Trump-Schock für Europa: Spott und leichte Entwarnung – Ex-Diplomat gibt Einblick in US-Hinterzimmer

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Haben die USA Europa unter Trump final fallengelassen? Ein litauischer Ex-Diplomat bezweifelt das – im Merkur-Interview hat er überraschende Neuigkeiten parat.

München – Europa könne „mehr Litauen“ vertragen, sagt FDP-Politiker Ulrich Lechte auf dem Podium – nicht zuletzt der klaren, pointierten Ansagen aus dem Baltikum wegen. Und die Gäste liefern beim Deutsch-Litauischen Forum am Freitag in München genau diese klare Kante.

Der sprichwörtliche bunte Hund im Saal der Hanns-Seidel-Stiftung ist dabei Žygimantas Pavilionis. Der 53-jährige Konservative war fünf Jahre lang Litauens US-Botschafter und hat einst den EU-Beitritt des kleinen Landes verhandelt. Wo immer er bei der Konferenz geht und steht, rufen deutsche wie litauische Gäste erfreut „Žygi!“. Aktuell ist Pavilionis Vize-Vorsitzender des Außenausschusses in Litauens Parlament. Kurz nach dem Eklat im Weißen Haus war er in Washington. Im Interview mit dem Münchner Merkur scheint es, als habe Pavilionis einige, teils überraschende, Botschaften aus den USA mitgebracht. Natürlich pointiert vorgetragen.

Herr Pavilionis, Sie waren vergangene Woche in Washington und haben Gespräche mit US-Politikern geführt – was haben Sie in Donald Trumps neuen Vereinigten Staaten erlebt?

Was ich auf dieser Reise erfahren habe: Es ist nicht so schlimm, wie es klingt. Wir neigen in Europa zu Dramatik – zuallererst vermutlich, weil wir schwach sind. Wenn wir etwas Selbstvertrauen hätten, würden wir nicht auf jeden dummen Kommentar aus Washington oder bei der Sicherheitskonferenz in München reagieren. Also: Lassen Sie uns stärker werden und nicht so sensibel sein.

Guter Dinge: Žygimantas Pavilionis hebt beim Litauisch-Deutschen Forum die Finger zum Victory-Zeichen.
Guter Dinge: Žygimantas Pavilionis hebt beim Litauisch-Deutschen Forum die Finger zum Victory-Zeichen. © Florian Naumann

Europas Sorge vor Trump: Ex-Diplomat beschwichtigt – „USA spielen ein taktisches Spiel“

Dass es „nicht so schlimm“ ist – diese Einschätzung könnte so einige überraschen. Europa scheint plötzlich allein auf weltpolitischer Bühne. Was bereitet Ihnen Hoffnung?

Ich war unter Barack Obama litauischer US-Botschafter. Auch Obama hat nach dem Krieg in Georgien einen „Reset“ mit Russland gemacht. Wenn man das in Relation setzt, ist die Lage unter Trump nicht ganz so schockierend. Ich habe viele Parlamentarier in Washington getroffen – keiner von ihnen war für einen vollständigen Reset. Sie mögen Russland nicht. Aktuell spielen die USA ein taktisches Spiel, um Wladimir Putin an den Verhandlungstisch zu bringen. Aber das heißt nicht, dass sie Russland nicht aufreiben wollen. Sie sehen den Kreml als Teil einer Achse des Bösen; als Teil des üblen Spiels von Iran, China, Nordkorea.

Aber dennoch gibt es diese sehr offensichtliche neue Kluft zu Europa.

Die USA beschuldigen Europa der Großmäuligkeit. Wir klopfen große Sprüche, erhöhen aber gleichzeitig die Importe von russischem Flüssiggas. Die Schattenflotte bringt Öl, also treiben wir Handel. Die Forderung ist klar: Wir sollten Russland konsequent sanktionieren, uns von wirtschaftlichen Verbindungen befreien – und russische Vermögen nutzen. Viele davon liegen in Belgien. Der wichtigste Punkt der USA: „Werdet erwachsen, werdet stark.“

Einblick in die US-Politik: „Der Großteil der Kritik richtet sich an Deutschland“

Kann Europa das?

Die EU hat die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, aber in militärischer Hinsicht sind wir ein Säugling. Der Urlaub von der Geschichte ist vorbei. Der Großteil der Kritik richtet sich übrigens an Deutschland. Da heißt es: ‚Wenn ihr das Kraftwerk Europas seid, wo ist dann eure Stärke? Wo ist eure Verteidigung?‘ Manche in den USA spotten. Sie vergleichen Europa mit einer alten Dame: Wir hätten so viel Gewicht angesetzt, dass wir nicht mal mehr auf unseren zwei Beinen stehen können.

Was heißt das mit Blick auf die Ukraine?

All das hat direkt mit Europas aktuellen Forderungen zu tun. Wir wollen beispielsweise einen Nato-Beitritt der Ukraine. Genau dagegen hat eine deutsche Kanzlerin in Bukarest Veto erhoben. Und zuletzt in Vilnius auch Olaf Scholz. Tatsächlich wird ein Beitritt in den USA nicht kategorisch ausgeschlossen. Aber vor einer solchen Entscheidung soll Europa stark werden – es soll sich selbst verteidigen können, falls Russland Divisionen Richtung Deutschland oder das Baltikum verlegt. Man weiß sehr genau, dass die glorreichen Armeen von Großbritannien oder Frankreich in der Ukraine nur Munition für drei Tage hätten. Es gibt aber auch eine bedenkliche Nachricht.

„Persönliches Problem“ zwischen Trump und Selenskyj – spielten auch Bidens Vorgaben eine Rolle?

Und zwar?

Es gibt ein etwas persönliches Problem zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj. Das müssen wir lösen. Wir müssen sie wieder an einen Tisch bringen und dieses Memorandum unterschreiben lassen. Das ist nur ein Memorandum – aber es wird die Herzen der Trump-Administration für die Ukraine öffnen. Denn die Ukraine steht unter Verdacht. Weil sie zu sehr auf Seite der US-Demokraten gespielt hat.

Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump
Wolodymyr Selenskyj (li.) und Donald Trump haben ein „persönliches Problem“, sagt Litauens Ex-US-Botschafter Žygimantas Pavilionis. © IMAGO / UPI Photo

Hat sie das?

Als Ex-Botschafter kann ich das in Teilen bestätigen. Es ist wahr: Joe Bidens Regierung hat der Ukraine nicht gestattet, sich mit Republikanern zu treffen. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hat Anweisungen verteilt, mit wem Treffen gestattet sind und mit wem nicht. Das ist jetzt ein Problem. In den USA muss man mit beiden Parteien sprechen. Das gilt auch für die Zukunft. In zwei Jahren könnte es im Repräsentantenhaus wieder eine demokratische Mehrheit geben. Und: Die Ukraine sollte jetzt zusammen mit Deutschen, Briten, Franzosen anreisen. Wir wissen, wie man mit den USA spricht.

Wie tut man das denn?

Wir wissen, dass sie sehr sensibel auf öffentliche Kritik reagieren. Hinter verschlossenen Türen kann man offen sprechen, aber in der Öffentlichkeit muss man sehr vorsichtig sein. Es gibt ein Protokoll, es gibt klare Regeln. Darin unterscheiden sich die USA von Europa. Also müssen wir helfen, wieder Brücken zu bauen. Denn wir erleben gerade, dass die USA die Ukraine bestrafen. Und das ist schlecht. Wir wollen, dass die Vereinigten Staaten Freunde der Ukraine sind und Feinde Russlands – und nicht das andere Bild, das wir gerade sehen.

Wenn Sie recht haben, gibt es einige Hausaufgaben für Europa zu erledigen.

Ja – aber wenn wir die erledigen, wird sich das Meiste in Wohlgefallen auflösen. Wenn man aus einer Position der Schwäche heraus mit am Tisch sitzen will, muss man sich überlegen, was man einbringen kann. Eine zweite Frage ist, wer genau am Tisch sitzen wird. Die USA vertrauen nicht der EU-Kommission, sie vertrauen den Nationalstaaten. Und wer von ihnen kann verhandeln? Die USA blicken auf eine mögliche Führungsrolle von Friedrich Merz, aber sie kennen ihn nicht gut. Deutschland muss jetzt also seine Regierung bilden und nach Washington fahren. (Interview: Florian Naumann)

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