Zwei Jahre nach Kriegsbeginn: Weiterhin Probleme für Ukrainer an Schulen im Landkreis
Schon knapp zwei Jahre lang unterrichten Lehrer im Landkreis auch Schüler aus der Ukraine – mittlerweile fast überall in Regelklassen. Doch Probleme und Sprachbarrieren gibt es weiterhin.
Schliersee – Nicht einmal drei Wochen nach Kriegsbeginn sind in der Grund- und Mittelschule Schliersee die ersten Schüler aus der Ukraine in den Unterricht aufgenommen worden. Mitte März war das, erinnert sich Stefan Troppmann – im Jahr 2022, kurz bevor er die Leitung der Schule übernommen hat. Doch bis heute, knapp zwei Jahre später, sind die Herausforderungen geblieben: für die Ukrainer, ihre Mitschüler, aber auch für Lehrer, Eltern und für ihn als Rektor. „Schwierig“, fasst Troppmann im Gespräch mit unserer Zeitung zusammen. „Wir kommen gewaltig an unsere Grenzen.“
Insgesamt 31 ukrainische Kinder werden in Schliersee in Regelklassen verteilt unterrichtet, davon 13 in der Grundschule und 18 in der Mittelschule. Letztere besuchen gut 100 Schüler in fünf Klassen – rechnerisch kommt hier knapp jeder Fünfte aus der Ukraine. Etwas besser verteilt sich der Anteil nur in der Grundschule, die mit zwölf Klassen mehr als doppelt so groß ist. Dort, erklärt Troppmann, laufe der Unterricht in den ersten beiden Jahrgangsstufen weitgehend unkompliziert. Vereinzelt hätten Schüler zwar Probleme. „Aber wenn Kinder in der ersten oder zweiten Klassen anfangen, lernen sie zum großen Teil sehr schnell mit den deutschen Kindern mit.“
Lehrpersonal für ausreichende Förderung fehlt
Doch schon in der dritten und vierten Jahrgangsstufe werde es zunehmend schwer, die Schüler im regulären Unterricht mitzunehmen. „Der Stoff wird komplexer, schneller und wir arbeiten auf den Übertritt hin.“ Besonders in dieser Phase fehlt Personal, um ukrainischen Kindern zusätzliche Förderungen zu bieten, sagt Troppmann. Und das trotz eines „Luxus“, den die Schule genießt: „Wir haben eine Lehrerin aus der Ukraine, die uns unterstützt“, sagt der Rektor. Sie spreche deutsch und sei als Schulassistenz vom Kultusministerium eingestellt worden. „Für uns ist das ein großes Glück.“
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Ein Übertritt an Realschulen oder Gymnasien bleibt dennoch landkreisweit die Ausnahme, wie auch Zahlen aus dem Schulamt zeigen (siehe Kasten). „Der weitaus größte Teil besucht Grund- oder Mittelschulen“, sagt Schulamtsleiter Jürgen Heiß. Der dort höhere Anteil an ukrainischen Schülern sei für die Kinder und Jugendlichen selbst zwar schön, ergänzt Troppmann, „aber für den Integrationsprozess nicht zwingend positiv“. Denn zwei Dinge spielten im Unterricht eine große Rolle: das Alter und die Gruppenbildung.
„Communities“ erschweren Bereitschaft zur Mitarbeit
„Dadurch, dass in jeder Klasse drei bis vier Ukrainer sind, haben sie ihre Community“, erklärt Troppmann. „Das macht die Bereitschaft zur Mitarbeit schwierig.“ Wäre indes nur ein Schüler je Klasse aus der Ukraine, wäre er darauf angewiesen, möglichst gut zu sprechen. Das Alter spiele indes wegen der Pubertät eine Rolle. „Es gibt keinen Unterschied zwischen einem 14-jährigen Deutschen und einem gleichaltrigen Ukrainer“, betont der Schulleiter. Schule habe in dieser Phase nicht gerade die oberste Priorität. „Wenn man dann auch noch mit der Sprache kämpft, wird es noch schwieriger.“ Hinzu komme, dass die Motivation eng mit der Perspektive verknüpft sei. „Wenn ich hoffe, dass ich in einem Jahr zurückgehen kann, ist die Motivation gering, Deutsch zu lernen.“ In der Folge würden die meisten zwar viel verstehen, hätten aber weiterhin große Hemmungen vor dem Sprechen. Phasenweise seien die Schüler deshalb überfordert – sowohl die ukrainischen als auch ihre Mitschüler. „Aber damit kämpfen alle Schulen.“
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Entsprechend viel Arbeit sei es für die Lehrkräfte, Regeln durchzusetzen und Grenzüberschreitungen zu vermeiden. „Ein Kind bekommt ja nicht nur ein Arbeitsblatt im Unterricht vorgelegt“, erinnert Troppmann. Auch der Elternkontakt sei wichtig und falle deutlich leichter, wenn die Schule von dort unterstützt werde. „Aber das unabhängig von der Nationalität“, betont Troppmann. Die Lehrkräfte seien dabei sehr bemüht. „Wir versuchen, Neuntklässler über die Schulsozialarbeit oder eine Berufseinstiegsbegleitung in eine Ausbildung zu bringen.“ Im aktuellen Jahrgang zeichne sich dabei ab, dass das bei mindestens zwei von vier Ukrainern Erfolg hat. Und trotzdem, sagt Troppmann, stelle man sich als Lehrer ständig die Frage: „Hab’ ich genug gemacht?“
nap