Neutrale Zone im Wahlkampf: Im Waitzinger Keller sind drei Monate vor Wahlen Partei-Events tabu
Ab sofort sind in öffentlichen Gebäuden der Stadt Miesbach drei Monate vor Wahlen keine politischen Veranstaltungen mehr möglich. Den entsprechenden Beschluss hat der Stadtrat in seiner Sitzung am Donnerstagabend beschlossen.
Miesbach – Ausschlagend dafür ist, dass sich Kommunen im Rahmen von Wahlen neutral zu verhalten haben. Das heißt: Keine Partei oder Gruppierung darf bevorzugt oder benachteiligt werden. Was mit öffentlichen Gebäuden sehr weitreichend beschrieben ist, dreht sich konkret lediglich um den Waitzinger Keller. Die Miesbacher Stadthalle ist der größte Veranstaltungsort der Kreisstadt, und bislang galt ohne eine konkrete Regelung, dass dort keine Wahlkampfveranstaltungen stattfinden dürfen.
Bürgermeister Gerhard Braunmiller (CSU) nannte den Bezirk Oberbayern als Beispiel, der im Zeitraum von drei Monaten vor Wahlen Veranstaltungen von Parteien und Fraktionen mit Öffentlichkeitsbezug in seinen Einrichtungen nicht zulasse. Damit soll die Möglichkeit zur Einflussnahme durch kommunale Behörden in die freie Willensbildung genommen werden. Auch das Landratsamt empfehle ein solches Vorgehen, damit jeglicher Anschein einer Wahlbeeinflussung vermieden wird.
Chancengleichheit beachten
Zugleich gelte es, den Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten. Das heißt: Lässt man Wahlkampfveranstaltungen zu, muss laut Braunmiller jede Partei das Recht haben, den waitzinger Keller zu mieten. Der Ausschluss bestimmter Parteien sei unzulässig. Denn eine solche negative Bewertung würde in das Grundrecht der Chancengleichheit eingreifen.
Eine Ausnahme bilden dabei Podiumsdiskussionen, wie sie unter anderem unsere Zeitung im Vorfeld von Wahlen organisiert. Hierbei handelt es sich laut Braunmiller nicht um eine politische Wahlkampfveranstaltung einer Partei, sondern um eine allgemeine, überparteiliche Information für die Bürger,
Bräuwirt wird anders eingestuft
Paul Fertl (SPD) war mit dieser Lösung nicht glücklich. „Das läuft auf eine Entpolitisierung hinaus“, kritisierte er. Natürlich sei klar, dass es im Hintergrund um die AfD gehe, „aber die gibt es hier nicht“. Zuletzt sei an dieser Regel der Auftritt von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert im Waitzinger Keller gescheitert. „Wir sind da aus diesem Grund sehr feinfühlig.“ Wobei Fertl nicht nachvollziehen konnte, warum der stadteigene Bräuwirt am Marktplatz nicht unter dieses Verbot fallen soll. Die Antwort lieferte Geschäftsleiter Gerhard Führer: „Der Waitzinger keller ist ein Gebäude im öffentlichen Zugriff. Anders ist das bei einer Verpachtung.“ Bei dieser habe der Wirt die Entscheidungshoheit, wem er seine Räume zur Verfügung stellt.
Inge Jooß (SPD) fand, dass Ausnahmen schon noch möglich sein müsste, etwa bei einem Vortrag zu einem aktuellen politischen Thema. Der Referent sei dann neutral und die Leute könnten diskutieren. Zum Umgang mit der AfD meinte sie: „Wir können nur die Augen aufmachen, dass wir sie nicht stark machen – aber das tun wir, wenn wir sie in eine Ecke stellen.“
Zustimmung für Grundsatzbeschluss
Zweite Bürgermeisterin Astrid Güldner (Grüne) befürwortete den Beschlussvorschlag: „Wir haben aktuell keine extremen Parteien in Miesbach, aber das heißt nicht, dass es immer so bleibt.“ Der Bräuwirt bleibe als Veranstaltungsort vorhanden – mit dem Ermessen des Pächters.
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„Die Neutralitätsverpflichtung ist ja nicht neu“, ergänzte Erhard Pohl (CSU). „Dass sie für alle gilt, ist richtig und notwendig.“
Der Stadtrat befürwortete mit 19:5 Stimmen, dass drei Monate vor Wahlen keine politischen Veranstaltungen im Waitzinger Keller stattfinden. Im Fall von überparteilichen Podiumsdiskussionen soll auf Antrag der Bürgermeister über die Zulassung der Veranstaltung entscheiden.
ddy