Einer der Letzten seiner Art: Miesbacher Schuhmacher schließt Werkstatt

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Schuhreparaturen aller Art führt Schuhmachermeister Ralf Wieland in seiner Miesbacher Werkstatt durch. Außerdem fertigt er hier Maßschuhe. Doch Ende März schließt Wieland seinen Betrieb. © Thomas Plettenberg

Zwölf Jahre lang hat Ralf Wieland seine Schuhmacherei in Miesbach geführt. Ende März ist Schluss: Den gebürtigen Niedersachsen zieht es wieder in den Norden. Auch wenn er noch keinen Nachfolger für seinen Meisterbetrieb gefunden hat, ist Wieland überzeugt, dass sein Handwerk Zukunft hat.

Miesbach – Es ist noch kalt in der kleinen Werkstatt an der Fraunhoferstraße. Wieland hat gerade erst den Holzofen angeheizt. Mit grüner Schürze sitzt er an einem Tisch, der Klebergeruch absaugt und besohlt einen Schuh. „Wenn man seinen Füßen etwas Gutes tun will, sollte man Schuhe tragen, mit denen man gut abrollen kann“, sagt Wieland.

Der Schuhmachermeister kennt sich aus mit Schuhen und Füßen. Nur drei bis fünf Schritte muss ein Mensch machen, und Wieland erkennt, ob und welche Fußfehlstellung er hat. Ab April wird er seine Expertise bei einem Spezialisten für orthopädische Maßschuhe in Schleswig-Holstein einbringen. Dass er dann nicht mehr sein eigener Herr, sondern Angestellter ist, macht ihm nichts aus – im Gegenteil: „Dann habe ich Feierabend, wenn ich Feierabend habe.“ Keine Buchführung, kein Materialeinkauf oder andere administrative Tätigkeiten. „Und samstags habe ich frei“, freut sich Wieland.

Heimweh nach Norddeutschland

Das allerdings ist nicht der Grund, warum er seine Werkstatt aufgibt, die er 2012 nach einer Zwischenstation in Murnau in der Miesbacher Kirchgasse eröffnet und 2017 in die Fraunhoferstraße verlegt hatte: Der 53-Jährige hat gesundheitliche Probleme, die an der Nordsee wie weggeblasen sind: „Dort kann ich mich komplett entspannen“, sagt er und nimmt einen Schluck aus seiner HSV-Tasse. Wielands Herz hängt am Norden, daran haben auch fast 20 Jahre in Bayern nichts geändert. Bei der Arbeit hört er NDR2, an der Wand hängt ein Kalender aus Schleswig-Holstein.

Wieland geht aber auch mit einem weinenden Auge. „Ich habe hier Freunde gefunden“, sagt er. Darunter sein Mitarbeiter Christian Schmidl. Der wird künftig in einem Baumarkt arbeiten. Wieland findet es schade, dass er bis jetzt keinen Nachfolger gefunden hat. „Ich hinterlasse eine funktionierende Werkstatt, es wäre schön, wenn die einer übernehmen würde.“ Nach Angaben der Handwerkskammer für München und Oberbayern gibt es im Kreis Miesbach nur vier Schuhmacher, Orthopädie-Schuhmacher nicht mitgezählt.

Aussterbendes Handwerk

Ernst Prell vom Landesinnungsverband Bayern des Schuhmacher-Handwerks wundert das nicht. „Der Beruf des Schuhmachers stirbt aus“, sagt er. Das spiegele sich auch in den Lehrlingszahlen wider. Nur zwei bis fünf Azubis gebe es pro Jahrgang bayernweit. Besser sehe es beim paramedizinischen Beruf der Orthopädie-Schuhmacher aus, wo es pro Jahrgang etwa 20 Azubis bayernweit gebe. Der Grund liegt für Prell auf der Hand: „Wie sinnvoll ist es, einen Deichmann-Schuh reparieren zu lassen?“, fragt er. Mit Blick auf Fast Fashion – billige Trendmode – rentiere sich das nicht. Selbst Reparatur-Filialisten wie Mister Minit, die in den 1980er-Jahren etwa 1200 Filialen deutschlandweit hatten, seien deshalb verschwunden.

Die eigentliche Tätigkeit des Schuhmachers, nämlich das Anfertigen von Schuhen nach Maß sei eine exklusive Nische: „Um auf diesem Markt bestehen zu können, ist es entscheidend, dass man sich einen Namen gemacht hat“, sagt Prell.

Wieland sieht die Zukunft seiner Branche nicht so schwarz. Zwar machen die Kunden, die sich bei ihm für 1200 Euro Maßschuhe aus Leder fertigen lassen, nur zwei bis drei Prozent der Kundschaft aus. „Ich merke aber, dass der Hang zur Qualität wieder zunimmt.“ Nicht zuletzt die Trachtenvereine legten Wert auf hochwertige Schuhe. Bei guter Pflege halte ein Maßschuh etwa 20 Jahre. Zwei Paar sowie ein Paar Winterstiefel seien ausreichend. Wieland findet, dass sich das langfristig durchaus rechnet. Weitere zehn Prozent seiner Kunden kommen für die orthopädische Schuhzurichtung, 87 Prozent, um Schuhe oder Taschen reparieren zu lassen. Dass es an Nachwuchs mangelt, habe einen anderen Grund: „Heute wollen alle Influencer werden. Da macht man sich nicht die Hände schmutzig.“

Vater trifft Berufswahl

Wieland kam durch Zufall zu seinem Beruf. „Nach der 10. Klasse hatte ich die Schnauze voll von Schule“, erinnert er sich. Sein Vater brachte ihn dann in einer Schuhmacherei unter, die ausbildete. „Da habe ich dieses Handwerk lieben gelernt.“ Schon nach einem Jahr hatte Wieland sogar zuhause eine Schleif- und Poliermaschine: „Eine Frobana von 1935“, betont er. Aufs Werkeln daheim will er auch künftig nicht verzichten. Sobald er sich an seinem neuen Wohnort Neumünster eingelebt hat, will er sich eine Garage zulegen. „Da arbeite ich dann mit Holz.“

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