„Sky Shield“ gegen Putin: Briten planen Luftraumschutz in Ukraine
Die nächste Idee der Europäer: Neben einem nuklearen Schild über Europa soll ein Himmelsschild die Ukraine schützen. Die Zuständigen bleiben vorsichtig.
London – „Die Umsetzung von Sky Shield wäre ein wichtiger Bestandteil der europäischen Bemühungen, die Sicherheit der Ukraine effektiv und effizient zu gewährleisten“, sagt Gabrielius Landsbergis. Der ehemalige litauische Verteidigungsminister gehört zu den Befürwortern eines Schutzschirms im ukrainischen Luftraum – einer „Luftpolizei“. Der Plan zur Abwehr von Wladimir Putins Invasionstruppen klingt abenteuerlich, wie ihn der Guardian gerade ausmalt: Eine „internationale Luftwaffe“ soll helfen; mit bis zu 120 Maschinen.
Sky Shield sei eine von Europa geführte und unabhängig von der Nato betriebene Luftschutzzone, die russische Marschflugkörper und Drohnenangriffe auf Städte und Infrastruktur abwehren soll, schreibt das britische Blatt. Das Projekt könnte Teil des „Waffenstillstands im Himmel“ sein, den der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aktuell vorgeschlagen habe, wie Guardian-Autor Dan Sabbagh schreibt.
Riskante Manöver gegen Russland: Duell-Situation mit russischen Maschinen ausdrücklich ausgeschlossen
Die Idee dahinter ist, dass westliche Kampfjets ohne Nato-Mandat innerhalb der ukrainischen Frontlinien den Himmel von anfliegenden Raketen oder Drohnen säubern sollen. Eine Duell-Situation mit russischen Maschinen sei ausdrücklich ausgeschlossen, schreibt der Guardian. Demnach stuften die Verfechter des Plans das Risiko für die Piloten als gering ein, da Russlands seit Beginn des Krieges vermeide, dass seine eigenen Kampfjets über die Frontlinie hinaus flögen. „Der faktische Abstand zu russischen Flugzeugen würde laut den Planentwicklern mehr als 200 Kilometer‘ betragen“, so Sabbagh über den Plan – in der Theorie.
„Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben jedoch kein wirkliches Interesse daran, Patrouillenflüge über dem ukrainischen Himmel zu genehmigen, solange der Krieg andauert“
Die reine Notwendigkeit solch eines Schirms macht gerade das Magazin Politico deutlich: Seit US-Präsident Donald Trump die Hilfe für die Ukraine eingestellt hat, hat Russland aktuell wieder einen massiven Raketen- und Drohnen-Angriff geführt – in dem sollen sich auf Seite der Verteidiger auch erstmals die französischen Mirage-Kampfjets behauptet haben. Laut Politico-Autorin Veronika Melkozerova hätten die Angriffe vor allem der zivilen und der Energie-Infrastruktur gegolten – in den Regionen Odessa, Poltawa, Charkiw und Ternopil. Das künftig zu verhindern, sei auch die Aufgabe des Sky Shield.
Dem Plan zufolge sollte der Sky Shield vorrangig die in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke der Ukraine Chmelnyzkyj, Riwne, Saporischschja und Süd-Ukraine schützen sowie die Städte Odessa und Lwiw abdecken – keinesfalls sollten sich die westlichen Kampfjets der Frontlinie oder dem Osten des Landes nähern, wie der Guardian weiter schreibt. Und laut einem jüngst veröffentlichten Dokument könnte es „eine größere militärische, politische und sozioökonomische Wirkung erzielen als 10.000 europäische Bodentruppen“, so Sabbagh.
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Ende des Ukraine-Krieges: Ein Waffenstillstand könne durch Bodentruppen durchgesetzt werden
Ein früher Waffenstillstand entlang der bestehenden Linien könne die aktuellen Kampfhandlungen unterbrechen, müsse aber mit Maßnahmen zur Sicherheit der Ukraine verknüpft werden. Ein Waffenstillstand könne durch Bodentruppen durchgesetzt werden. Die europäischen Nato-Mitglieder sollten diese Bemühungen anführen – mit Unterstützung der USA. Dies ist das Ergebnis eines Symposiums des Thinktanks Atlantic Council vom Ende vergangenen Jahres als erster Abschnitt einer erfolgreichen Strategie zur Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine, wie die Autoren klarstellen.
Demnach könne eine Nato-Verteidigung der Ukraine „auf Grundlage ihrer Ressourcen, ihres Kampfgeistes, ihrer hochmodernen Militärtechnologie und ihrer kampferprobten Armee aufgebaut werden“, schreiben sie weiter. Die Autoren sorgten sich indes vor allem um die Gefahr einer Eskalation der regionalen Kämpfe zu einem Dritten Weltkrieg und um die Gefahr eines erneuten Ausbruchs des Ukraine-Krieges nach dessen Ende. Sie messen US-Waffen daher eine entscheidende Bedeutung zu.
Nur solange die Ukraine ihren eigenen Weg fortsetzt, habe sie demnach eine Chance auf einen einigermaßen akzeptablen Ausgang des Krieges: „Es ist offensichtlich, dass die Beendigung des Krieges mit Russland nur möglich ist, wenn der Aggressor nicht mehr in der Lage oder willens ist, ihn fortzusetzen, und gezwungen ist, seine Truppen aus der Ukraine abzuziehen, ob mit oder ohne Abschluss eines neuen Friedensabkommens“, schrieb Mitte vergangenen Jahres Oleksandr V. Danylyuk.
Der Trumpf der Ukraine: Patrouillierende Kampfjets im Hinterland wären ein wirksames Mittel
Der Analyst des britischen Thinktanks Royal United Services Institute (RUSI) fordert eine Gesamtstrategie, die alle der Ukraine und ihren Partnern zur Verfügung stehenden Mittel umfasse – auch nichtmilitärische. „Die militärische Strategie als wichtigster Teil der Gesamtstrategie sollte wiederum darauf ausgerichtet sein, Russland durch den Einsatz der Streitkräfte unannehmbaren Schaden zuzufügen“, schreibt Danylyuk. Dazu geeignet wäre tatsächlich eine Mauer, an der russische Luftschläge mit Raketen und Drohnen einfach abprallten – patrouillierende Kampfjets im Hinterland wären dafür ein wirksames Mittel, würden Luftabwehr-Raketen am Boden ausgehen.
Laut dem Guardian soll der Plan von Ehemaligen der britischen Royal Airforce geschmiedet worden sein. Neben dem Litauer Gabrielius Landsbergis zählt das britische Blatt als Unterstützer noch den ehemaligen polnischen Präsidenten Aleksander Kwaśniewski auf sowie einen ehemaligen US-Luftwaffen-General und Oberbefehlshaber der Nato neben einem ehemaligen britischen General, der auch schon stellvertretender Nato-Oberbefehlshaber gewesen sei. Anscheinend gehört zur Pro-Fraktion dieses Plans niemand aus dem aktiven Dienst in einer Position mit unmittelbarer Verantwortung. „Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben jedoch kein wirkliches Interesse daran, Patrouillenflüge über dem ukrainischen Himmel zu genehmigen, solange der Krieg andauert“, schreibt Sabbagh.
Einsatz gegen Putin: Kampfjets unter den Hoheitszeichen ihrer Länder vielleicht doch Kriegspartei
Wie der deutsche General Christin Freuding seit Kriegsausbruch im Bundeswehr-Podcast „Nachgefragt“ betont, handle der Westen der Lage angepasst. Das wäre ein Pro-Argument für einen Einsatz vielleicht auch deutscher Kampfjets im ukrainischen Hinterland; was von Russlands sicher anders gedeutet werden würde. „Für die Rechtsstellung als Kriegspartei und die Anwendung des Kriegsrechts kommt es heute deshalb nicht mehr auf den subjektiven Willen der Staaten zum Krieg, sondern ausschließlich auf den objektiven Tatbestand des internationalen bewaffneten Konflikts an. Ein solcher liegt vor, sobald ein Staat gegen einen anderen Staat Waffengewalt einsetzt“, schreibt Stefan Talmon auf dem „Verfassungsblog“.
Laut dem Völkerrechtler der Universität Bonn wäre zum Wechsel zur Kriegspartei insofern wohl keine offizielle Kriegserklärung eines Staats mehr nötig. Etwas komplexer aber in der Intention ähnlich sieht das Alexander Wentker, der in seiner Dissertation an der Stanford University den Begriff „Ko-Partei“ verwendet hat. Wentker zufolge reiche für eine Ko-Partei bereits der zurechenbare Beitrag zum Konflikt mit einem direkten operationalen Bezug zu Kampfhandlungen; diese Partei müsste in die Entscheidungsprozesse zu konkreten Militäroperationen involviert sein und beides müsste von der Ko-Partei wissentlich unternommen werden. Laut dieser Definition würden internationale Kampfjets unter den Hoheitszeichen ihrer Länder ebendiese doch zu Kriegsparteien machen.
Kampfjet-Koalition: Briten erwägen Flugzeuge, die „bis an die Zähne bewaffnet und einsatzbereit“ wären
Nicht umsonst hatte Wladimir Putin den nordkoreanischen Soldaten in seinen Diensten an der Kursk-Front russische Papiere ausgehändigt, um den Schein einer Staatsangehörigkeit zur kriegführenden Partei zu wahren. Ein Sky Shield aus einer internationalen Koalition wäre also letztendlich wohl doch als unmittelbarer Eintritt in die Kampfhandlungen zu werten. In der Zwischenzeit hat sich Belgien von der Koalition der Unterstützer eine Auszeit genommen, wie die Ukrainska Prawda meldet.
Laut Politico wollte Belgien bis 2028 insgesamt 30 F-16-Kampfjets in die Ukraine liefern. In 2024 seien möglicherweise die ersten Maschinen dort angekommen, 2025 sollte ebenfalls eine Tranche geliefert werden – die werden allerdings erst 2026 eintreffen. Der belgische Premierminister Bart De Wever begründet das, laut der Ukrainska Prawda, mit der verzögerten Anlieferung von US-amerikanischen F-35-Kampfjets, die die F-16 ersetzen sollen. Demgegenüber hat Großbritannien erwogen, eine „Luftpolizei“ für die Ukraine zu stellen. Laut der Times erwägt die britische Regierung die Entsendung von Typhoon-Kampfflugzeugen zur Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Himmels über der Ukraine.
Wie die Times von einer Quelle aus der Royal Air Force erfahren haben will, könnten die Flugzeuge in Polen stationiert sein. Laut dem Blatt seien die Gespräche noch ganz am Anfang, aber die Quelle sagte gegenüber der Times, eine „Luftpolizei“-Mission benötige Flugzeuge, die „bis an die Zähne bewaffnet und einsatzbereit“ wären – „wir sind bereit, alles zu tun, was man uns sagt“.