Zweifel an Trumps Nato-Treue: Baerbock hofft auf Verbleib der USA – „Sehr, sehr wichtig“

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Droht immer wieder mit einem Austritt aus der Nato: US-Präsident Donald Trump. © Anna Ross/Uncredited/dpa/Montage

Offiziell stehen die USA zur Nato. Doch ist ein Austritt wirklich vom Tisch? Hinter den Kulissen bleiben Zweifel an Trumps Treue – auch wegen des Zollkriegs.

Brüssel – Das jahrzehntealte Bündnisversprechen steht weiter auf wackeligen Beinen: Trotz eines offiziellen Bekenntnisses der USA zur Nato bleibt die Sorge bei den europäischen Mitgliedern vor einem Austritt der großen Schutzmacht groß. Angesichts wachsender Spannungen zwischen den Kontinenten hat sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nur verhalten optimistisch über einen Verbleib der Amerikaner in der Verteidigungsallianz gezeigt.

Die Zusicherung von Außenminister Marco Rubio, dass auch der Kurs der aktuellen US-Politik darin besteht, Teil des Bündnisses bleiben wollten, sei „sehr, sehr wichtig“, sagte Baerbock zu Beginn eines Nato-Treffens in Brüssel. Doch wirklich sicher sein, kann sich wohl niemand. Denn der aufziehende Handelskrieg belastet die Beziehungen erheblich – und Top-Diplomaten schließen weiterhin nicht aus, dass US-Präsident Donald Trump am Ende nicht doch verärgert über die Europäer den Rückzug aus der Nato anordnet. Hinter den Kulissen laufen die Planungen für einen Notfallplan auf Hochtouren.

Austritt aus der Nato: Rubio versichert bei Treffen die Treue der USA – doch Zweifel bleiben

Die Befürchtungen über einen Austritt der USA aus der Nato sind nicht neu. Doch am Donnerstag hatte Rubio diese Sorge erst einmal zurückgewiesen. „Wir werden in der Nato bleiben“, versicherte er bei seiner Ankunft in Brüssel laut der Nachrichtenagentur AFP. Doch er knüpfte den Verbleib seines Landes in der Allianz an eine Bedingung. So erneuerte der US-Außenminister die Forderung aus Washington, die Nato-Mitglieder müssten ihre Militärausgaben auf fünf Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen.

Doch was ist dieses Versprechen wert? US-Präsident Donald Trump hatte höchstpersönlich in den vergangenen Monaten wiederholt die Beistandsverpflichtung innerhalb der Nato infrage gestellt und von den Nato-Partnern eine Aufstockung ihres Verteidigungsbudgets gefordert. Die Wortmeldungen aus Washington nährten bei Nato-Diplomaten in Brüssel Befürchtungen, die USA könnten sich zumindest teilweise aus der Nato zurückziehen. Befeuert wurde dies durch ein Geheimdokument des Pentagons, über das die Washington Post berichtete.

Geheimpapier lässt Gerüchte um Nato-Austritt der USA neu aufkommen

Demnach erwägen die USA eine Änderung ihrer Verteidigungs- und Beistandstrategie für andere Staaten. So enthüllte der Bericht, dass das US-Militär im Falle eines Angriffs eines feindlichen Staates nur ein Szenario für eine militärische Intervention in Erwägung zieht. Und bei diesem Verbündeten handelt es sich nicht um ein NATO-Mitglied, sondern um Taiwan, das die USA im Falle eines chinesischen Militärangriffs verteidigen wollen. Das geheime Memo räumte dabei auch ein, dass dieser Strategiewechsel das Risiko eines russischen Angriffs auf Europa erhöhe – ohne jedoch Pläne zur Reaktion darauf vorzulegen. 

Unabhängig überprüfen lässt sich der Bericht nicht. Selbst die Republikaner warnen davor, Trump nicht immer wörtlich zu nehmen. Doch im Nato-Hauptquartier scheint das Papier Alarmstimmung ausgelöst zu haben. Nato-Generalsekretär nannte laut der European Pravda das Memo immerhin eine ernstzunehmende Gefahr. Intern habe er aber die Devise ausgegeben, das Engagement der USA öffentlich nicht in Zweifel zu ziehen. Und so gibt es trotz einer gestiegenen Reisediplomatie von Nato-Ministern nach Washington in den vergangenen Tagen kaum eine Äußerung in diese Richtung. Doch hinter vorgehaltener Hand schwinde der Optimismus und die Maßnahmen der Bündnisführer sähen eher aus wie Versuche, das Schlimmste zu verhindern, zitierte das Blatt mehrere anonyme Quellen aus der Nato-Zentrale in Brüssel. 

„Es gibt keine Alternative“: Europa braucht den Atombomben-Schutzschild der USA

Tatsächlich wäre der Rückzug der USA aus der Nato für die verbleibenden Mitglieder eine Katastrophe. „Es gibt keine Alternative zu dem nuklearen Schutzschild, den uns die USA bieten“, erklärte Rutte höchstpersönlich in einer Rede bei einem Nato-Gipfel in Warschau und fügte hinzu: „Wenn man sich die Menge der Atomsprengköpfe ansieht, die Russland – und übrigens zunehmend auch China, das bis 2030 auf 1.000 Sprengköpfe anwachsen wird – auf uns richtet, sind die Vereinigten Staaten Amerika die einzige glaubwürdige nukleare Abschreckung und der ultimative Garant unserer Freiheit.“

Europäische Nato-Mitglieder spielen Szenarien für Austritt der USA durch

Dennoch wollen sich die Nato-Mitglieder auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten. Undenkbar erscheint es, dass sich die USA komplett aus der Nato zurückziehen. Möglich wäre, dass sie weiterhin zur Beistandregel nach Artikel 5 Mitglied in dem Bündnis bleiben, aber einen Großteil ihrer Truppen aus Europa abziehen. Durchgespielt wird auch die Variante, dass sich das US-Militär aus der gemeinsamen Kommandostruktur zurückzieht – ähnlich wie es Frankreich zeitweise gemacht hat. Doch für alle Szenarien brauchen die übrigen Mitglieder Zeit, um ihre eigenen Kapazitäten zu erhöhen und zu erweitern. Deswegen, so zitierte die European Pravda ihre Quellen, würden sich viele Gespräche darauf konzentrieren, mit den USA eine Übergangslösung im Fall der Fälle auszuhandeln, bei der die USA ihre Verantwortung schrittweise nach einem Zehnjahresplan an die Europäer verlagern.

Bloß nicht Trump verärgern: Handelskrieg um Zölle bringt Nato in die Zwickmühle

Doch die EU-Mitglieder stecken in einer Zwickmühle. Denn parallel zu seinen Drohungen mit einem Nato-Austritt hat Donald Trump einen Handelskrieg entfacht. Am Mittwoch verkündete er die Verhängung von Zöllen – auch gegen die EU-Länder. Für die Einfuhr von Waren muss nun ein Aufschlag von bis zu 25 Prozent gezahlt werden. Die Europäische Union (EU) hat bereits harte Gegenmaßnahmen angedroht. Konkrete Beschlüsse stehen dazu nicht fest. Doch bereits vor wenigen Tagen hatte die Europäische Kommission ein Paket für die Finanzierung von Rüstungsgeschäften geschnürt – und vorsorglich US-amerikanische Unternehmen ausgeklammert.

Im Weißen Haus kam das nicht gut an. Berater und Minister von Trump reagierten auf den sozialen Netzwerken mit Wutreden gegen die Europäer. Doch wie weit darf man Trump verärgern? Diese Frage stellen sich derzeit wohl viele Diplomaten aus Ländern, die in der EU und der Nato Mitglied sind. (jek)

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