Merz bastelt an neuem Sicherheits-Abkommen gegen Putin – und lässt Trump außen vor
Immer wieder drohte US-Präsident Trump mit dem Rückzug aus der NATO. Nun reagieren Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit einem Dreiecksbündnis.
Berlin/London/Paris – Seit der Amtseinführung Donald Trumps (20. Januar) und dem Beginn seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident erwog der Republikaner mehrmals öffentlich, die USA aus dem NATO-Verteidigungsbündnis zurückzuziehen. Auch mit einem Abzug der US-Truppen aus Europa drohte Trump. Während weiterhin unklar ist, wie ernst es der Republikaner im Zuge seiner „America First“-Politik mit einem Rückzug aus der NATO meint, ist es dennoch ein klares Signal an die übrigen Bündnispartner, im Notfall womöglich nicht mehr auf die Hilfe der Vereinigten Staaten setzen zu können. Während das Vertrauen ins Weiße Haus schwindet, regt sich etwas in Europa: Mit Blick auf eine nicht auszuschließende Bedrohung Russlands und der Unberechenbarkeit der Trump-Regierung rücken Frankreich, Großbritannien und Deutschland enger zusammen.
Europas „Waffenbrüder“ – Deutschland, Frankreich und Großbritannien rücken zusammen
Die Länder Europas müssen stärker kooperieren, und das auch in militärischer Hinsicht – darin sind sich europäische Regierungschefs und internationale Experten spätestens seit Beginn der zweiten Amtszeit Trumps als US-Präsident einig. Gleichzeitig wird in Europa reagiert: Am Donnerstag (17. Juli) unterzeichneten Großbritanniens Premierminister Keir Starmer und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in London ein breit gefächertes Abkommen für eine vertiefte Zusammenarbeit, den „Kensington Vertrag“.
Der deutsch-britische Freundschaftsvertrag umfasst engere Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Verteidigung, Wirtschaft und Migration. Er soll die bilaterale Koordination beider Länder vertiefen, wofür es unter anderem ein gemeinsames Gipfeltreffen in zweijährigem Rhythmus geben soll. Auch bei Forschung und Energie- und Klimapolitik soll stärker kooperiert werden, doch der Fokus des Vertrags liegt auf der Zusammenarbeit hinsichtlich Außen- und Sicherheitspolitik sowie Verteidigung. Mit Blick auf das Treffen von Großbritanniens Premier Starmer mit Frankreichs Regierungschef Emanuel Macron eine Woche zuvor (10. Juli), schrieb die New York Times mit Blick auf die erneuerten Kooperationen in Europa gar von Europas neuen „Waffenbrüdern“ („Brothers in Arms“).
Vor dem Besuch bei Premierminister Starmer in London sprach Merz bereits von einem Dreiecksbündnis
Mit Unterzeichnung ihres „Entente Industrielle“ verständigten sich Macron und Starmer in London auf eine Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen in der Sicherheitspolitik und Verteidigung. Wie das Atlantic Council hinweist, beschlossen die beiden Staatschefs dabei neue Vereinbarungen zum Ausbau der industriellen Rüstungsproduktion. Sie umfasst zusätzliche Aufträge für die britisch-französische Storm Shadow, die die Ukraine zu ihrer Verteidigung gegen Russland einsetzt und auch weiterhin benötigt. Daneben zielt ihr Abkommen auch auf eine stärkere Zusammenarbeit hinsichtlich Spitzentechnologien zur Unterstützung der kollektiven Verteidigung ab, zu denen Supercomputer, künstliche Intelligenz und Satellitenkonnektivität zählen.
Internationale Medien wie die New York Times und der britische Guardian berichteten hinsichtlich der vertieften Beziehung Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens bereits von einem neuen Dreiecksbündnis, das sich aktuell in Europa zusammensetze – und zwar ohne die USA. Auch Bundeskanzler Merz hatte nach Unterzeichnung des britisch-französischen Abkommens eine Woche vor seinem Besuch in London gesagt, das Rüstungsabkommen Großbritanniens und Frankreichs solle zu einem „Dreierpakt“ erweitert werden, wobei sich Merz dabei zunächst vor allem auf das Bemühen einer Antwort auf die illegale Migration bezog.
Beobachter halten eine Zusammenarbeit Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens für unabdingbar
Internationale Experten sehen eine engere Zusammenarbeit europäischer Staaten als notwendig an, um angesichts der Unsicherheit um eine Unterstützung durch die USA auf Angriffe reagieren zu können, sollten diese eintreten. „Sie verhalten sich nicht gegen die USA oder völlig losgelöst von den USA, aber sie müssen ihre eigenen Entscheidungen treffen und die Verantwortung für ihre eigenen Entscheidungen übernehmen“, wird Lawrence Freedman, emeritierter Professor für Kriegsstudien am King‘s College London, von der New York Times zitiert. Damit resümiert er es als essenziell für Europa, auch ohne sicherheitspolitischen Verlass auf die USA unter Trump zu handeln und sich vor potenziell künftigen Bedrohungen zu wappnen.
Dass die jüngst geschlossenen Verträge das sogenannte E3-Format – also die sicherheitspolitische Kooperation Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens – wiederbeleben, meint auch Nicolai von Ondarza, Leiter der Forschungsgruppe EU/Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) des Deutschen Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. In unsicheren Zeiten durch die von Trump geschürten Zweifel an der Verbundenheit des transatlantischen Bündnisses sei das E3-Format eine „stabile Plattform“.
Steven E. Sokol, Präsident des gemeinnützigen American Council on Germany, begrüßte die verstärkte Zusammenarbeit, äußerte jedoch die Sorge, dass sie letztendlich Washington schaden könnte. „Wenn wir den Karren aus dem Dreck ziehen und einige unserer Verbündeten wegstoßen, werden sie andere Partnerschaften finden“, sagte er über die Politik der Trump-Regierung. „Ich frage mich, ob das im Endeffekt im besten Interesse der Vereinigten Staaten ist“, wird er von der New York Times zitiert. (fh)