. Ziel des Angriffs sei eine Militärbasis bei dem Ort Meron in Nordisrael gewesen, fügte die mit dem Iran und der islamistischen Hamas im Gazastreifen verbündete Miliz hinzu.
Bei dem Angriff handele es sich um eine „erste Reaktion“ auf die Tötung des zweithöchsten Anführers der islamistischen Hamas im Ausland, Saleh al-Aruri, am Dienstag in Beirut, betonte die Hisbollah. Die Hisbollah sieht Israel hinter der Tat. Allerdings beschießt die Miliz das Land schon seit Beginn des Gaza-Krieges mit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober fast täglich vom Libanon aus.
Die israelische Armee bestätigte den Angriff bei Meron und sprach von rund 40 Geschossen, die beim Anflug auf Israel identifiziert worden seien. Einer der Abschussorte im Libanon sei unter Feuer genommen worden. Aus libanesischen Sicherheitskreisen hieß es, auch das christliche Dorf Rmesch im Südlibanon sei von Israel aus heftig beschossen worden. Kampfflugzeuge würden zudem die Orte Hula und Jarun beschießen.
Die Lage im Grenzgebiet sei sehr angespannt, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen weiter. Die UN-Beobachtermission Unifil habe die zweithöchste Alarmstufe ausgerufen. Soldaten der der sogenannten Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon, die seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon überwacht, müssten Schutzwesten und Helme tragen sowie sich in der Nähe von Bunkern aufhalten. Über mögliche Opfer auf beiden Seiten der Grenze wurde zunächst nichts mitgeteilt.
Israel fordert für die Sicherheit seiner Bürger im Norden des Landes, dass sich die Hisbollah-Miliz von der Grenze zurückzieht, und hat gedroht, dass es dafür notfalls auch militärische Mittel einsetzen könnte, falls diplomatische Bemühungen nicht zum Erfolg führen sollten.
In israelischer Regierungssitzung bricht „totale Anarchie“ aus
17.10 Uhr: Drei Monate nach Beginn des Gaza-Kriegs ist es bei einer Sitzung des israelischen Kabinetts Medienberichten zufolge zu einem heftigen Streit zwischen rechtsgerichteten Ministern und Generalstabschef Herzi Halevi gekommen. Die Minister hätten den General scharf angegriffen, nachdem er die Einsetzung einer Kommission angekündigt habe, die untersuchen soll, welche Fehler der Armee den Überraschungsangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober auf Israel ermöglicht haben.
Bei der Sitzung in der Nacht zu Freitag sei es zu einem „lauten und wütenden Streit“ gekommen, berichteten mehrere Medien übereinstimmend. Der staatliche Sender Kan zitierte einen Teilnehmer mit den Worten, es sei „totale Anarchie“ ausgebrochen.
Regierungschef Benjamin Netanjahu habe die Sitzung, bei der es eigentlich um die Zukunft des Gazastreifens nach dem Krieg gehen sollte, schließlich vertagt, nachdem mehrere Militärs erbost den Raum verlassen hätten, so die von der Regierung zunächst unbestätigten Medienberichte weiter. Halevi sei verbal persönlich angegriffen worden. Die rechten Kabinettsmitglieder hätten vor allem den Zeitpunkt der angekündigten Untersuchung kritisiert, während die Kämpfe noch andauerten. Auch die Berufung des früheren Verteidigungsministers Schaul Mofas an die Spitze der Untersuchungskommission sei auf scharfen Protest gestoßen.
Kibbuz-Bewohner offiziell tot - Hamas hält Leiche in Gaza fest
14.53 Uhr: Der Kibbuz Nir Oz hat den Tod seines Einwohners Tamir Adar bekanntgegeben, der bislang als Geisel im Gazastreifen vermutet worden war. Entgegen bisheriger Annahmen, wonach der 38-Jährige noch am Leben sei, wurde Adar bereits am 7. Oktober bei der Verteidigung des Kibbuz gegen den Angriff der islamistischen Hamas getötet, wie der Kibbuz am Freitag unter Berufung auf eine entsprechende Bestätigung der israelischen Armee mitteilte. Seitdem werde seine Leiche im Gazastreifen festgehalten, hieß es weiter.
Allein im Kibbuz Nir Oz im Süden Israels töteten oder verschleppten Kämpfer der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas bei ihrem Überfall am 7. Oktober etwa hundert der insgesamt vierhundert Bewohner - darunter auch Tamirs Großmutter Jaffa Adar. Auf einem Video im Internet ist zu sehen, wie die 85-Jährige auf einer Art Golfwagen entführt wird. Im November kam sie zusammen mit rund hundert weiteren Geiseln während einer einwöchigen von Katar und Ägypten vermittelten Feuerpause frei.
Weitere 161 Tote durch Gefechte zwischen Israel und Hamas
14.45 Uhr: Bei den anhaltenden schweren Kämpfen der israelischen Armee gegen die islamistische Hamas im Gazastreifen sind binnen 24 Stunden weitere 161 Menschen getötet und 296 verletzt worden. Wie die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde am Freitag mitteilte, stieg die Zahl der seit dem blutigen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober in dem Küstenstreifen durch Gegenangriffe Israels getöteten Menschen auf 22 600 und die der Verletzten auf 57.910.
Augenzeugen im südlichen Gazastreifen berichteten am Freitag von weiter schweren Gefechten in der Gegend der Stadt Chan Junis. Ständig seien schwere Detonationen und Schüsse aus leichten Waffen zu hören, berichtete ein dpa-Mitarbeiter. Die israelischen Truppen würden weiter in die Flüchtlingslager Nuseirat, Bureidsch und Maghasi vordringen. Bewohner seien mit Eselskarren auf der Flucht Richtung Rafah und in andere Teile von Chan Junis sowie nach Deir al-Balah, hauptsächlich zu Orten, die von der israelischen Armee als sichere Gebiete angegeben worden waren. Lebensmittel seien knapp und viele Menschen hätte nur noch prekäre Unterkünfte aus Plastikplanen.
Die israelische Armee teilte mit, sie habe bei Bureidsch und in Chan Junis mehrere Abschussrampen für Raketen zerstört, mit denen Israel beschossen werden sollte. Auch Kampfjets hätten in die Gefechte eingegriffen, bei denen eine ungenannte Zahl von Gegnern getötet worden sei. Seit Donnerstag seien im Gazastreifen insgesamt mehr als 100 Ziele angegriffen worden.
Ärzte berichten von grausamen Zuständen in Kliniken in Gaza
12.59 Uhr: Ausländische Hilfsorganisationen haben von grausigen Zuständen in den wenigen noch im Gazastreifen arbeitenden Krankenhäusern berichtet. „Wir sehen Verletzungen, die überwiegend durch Explosionen und Splitter verursacht wurden“, wird der Leitende Chirurg des Universitätskrankenhauses Oxford und Klinischer Leiter des Medizinischen Notfallteams, Nick Maynard, in einer Mitteilung der privaten Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) mit Hauptsitz in New York vom Freitag zitiert. „Viele Erwachsene, Kinder und Babys werden mit traumatischen Amputationen von Armen und Beinen eingeliefert. Wir haben kleine Kinder mit den furchtbarsten Verbrennungen im Gesicht gesehen“, fügte Maynard hinzu.
Flure, Treppenhäuser, Empfangsbereiche, Stationen - auf jedem Quadratzentimeter des Krankenhauses lägen Patienten auf dem Boden, sagte er. Viele seien zudem schwer unterernährt.
Ein erstes Medizinisches Notfallteam von Medical Aid for Palestinians (MAP/Großbritannien) und International Rescue Committee (IRC) seien inzwischen in einem Krankenhaus im Gazastreifen im Einsatz, um die vielen Opfer israelischer Bombardierungen zu versorgen, berichtete IRC weiter. „Die Szenen in Gaza sind erschütternd. Schon in den ersten Stunden im Krankenhaus behandelte ich einen etwa einjährigen Jungen, der bei der Bombardierung seinen rechten Arm und sein rechtes Bein verloren hatte - auf dem Boden, da keine Tragen zur Verfügung standen“, berichtete die Kinderärztin Seema Jilani von IRC. „Waisenkinder und Babys kommen mit schweren Verbrennungen an, stehen unter Schock, zittern vor Angst und leben kaum noch. Mein Herz bricht für die Kinder in Gaza“, sagte die Frau.
76.000 Menschen im Libanon seit Kriegsbeginn vertrieben
Freitag, 5. Januar, 12.53 Uhr: Im Libanon haben zehntausende Menschen in den vergangenen drei Monaten aufgrund der anhaltenden Kämpfe an der Grenze zu Israel ihr Zuhause verlassen müssen. Wegen der zunehmenden Gefechte im libanesisch-israelischen Grenzgebiet seit Beginn des Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas wurden im Libanon 76.018 Menschen vertrieben, insbesondere im Süden, hieß es in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM).
Dem Bericht zufolge fanden mehr als 80 Prozent der vertriebenen Libanesen Zuflucht bei Verwandten, zwei Prozent sind demnach in Sammelunterkünften im Süden des Landes untergebracht, vor allem in der Küstenstadt Tyrus und in der Region Hasbaja. Die restlichen Einwohner des Grenzgebiets haben demnach Wohnungen angemietet oder sind in entlegeneren Regionen weitab vom Kampfgeschehen untergebracht, erklärte die UN-Organisation.
Seit Beginn des Kriegs im Gazastreifen zwischen Israel und der Hamas haben auch die Gefechte im Norden Israels stark zugenommen. Während US-Außenminister Antony Blinken im Zuge seines vierten Nahostbesuchs auf dem Weg in die Region war, kam es auch am Freitag zu heftigen Schusswechseln zwischen der israelischen Armee und der vom Iran unterstützten und mit der Hamas verbündeten Hisbollah im Südlibanon.
Seit Beginn des Krieges greift auch die schiitische Hisbollah-Miliz Israel nahezu täglich vom Südlibanon aus an. Die israelische Armee reagiert auf die Angriffe mit verstärkten Luftangriffen auf das Nachbarland, in dem auch mehrere Hamas-Funktionäre unter dem Schutz der Hisbollah leben. Zuletzt drohte die Hisbollah mit Vergeltung für die Tötung der Nummer zwei der Hamas, Saleh al-Aruri, durch einen Israel zugeschriebenen Luftangriff in Libanons Hauptstadt Beirut.
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