Seltene Erden fehlen – ist in wenigen Wochen Schluss? Deutsche Autobauer bangen
Die deutsche Autoindustrie gerät unter Druck: Die knappe Versorgung mit Seltenen Erden aus China gefährdet die Produktion von E-Autos und Elektromotoren.
München – Der deutschen Autoindustrie droht eine neue Krise – und diesmal ist es nicht die Nachfrage oder der Fachkräftemangel, sondern der Nachschub seltener Rohstoffe, der die Produktion gefährdet. Die Verfügbarkeit von Seltenerdmetallen und den daraus hergestellten Magneten, die essenziell für Elektromotoren und E-Auto-Batterien sind, wird zunehmend weniger.
„In vier bis sechs Wochen dürften die letzten Lagerbestände verbaut sein. Dann werden Teile der Produktion eingestellt werden müssen“, warnt Christian Grimmelt von der Unternehmensberatung Berylls by AlixPartners laut Wirtschaftswoche. Die Ursachen liegen vor allem in der exportpolitischen Strategie Chinas, das den Markt für Seltene Erden de facto kontrolliert.
China schließt beim Export von Seltenen Erden den Hahn – mit System
Seit April hat China den Export dieser strategisch wichtigen Materialien spürbar eingeschränkt. Die Einführung eines Lizenzsystems führte zunächst faktisch zu einem Ausfuhrstopp, da funktionierende Vergabeverfahren fehlten. Inzwischen berichten Hersteller wie Volkswagen von ersten Exportlizenzen – allerdings in sehr begrenzter Zahl.
„Man erhält zwar Lizenzen, aber es ist nie sicher, ob die Ausfuhr nicht doch kurzfristig gestoppt wird – etwa wegen eines angeblichen Formfehlers“, zitiert das Magazin einen Insider aus der deutschen Automobilbranche. Diese Unsicherheit sei Teil einer gezielten Strategie Chinas, um politischen und wirtschaftlichen Druck auf den Westen auszuüben.

Erste Lieferungen von Seltenen Erden aus China, aber keine Entwarnung
Laut Reuters hat China kürzlich Exportgenehmigungen an mindestens vier Hersteller von Seltenerdmagneten erteilt, darunter Baotou Tianhe Magnetics, ein Zulieferer von Volkswagen. Demnach erhielt das Unternehmen Ende April eine Lizenz speziell für VW. Doch der Umfang bleibt begrenzt: Die Genehmigungen beziehen sich offenbar nur auf Kunden in Europa und Vietnam. Derzeit bleibt offen, ob diese Ausnahme langfristig Bestand hat oder nur eine temporäre Entlastung darstellt.
Die deutsche Autoindustrie reagiert zurückhaltend. Während Volkswagen mitteilt, dass aktuell keine Engpässe bestehen und die Versorgung mit betroffenen Bauteilen stabil sei, bleibt die Unsicherheit hoch. „Aufgrund der großen Komplexität und Volatilität ist es schwierig, auf Basis von Spekulationen verlässliche Vorhersagen zu treffen“, so eine Sprecherin von Mercedes gegenüber der Wirtschaftswoche.
Alternativen für Rohstoffe aus China gesucht – mit mäßigem Erfolg
Einige Hersteller wie BMW und Renault versuchen, sich unabhängig zu machen. BMW ist es gelungen, Elektromotoren ohne Seltene Erden zu entwickeln, indem herkömmliche Magneten durch neue Technologien ersetzt wurden. Mercedes wiederum reduziert durch neue Zellchemieentwicklungen den Bedarf an seltenerdhaltigen Materialien – ganz verzichten kann aber auch dieser Hersteller bislang nicht. Noch immer sind Seltene Erden in Batteriekomponenten, Lautsprechern und weiteren Bauteilen verbaut. Die vollständige Abkopplung von China bleibt also vorerst Illusion.
Diese Abhängigkeit entstand durch strategische Fehler in der Vergangenheit. Bereits seit den 1970er-Jahren wurde die umweltschädliche Gewinnung von Seltenen Erden aus Europa ausgelagert. China nutzte diese Gelegenheit und baute seine Marktmacht aus.
„Engpässe für Unternehmen sind nicht nur die Seltenen Erden selbst, sondern auch die daraus hergestellten Permanentmagneten“, sagt ein Brancheninsider in der Wirtschaftswoche. Heute kontrolliert China 87 Prozent der weltweiten Verarbeitungs- und 91 Prozent der Raffineriekapazitäten für diese Rohstoffe.