E-Autos und seltene Erden: China setzt die EU unter Druck – und ignoriert Ukraine-Sorgen

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Mitte der Woche reist die EU-Spitze um Ursula von der Leyen nach Peking. Um seine Botschaften zu platzieren, setzt Chinas Staatschef Xi auf Schmeicheleien – und handfesten Druck.

In Brüssel machen sie jetzt offenbar Überstunden. Mitglieder der chinesischen EU-Vertretung hätten in den letzten Wochen alle 720 Abgeordneten des EU-Parlaments angesprochen, dazu deren Mitarbeiter, insgesamt also weit mehr als 1000 Männer und Frauen, hört man aus EU-Kreisen. Die Chinesen hätten zu Reisen in die Volksrepublik eingeladen – und sie hätten auf manche der Abgeordneten stundenlang eingeredet, um ihre Botschaften zu platzieren. Darunter jene, dass die Europäer angesichts eines erratisch agierenden US-Präsidenten doch bitte endlich erkennen mögen, dass an einer intensiveren Zusammenarbeit mit dem „verlässlichen Partner“ China kein Weg vorbeiführe.

Die zeitintensive Kampagne ist Teil einer Charmeoffensive, mit der die chinesische Regierung die durch Trump 2.0 verunsicherten Europäer für sich zu gewinnen sucht. Peking versuche alles, „um das Mindset über China hier zu verändern“, erzählt der EU-Abgeordnete Engin Eroglu, Leiter der China-Delegation des Europäischen Parlaments. Verfangen hat der Annäherungsversuch der Chinesen allerdings wohl nicht. Laut Eroglu ist zuletzt kaum einer seiner Kollegen nach China gereist. Er selbst fliegt diese Woche lieber nach Taiwan, den demokratisch regierten Inselstaat, den Peking als abtrünnige Provinz betrachtet.

Im Ukraine-Krieg steht China an der Seite Russlands

Auch den EU-China-Gipfel, zu dem Mitte der Woche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident António Costa in Peking erwartet werden, wird China kaum als diplomatischen Erfolg verbuchen können. Es ist das erste derartige Treffen seit gut anderthalb Jahren, und eigentlich gäbe es Grund zum Feiern: Vor 50 Jahren nahmen beide Seiten diplomatische Beziehungen auf. Für den EU-Abgeordneten Eroglu wäre es allerdings schon ein Erfolg, wenn es in China nicht zur „Eskalation“ kommt. Auf zwei Tage war der Gipfel ursprünglich angesetzt, jetzt muss ein Donnerstag reichen, um mit Staatschef Xi Jinping und Premierminister Li Qiang all die Differenzen zwischen China und der EU zu diskutieren. Ausräumen lassen dürften sich allerdings die wenigsten davon.

Xi Jinping und Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr in Paris.
Xi Jinping und Ursula von der Leyen im vergangenen Jahr in Paris. © Ludociv Marin/AFP

Die Beziehungen zwischen China und der EU befänden sich derzeit an einem „sehr schwierigen“ Punkt, sagt Abigaël Vasselier von der Berliner China-Denkfabrik Merics. Sie verweist auf die anhaltende Unterstützung der Chinesen für Russlands Krieg gegen die Ukraine, die in Brüssel für Unmut sorgt. China unterstützt den russischen Angriffskrieg weiterhin diplomatisch und wirtschaftlich und zudem mit der Lieferung von Dual-Use-Gütern, also Dingen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können.

Chinas Überkapazitäten machen den Europäern Sorge

Daneben seien es vor allem Handelsfragen, die einer Annäherung zwischen Brüssel und Peking im Weg stehen, sagt Vasselier. So fordert die EU besseren Zugang zum chinesischen Markt für europäische Unternehmen. Diese klagen seit langem, chinesische Unternehmen würden etwa bei Ausschreibungen gegenüber der ausländischen Konkurrenz bevorzugt.

Zudem steht das Thema Überkapazitäten ganz oben auf der Agenda der Europäer. Weil die chinesische Wirtschaft schwächelt und die Menschen ihr Geld zusammenhalten, können chinesische Unternehmen immer weniger Waren im eigenen Land absetzen. Allerdings steigt die Produktion in vielen Bereichen, vor allem, weil die chinesische Regierung einzelne Sektoren wie etwa E-Autos mit massiven Subventionen unterstützt. Diese Überkapazitäten werden dann zu Billigpreisen ins Ausland umgelenkt. Und weil die USA ihren Markt für chinesische Produkte mit Trumps Zöllen zunehmend abschotten, trifft diese Warenschwemme vor allem die EU, Unternehmen hierzulande geraten massiv unter Druck.

Als Gegenmaßnahme hatte die EU bereits vor einem Jahr Zölle auf in China hergestellte Elektroautos verhängt. Peking wirft deshalb seinerseits den Europäern vor, ihren Markt abzuschotten, und fordert die Aufhebung der Zölle. Auch über Medizinprodukte gibt es Streit. Die EU hatte im Juni chinesische Hersteller von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen und Peking wenig später mit ähnlichen Maßnahmen reagiert. Eine Einigung sei bei all diesen Fragen nicht zu erwarten, sagt Merics-Expertin Vasselier. Lediglich beim Thema Klimawandel könnten China und die EU möglicherweise Fortschritte erzielen.

China und Russland: „Sonst brauchen wir über andere Themen gar nicht erst reden“

Ein Problem ist, dass China sich einerseits als verlässlicher Partner präsentiert und durchaus zu kleinen Zugeständnissen bereit ist, solange diese nicht wehtun. So hob Peking zuletzt Sanktionen gegen mehrere EU-Abgeordnete auf. Gleichzeitig aber lässt China die Europäer immer wieder spüren, dass es in einigen Bereichen am längeren Hebel sitzt. Etwa bei Seltenen Erden, jenen Rohstoffen, die für viele Zukunftstechnologien unentbehrlich sind und vor allem in China verarbeitet werden. Zuletzt erließ Peking im April Ausfuhrbeschränkungen für sieben Seltene Erden in die EU – für Vasselier ein gezieltes Manöver, mit dem sich Peking im Umgang mit den Europäern Verhandlungsspielraum schaffen will. Auch dass China im Handelsstreit mit den USA einen vorläufigen Deal erzielen konnte, während die EU noch mitten in Verhandlungen mit der Trump-Regierung steckt, stärkt das Selbstbewusstsein der Chinesen.

Gleichzeitig scheint China noch immer nicht verstanden zu haben, wie einschneidend der Ukraine-Krieg für die Europäer ist. Peking glaubt, das Thema einfach ausklammern zu können, wenn es mit der EU über Handelsfragen spricht. Für Brüssel hingegen gehört beides zwingend zusammen. Dass die EU mit ihrem am Freitag verabschiedeten 18. Sanktionspaket gegen Russland auch zwei chinesische Finanzinstitute ins Visier genommen hat, versteht man in Peking nicht, am Montag sprach das dortige Außenamt von „erfundenen Anschuldigungen“. Wie eng sich China und Russland sind, machte unlängst ein Treffen zwischen dem chinesischen Außenminister Wang Yi und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas in Brüssel deutlich. Wang sagte laut Teilnehmern, seine Regierung wünsche sich keine russische Niederlage.

Der EU-Abgeordnete Eroglu fordert dennoch, China müsse alles dafür tun, dass der Krieg bald beendet werde. „Sonst brauchen wir über andere Themen gar nicht erst reden.“

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