China lässt die Muskeln spielen: Seltene Erden plötzlich knapp – deutsche Autoindustrie unter Druck

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Dilemma für die deutsche Autoindustrie: Ohne Seltene Erden aus China stehen Fabriken still – doch Peking nutzt sein Quasi-Monopol als wirtschaftspolitisches Druckmittel.

Peking/Berlin - Seltene Erden sind die unsichtbaren Treiber der modernen Technologie – sie stecken in Elektroautos, Windrädern und Smartphones. Seit China im April Exportbeschränkungen für diese Rohstoffe eingeführt hat, stehen viele Industrien vor neuen Herausforderungen.

Die Auswirkungen zeigen sich längst auch in Deutschland, wo sie offenbar zunehmend die Automobilbranche bedrohen. Der angeschlagene Sektor sucht nach Lösungen, um Produktionsengpässe zu vermeiden – und damit auch Kurzarbeit.

Monopol bei seltenen Erden: Chinas Rolle im globalen Rohstoffmarkt

China hat sich über Jahrzehnte eine beispiellose Marktdominanz im Bereich seltene Erden aufgebaut. Das Land kontrolliert nicht nur 70 Prozent der weltweiten Förderung, sondern auch etwa 87 Prozent der globalen Verarbeitungskapazitäten. Besonders ausgeprägt ist Chinas Vormachtstellung bei Seltenerdmagneten, wo die Volksrepublik praktisch ein Monopol hält.

Diese marktbeherrschende Stellung verleiht Peking erheblichen politischen Gestaltungsspielraum. Die aktuellen Exportbeschränkungen, die als Reaktion auf US-Strafzölle eingeführt wurden, zeigen exemplarisch, wie schnell Handelskonflikte zu ernsthaften Versorgungsengpässen führen können. Zwar wurde das ursprünglich verhängte Exportverbot inzwischen gelockert, doch die neuen Regulierungen ermöglichen China weiterhin eine gezielte Steuerung der globalen Lieferströme nach politischen und wirtschaftlichen Erwägungen.

Abbau von seltenen Erden in China: Die Rohstoffe aus der Volksrepublik sind essenziell für die deutsche Autoindustrie
Abbau von seltenen Erden in China: Die Rohstoffe aus der Volksrepublik sind essenziell für die deutsche Autoindustrie. © Xinhua/Imago

Zulieferer und Hersteller: Deutsche Automobilindustrie im Krisenmodus

Besonders gravierend sind die Auswirkungen auf den Automobilsektor: Jeder moderne Elektromotor benötigt mehrere Kilogramm Seltenerd-Magnete, aber auch konventionelle Fahrzeuge sind auf die Metalle für Sensoren und Katalysatoren angewiesen. Der europäische Automobilzuliefererverband CLEPA meldet bereits erste Produktionsausfälle. „Angesichts der stark verflochtenen globalen Lieferketten führen Chinas Exportbeschränkungen bereits jetzt zu Produktionsstillständen im europäischen Zuliefersektor“, warnt CLEPA-Generalsekretär Benjamin Krieger in einer Mitteilung.

Die Genehmigungspraxis von China bleibe dabei äußerst restriktiv - nach Verbandsangaben werden nur etwa 25 Prozent der gestellten Exportanträge tatsächlich bewilligt. Die Auswirkungen zeigen sich bereits konkret in der Unternehmenspraxis: Während laut Reuters Suzuki die Produktion des Swift-Modells vorübergehend einstellen musste, ist nach Angaben des Portals CNBC hauptsächlich BMW von spürbaren Lieferengpässen betroffen.

Die Konkurrenten Volkswagen und Mercedes-Benz würden derweil noch von stabilen Lieferketten berichten. Doch die Sorge wächst: Christian Grimmelt von der Unternehmensberatung Berylls by AlixPartners prognostiziert in der Automobilwoche düstere Aussichten: „In vier bis sechs Wochen könnten Engpässe dafür sorgen, dass Teile der Produktion eingestellt werden müssen, wenn sich die Lage nicht verbessert.“

China drosselt Ausfuhr seltener Erden: Branchenübergreifende Auswirkungen

Das Krisenszenario angesichts der Maßnahmen aus China beschränkt sich nicht auf die Automobilbranche. Auch andere Schlüsselindustrien sind massiv betroffen, darunter das Militär der westlichen Länder:

  • Die Energiewende hängt entscheidend an Seltenen Erden. Eine einzige Offshore-Windkraftanlage benötigt tonnenweise Seltenerd-Magnete.
  • Die Verteidigungsindustrie benötigt die Metalle für Hochpräzisionswaffen und Radarsysteme.
  • Moderne Medizintechnik wäre ohne die kritischen Rohstoffe nicht denkbar.
  • Die Robotik und industrielle Automatisierung ist auf die Spezialmetalle angewiesen.

Wussten Sie schon?

Trotz ihres Namens sind Seltene Erden gar nicht so selten in der Erdkruste zu finden. Der Begriff bezieht sich vielmehr auf die besonderen Herausforderungen ihrer Gewinnung: Sie kommen nur in geringen Konzentrationen vor, ihr Abbau ist extrem aufwendig, und die chemische Trennung erfordert hochkomplexe Verfahren. Zusätzlich erschweren die erheblichen Umweltbelastungen eine Förderung in Europa, was die Abhängigkeit von Importen weiter verstärkt.

Deutschland und die Abhängigkeit von China: Peking verkündet Signal der Entspannung

VDA-Präsidentin Hildegard Müller betonte gegenüber CNBC die anhaltenden Herausforderungen: „Zwar wurden inzwischen einige Lizenzen erteilt, doch reicht dies derzeit nicht aus, um eine reibungslose Produktion zu gewährleisten.“

Nun gibt es jedoch Anzeichen für eine vorsichtige Entspannung, die auch der kriselnden deutschen Autoindustrie zugutekommt: Die EU-Handelskammer in Peking meldet nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur (dpa) eine steigende Zahl erteilter Exportgenehmigungen. Des Weiteren räumt China offenbar besonders dringenden Fällen Priorität ein, „um eine größere Krise zu vermeiden“, so der Bericht über die Stellungnahme aus der Volksrepublik.

Dennoch bleibt die Grundproblematik bestehen: Die Genehmigungspraxis ist nach wie vor restriktiv, und viele Unternehmen warten weiter auf dringend benötigte Lieferungen. Die aktuelle Entwicklung zeigt zwar erste positive Signale, kann aber nicht über die strukturelle Abhängigkeit von chinesischen Seltenerd-Lieferungen hinwegtäuschen.

Seltene Erden aus China: Langfristige Lösungsansätze für Deutschland

Warum die Volksrepublik China die Konditionen bei den wichtigen Rohstoffen derart beliebig diktieren: Es gibt ein Quasi-Monopol für 17 Elemente unter den Seltenen Erden. Die aktuelle Krise offenbart die Verwundbarkeit globaler Lieferketten und hält die Debatte über langfristige Lösungsstrategien am Laufen. Experten sehen vier zentrale Ansatzpunkte:

  1. Die dringend notwendige Diversifizierung der Lieferketten durch den Ausbau von Förderkapazitäten in Australien, den USA und Afrika.
  2. Eine massive Steigerung der Recyclingquoten - aktuell werden weniger als ein Prozent der Seltenen Erden wiederverwertet.
  3. Die Intensivierung der Materialforschung zur Entwicklung alternativer Technologien ohne Seltenerd-Metalle.
  4. Der Aufbau strategischer Reserven für kritische Rohstoffe, um für künftige Versorgungskrisen besser gewappnet zu sein.

Derweil kritisiert ein Ex-VW-Chef deutsche Energiepläne und fordert ein Umdenken. Er sieht China als Vorbild. (PF)

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