Bürgergeld für fünf Millionen Menschen: „Merz hat das Problem erkannt“
Sigmund Gottlieb kritisiert die deutsche Arbeitsmoral. Er sieht die Forderungen nach weniger Arbeit und mehr Lohn als absurd. Sein Kommentar:
Der renommierte Journalist und langjährige Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks, Sigmund Gottlieb, kommentiert für den Münchner Merkur mit scharfem Blick wöchentlich in seiner Kolumne „Gottlieb direkt“ aktuelle Themen. Diesmal geht es um die Arbeitsmoral.
Man muss es so deutlich sagen: Wir sind die Weltmeister der Freizeit. Nur die Franzosen und die Belgier arbeiten noch weniger als wir. Viele Politiker erzählen uns noch immer das Märchen von der Rente mit 63. Dabei werden wir von Jahr zu Jahr älter. Die Wahrheit heißt: Wir werden länger arbeiten müssen – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, auch wenn man uns auch in vielen Gotteshäusern predigt, es könne doch alles so bleiben, wie es ist.
► Sigmund Gottlieb ist einer der renommiertesten und erfahrensten Journalisten Deutschlands. Er war von 1995 bis 2017 Chefredakteur und von 2001 bis 2014 dazu stellvertretender Fernsehdirektor beim Bayerischen Rundfunk.
► Gottlieb moderierte die „Münchner Runde“ sowie aktuelle Brennpunkt-Sendungen im Ersten und war einer der präsentesten Kommentatoren in den „Tagesthemen“ der ARD.
► Für seine Arbeit erhielt Gottlieb mehrere Auszeichnungen, darunter den Bayerischen Fernsehpreis für die Berichterstattung über den Kosovo-Krieg. Seit 2005 ist er Honorarprofessor für Journalismus an der Hochschule Amberg.
Nein, auf keinen Fall dürfe alles so bleiben, wie es ist, heißt die Botschaft der Gewerkschaften und der Sozialdemokraten. Sie sagen allen Ernstes, es ginge mit noch weniger Arbeit, aber dafür, bitte sehr, soll es dann mehr Lohn geben. Also der Vorschlag ist so absurd, dass man dagegen eigentlich auf die Straße gehen müsste.
An dieser Gleichung ist so ziemlich alles falsch. Erstens arbeiten die meisten Deutschen schon jetzt nur mehr vier Tage, manchmal sogar nur mehr drei. Zweitens ist es volkswirtschaftlicher Wahnsinn, den Arbeitnehmern mehr Lohn vorzugaukeln, während unsere Wirtschaft im dritten Jahr hintereinander schrumpft. Drittens: Wohin wir uns bewegen, zeigt das leistungsfreie Grundeinkommen, auch Bürgergeld genannt, das inzwischen an 5 Millionen Menschen gezahlt wird.
Kanzler Merz hat das Problem erkannt, was kein Kunststück ist. Jetzt muss er dafür sorgen, dass es gelöst wird. Denn der Handwerker oder die Pflegekraft oder der LKW-Fahrer, die um 5:00 Uhr ihren Wecker stellen, haben das Gefühl, dass es längst nicht mehr gerecht zugeht in Deutschland.