Was bringt die neue Regierung? Das sagen Vertreter aus dem Landkreis Starnberg

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Machtwechsel auf Bundesebene: Am Montag unterzeichneten die Spitzen von Union und SPD den Koalitionsvertrag. Branchenvertreter aus dem Landkreis zeigen sich gegenüber der neuen Regierung vorsichtig optimistisch – aber auch skeptisch. © Kay Nietfeld

Was sich derzeit in Berlin abspielt, beschäftigt auch den Landkreis. Der Starnberger Merkur hat mit Menschen aus der Praxis über die Erwartungen an die neue Bundesregierung gesprochen.

Der Zapfenstreich für Bundeskanzler Olaf Scholz und die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Montag, die Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler und die Ernennung der Minister des Kabinetts am heutigen Dienstag: Der Regierungswechsel folgt einem klaren Plan. Einen solchen haben sich CDU/CSU und SPD auch mit ihrem Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ gegeben. Im Landkreis weckt das neue Bündnis Hoffnungen und Erwartungen – aber auch Skepsis.

63-mal taucht das Wort „Kommunen“ im 144 Seiten starken Koalitionsvertrag auf. Das alleine begeistert Bürgermeister-Sprecher Rainer Schnitzler noch nicht. Dass mit Bundeskanzleramtschef Thorsten Frei, Verkehrsminister Patrick Schnieder (beide CDU) und Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) künftig drei ehemalige Bürgermeister am Regierungstisch sitzen, schon etwas mehr. „Das macht mir ein bisschen Hoffnung, dass sie unsere Belange verstehen“, sagt der Pöckinger. Gespannt ist Schnitzler auf das Wirken von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU), nicht nur, weil sie Erfahrungen aus Wirtschaft und Politik mitbringt, sondern auch, weil sie Geschäftsführerin beim Verband kommunaler Unternehmen war.

Im Sondervermögen Infrastruktur sind 100 Milliarden Euro für Länder und Kommunen vorgesehen. Wenn man das Geld auf alle aufteile, bleibe am Ende nicht mehr so viel übrig, sagt Schnitzler. „Es gibt drei große Komplexe, die uns Kommunen belasten“, betont der Bürgermeister-Sprecher. „Finanzen, Migration und Bürokratie.“ Beim Geld gehe es auch um „laufende Kosten, die uns davonlaufen“, Einmalzahlungen seien nicht ausreichend. Dass die Migration nach Deutschland allgemein begrenzt werden soll, begrüßt Schnitzler – auch, weil die Integration einzelner Geflüchteter dann besser gelingen könne.

Eine sehr gute Entscheidung. Ich habe sehr große Hoffnungen.

Bei den laut Koalitionsvertrag geplanten „Zurückweisungen an den Staatsgrenzen in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ sieht Claudia Steinke „die große Gefahr, dass wir es uns mit den Nachbarländern verscherzen“. Steinke koordiniert den Ökumenischen Unterstützerkreis in Tutzing, der unter anderem in der Flüchtlingshilfe aktiv ist. Sie geht davon aus, dass der strengere Asylkurs auf „das gute Miteinander und die Netzwerke vor Ort“, auch mit Lokalpolitikern, keinen Einfluss hat. „Egal, was jetzt kommt, wir machen unsere Arbeit weiter.“ Beim Thema Geflüchtete wünscht sich Steinke künftig eine bessere und auch positivere Kommunikation seitens der Politik – „verbal abrüsten und sich nicht immer von der AfD jagen lassen“ müsse das Motto lauten.

„Verhalten und abwartend“ zeigt sich der Vorsitzende des Caritasverbandes Starnberg, Jan-Peter Schacht, mit Blick auf die Sozialpolitik der neuen Regierung. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Themen Arbeit, Soziales und Wirtschaft enger miteinander verwoben werden“, sagt er. Die neue Regierung solle den Bürgern immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass nur eine starke Wirtschaft einen starken Sozialstaat ermöglichen könne. „Die steuerliche Belastung der Caritas zum Beispiel durch den vollen Mehrwertsteuersatz bei vielen sozialen Angeboten macht uns sehr zu schaffen. Erleichterungen und Vereinfachungen wären mehr als wünschenswert.“ Nun soll Bärbel Bas (SPD) Ministerin für Arbeit und Soziales werden. Schacht: „Frau Bas habe ich bisher als ausgewogen und sachorientiert wahrgenommen.“

Wir haben keine Zeit für unnötige Regelungen.

Von der neuen Wirtschaftsministerin Reiche erwartet die Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Starnberg, Katja Lindo Roever, unter anderem „eine ruhige, positive Führung des Ministeriums, ohne Schuldzuweisungen, sondern mit Fokus auf Entbürokratisierung und Digitalisierung“. Beim Koalitionsvertrag sei die zentrale Frage, ob die für die Wirtschaft wichtigen Themen wie Steuerreform und Bürokratieabbau nun pragmatisch und rasch umgesetzt würden. Die neue Bundesregierung will etwa, dass Deutschland KI- und Gründer-Nation wird. Für Start-ups sollen in einem „One-Stop-Shop“ alle Behördengänge und Anträge digital gebündelt werden, um in 24 Stunden eine Unternehmensgründung zu ermöglichen. Für Unternehmen, „egal ob etabliert oder in der Start-up-Phase“, solle alles so einfach wie möglich gestaltet werden, findet Lindo Roever. „Nur so können wir wachsen. Wir haben keine Zeit für unnötige Regelungen.“

Georg Holzer, Kreisobmann des Bauernverbands, hatte sich schon über seinen „Wunschkandidaten“ als Landwirtschaftsminister gefreut: Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner. Der zog sich nach einer Protestaktion von Tierschützern auf seinem Hof aber zurück. Dann fiel die Wahl auf Alois Rainer, gelernter Metzgermeister und CSU-Bundestagsabgeordneter seit 2013. „Eine sehr gute Entscheidung. Ich habe sehr große Hoffnungen“, sagt Holzer, zumal Rainer aus dem Handwerk, aus Bayern und aus einer „klein strukturierten Region“ komme. Auch dass Landwirte die von der Ampel gestrichene Agrardiesel-Rückvergütung wieder erhalten sollen und die Kombi-Haltung bei Rindern erlaubt bleiben soll, stimmt den Kreisbauern positiv.

Carsten Schneider (SPD) soll Umweltminister werden. „Leider kommt er nicht aus diesem Fachbereich, sondern aus dem Bankenwesen. Daher erwarte ich keine großen Fortschritte“, sagt Claudius Birke, Geschäftsstellenleiter beim Landesbund für Vogel- und Naturschutz. Dass aber „grundsätzlich für Natur- und Artenschutz Geld fließen soll“, freut Birke. Allerdings ist ihm vieles noch zu unkonkret.

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