Viele Ukrainer werden bleiben

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Treffpunkt im Lerncafé: Jeden Mittwoch kommen ukrainische Familien in den Räumen der Bürgerstiftung Holzkirchen zusammen, um spielerisch deutsch zu lernen und Kontakte zu knüpfen. Unser Bild zeigt Sibylle König von der Bürgerstiftung mit Sprachschülerinnen. © Thomas Plettenberg

Zwei Jahre nach Beginn des russischen Überfalls leben knapp 1000 Ukrainer im Landkreis. Die Bürgerstiftung Holzkirchen geht davon aus, dass viele wohl bleiben. Die Integration läuft zäh – was auch daran liegen könnte, dass finanzielle Unterstützung nicht an der richtigen Stelle fließt.

Holzkirchen – Exakt 946 Ukrainer sind derzeit im Landkreis registriert, weit über die Hälfte (596) sind laut Landratsamt Frauen; meist nur in Begleitung der Mutter sind 299 Kinder und Jugendliche mitgeflüchtet. Wie Theresa Andrich von der Pressestelle des Landratsamts erklärt, reduzierte sich der Zahl der Ukrainer seit Februar 2023 um 215 Personen. Zuletzt blieben die Zahlen stabil, mit nur leicht steigender Tendenz.

Fast alle Geflüchtete sind in Wohnungen untergekommen; 35 Personen mussten in der Miesbacher Gymnasiums-Turnhalle und 24 in einer Sammelunterkunft in Fischbachau einquartiert werden. Laut Landratsamt sind fast alle Erwachsenen noch nicht im Rentenalter; über die Hälfte (533 Personen) bezieht Bürgergeld. „Wie viele einer bezahlten Arbeit nachgehen, können wir aus unseren Daten nicht nachvollziehen“, sagt Andrich.

Hilfe bei der Integration

„Die meisten Ukrainer, von denen ich weiß, arbeiten oder würden hier gern arbeiten“, sagt Sibylle König von der Bürgerstiftung Holzkirchen. In und im Umfeld der Marktgemeinde sind seit Kriegsbeginn viele Geflüchtete untergekommen; die Bürgerstiftung hilft ihnen, auf ehrenamtlicher Basis, im Alltag und bietet Hilfen bei der Integration an. Laut Landratsamt betonen zwar viele Geflüchtete, dass sie zurück in die Heimat wollen. König kommt zu anderen Schlüssen: „Viele werden dauerhaft hier bleiben.“ Sie schätzt, dass zwei Drittel keine Perspektive für eine Rückkehr sieht: „Ihre Städte sind zerstört. Da gibt’s kein Zuhause mehr, in das sie zurück könnten.“

Die Bürgerstiftung hat bei ihrer Ukrainehilfe deswegen neue Schwerpunkte gesetzt. Im Sommer 2023 wurde der fünfte und letzte Hilfskonvoi in Marsch gesetzt. „Unser Eindruck ist, dass der akute Bedarf gedeckt ist“, sagt König. Zudem verletzte sich Maxim, dessen Freiwilligentrupp die Holzkirchner Hilfe in der Ukraine verteilte, bei einem Verkehrsunfall. Die Stiftung konzentriert ihr ehrenamtliche Engagement jetzt auf „Aktionslinien“ für die Integration der Ukrainer, etwa ein „LernCafe“ für Kinder, die Jobvvermittlung oder Sprachkurse in Kleingruppen.

Sprache als Schlüssel

„Sprache ist der entscheidende Schlüssel“, glaubt König. Es gebe zwar offizielle Sprachkurse, die aber oft zu viele Teilnehmer aufweisen; so gelinge es kaum, die für den Arbeitsmarkt nötigen Sprachkenntnisse zu erwerben. „In unseren kleinen Kursen merken wir, dass es mehr individuelle Förderung bräuchte.“ Sie ist überzeugt, dass Ukrainer helfen können, den regionalen Arbeitsmarkt zu entlasten. „Wir brauchen doch Arbeitskräfte.“ Geflüchtete aus der Ukraine arbeiten in Bäckereien der Umgebung, als Modeverkäuferin, als Buchhalterinnen, als Erzieherin, als Fliesenleger. „Es würde viel helfen, wenn wir passgenauer fördern würden“, rät König. Eine Professorin auf eine Putzstelle vermitteln zu wollen, wie schon geschehen, das könne man sich sparen.

Um richtige Anreize für Ukrainer zu setzen, sollte der Bund seinen finanziellen Hilfen überdenken, schlägt König vor. Sie könne sich vorstellen, das Bürgergeld auf drei Monate zu beschränken, dann aber die Unterstützung auf gezieltes Fördern und Fordern umzustellen. „Wer vormittags einen Kurs besucht, kann nachmittags arbeiten“, findet König. So mache man den Geflüchteten deutlich, dass „wir in Deutschland helfen, aber auch erwarten, dass ihr euch einbringt“. Eine staatlich finanzierte Koordinierungsstelle, als Anlauf- stelle zwischen Ukrainern und Arbeitgebern und Behörden auf der anderen Seite, könne hier eine Hilfe sein.

Persönliche Begegnungen

Noch wertvoller sind persönliche Begegnungen mit Geflüchteten, wie sie die Bürgerstiftung vermittelt. „Das löst Ängste auf“, sagt König. Man habe aber die Erfahrung gemacht, dass diese Prozesse gut begleitet werden müssen, „sonst fühlen sich viele Menschen überfordert“.

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