Die Fichte „Bimbo“ ist mit ihren 53 Metern ein Unikat. Sie ist nämlich der höchste bekannte Baum im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen.
Bad Tölz-Wolfratshausen/Benediktbeuern – Von Natur aus kommt die Fichte nur im Alpenraum, in den Hochlagen der Mittelgebirge und in den nicht zu nassen Bereichen der Moore vor. Dass sie heute dennoch die häufigste Baumart in unserer Region ist, verdankt sie dem Menschen. Ein regelrechter Promi ist ein Exemplar, das an der Benediktenwand in der Nähe der Tutzinger Hütte steht. „Bimbo“ ist nämlich der höchste bekannte Baum im Landkreis.
„Bimbo“ ist das „Highlight“ im Revier
„Diese Fichte ist legendär“, sagt Fabian Hecker, Revierleiter bei den Bayerischen Staatsforsten, als er unsere Zeitung zu „Bimbo“ führt, der relativ isoliert an einem Berghang steht. Gemeinsam mit seinem Wolfratshauser Kollegen Robert Nörr stellt er sich fürs Foto neben den Baumriesen. Der Unterschied ist gewaltig und verdeutlicht, wie groß der Nadelbaum tatsächlich ist. Die Fichte sei das „Highlight“ im Revier und werde schon mit einem gewissen Stolz hergezeigt, sagt Hecker. Regelmäßig präsentiere er Kollegen und Studenten den Nadelbaum, der laut Vermessung 53 Meter hoch und damit der größte im Landkreis bekannte Baum ist – Fichten können eine maximale Höhe von 55 Metern erreichen.
Leicht zu bearbeitendes und damit begehrtes Holz
Warum ist die Fichte die häufigste Baumart? Laut Nörr hat sie ein universell einsetzbares, leicht zu bearbeitendes und damit begehrtes Holz. Außerdem hat sie einen sehr hohen Zuwachs und produziert damit viel Holz. Und sie wächst Nörr zufolge schön gerade nach oben und ist robust. „Im 18. und 19. Jahrhundert wurde sie vor allem zur Wiederaufforstung der völlig übernutzen Wälder rund um München und anderen Städten verwendet“, erklärt der Förster. Auf den vergrasten und spätfrostgefährdeten Flächen hätten kaum andere Baumarten überleben können. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts ein Schmetterling namens „Nonne“ die Wälder rund um München „kahl gefressen und damit zum Absterben gebracht hatte, standen die Waldbesitzer auf den riesigen Kahlflächen erneut vor dem Problem, unter ungünstigsten Bedingungen einen neuen Wald zu pflanzen“. Das taten sie – mit Erfolg. In 57 Prozent der Wälder in unserer Region gibt es laut Nörr Fichten. „Nur zwölf Prozent sind Reinbestände.“ Und der Förster ist froh, dass es nicht mehr sind.
Anbau reiner Fichtenbestände ist sehr riskant
Die Fichte bildet – anders als die Tanne – nur ein flaches Wurzelsystem aus. „Vor allem auf nassen Böden wurzelt die Fichte extrem flach“, erklärt der Experte. Bei starken Stürmen werden häufig ganze Bestände geworfen. Ein gefundenes Fressen für den Borkenkäfer, der mittlerweile auch vor höheren Lagen nicht mehr Halt macht. „Durch den fortschreitenden Klimawandel geht der Schädling schon bis zur Baumgrenze rauf“, hat Nörr beobachtet. Auch gegenüber der „Rotfäule“, ein Pilz, der den Stamm entwertet, ist die Fichte anfällig. Deshalb sei der Anbau von reinen Fichtenbeständen sehr riskant. Viele Waldbesitzer im Oberland haben das Nörr zufolge früh erkannt und bereits vor einigen Jahrzehnten mit Unterstützung der staatlichen Förster auf Mischwälder gesetzt. „Eine typische Mischung im Bergwald besteht aus Fichte, Tanne und Buche“, sagt Nörr. Ergänzt um Eiche oder Ahorn, erwachse daraus ein stabiler, wertvoller, arten- und abwechslungsreicher Mischwald. „Damit kann man flexibler auf die Klimaveränderung und den Holzmarkt reagieren“, ergänzt der Wolfratshauser. Auch die Bayerischen Staatsforsten haben sich mit ihrem „Vier-Bäume-Konzept“ zum Ziel gesetzt, auf allen Waldflächen mindestens vier verschiedene Baumarten zu etablieren.
Wir würden sie niemals fällen.
„Bimbo“ ist ein Phänomen. Stürme und Borkenkäfer haben ihm offenbar nichts anhaben können. Vonseiten der Staatsforsten gebe es ein Naturschutzkonzept, das für den Naturschutz besonders wichtige Bäume wie diesen „Methusalem-Baum“ über die gesetzlichen Vorgaben hinaus schützt, ergänzt Hecker. Das beziehe im Allgemeinen Bäume mit einem Durchmesser von über einen Meter auf Brusthöhe ein. „Das heißt, diese Fichte ist auch von einer Nutzung ausgeschlossen. Wir würden sie niemals fällen.“ Selbst wenn sie der Borkenkäfer befallen sollte. Dann würde man den Stamm entrinden, um dem Schädling die Nahrungsgrundlage zu nehmen. „Wenn wir unseren Wald unter dem Gesichtspunkt Naturschutz betrachten, dann fällt vor allem eins immer wieder auf, dass starke alte Bäume und starkes Totholz stellenweise fehlen“, erklärt Hecker.
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Es gebe eine ganze Reihe von besonders schützenswerter Flora und Fauna, die auf eben dieses Holz angewiesen seien. „Allen voran große Spechte“, ergänzt der Revierförster. „Und in Spechthöhlen gehen auch Fledermäuse und Wildbienen rein.“ Da versuche das Naturschutzkonzept der Bayerischen Staatsforsten seit einigen Jahren, eine Verbesserung zu erzielen. Sein Kollege Nörr ergänzt: „In die gleiche Richtung geht das Vertragsnaturschutzprogramm Wald, zu dem wir die privaten Waldbesitzer beraten. Generell gibt es im Bergwald schon sehr hohe Totholzanteile, im Flachland noch nicht so sehr.“ Mächtige und auch abgestorbene Bäume würden wertvolle Lebensräume für seltene Flechten, Pilze, Käfer, Vögel und Fledermäuse darstellen. „Ich sag’ immer ganz gerne: ,Ein Baum beginnt erst so richtig zu leben, wenn er abstirbt oder teilweise abstirbt‘. Dann kommen die holzbewohnenden Arten.“ Nörr pflichtet ihm bei: „Die Artenvielfalt ist da sicher am größten.“
Das Bauholz schlechthin
Das helle, harzhaltige Fichtenholz ist übrigens vielseitig verwendbar und das Bauholz schlechthin. „Da bei uns die Tanne eher selten und die Kiefer von schlechter Qualität ist, wird als Bauholz fast ausschließlich die Fichte verwendet“, bestätigt Nörr. Fichtenholz eigne sich auch für viele Sonderverwendungen. So verleihen Bergfichten Geigen und anderen Musikinstrumenten ihren Klang.
Fichte ist zwischen 160 und 200 Jahren alt
Wie alt „Bimbo“ ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Hecker schätzt sein Alter auf 160 bis 200 Jahre. „Er befindet sich sicher in seiner letzten Lebensphase“, meint der Fachmann. Auf der einen Seite sei er schon ein bisschen faul. „Wenn die Vitalität abnimmt, wird’s gefährlich.“ Mit ein bisschen Glück hält der Senior aber noch einige Jahre durch. Der Förster schätzt: „40 oder ein paar können es schon noch werden.“
Serie
Welche besonderen Bäume gibt es im Landkreis? Wo steht der Höchste? Welcher ist der Dickste? Mithilfe des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Holzkirchen stellen wir unter dem Titel „Von der Wurzel bis zur Krone“ besondere Exemplare in loser Reihenfolge vor.
Steckbrief
Nadel: spitz, saftgrün, rautenförmiger Querschnitt;
Rinde: rötlich braun, lange Zeit glatt, ab einem Alter von 80 bis 100 Jahren blättern die Schuppen ab;
Früchte: rötliche Zapfen, die nach unten hängen, sie fallen als Ganzes ab;
Wurzel: flache, tellerförmige Wurzeln, auf gut durchlüfteten Böden tiefreichende Senkerwurzeln;
Höhe: bis maximal 55 Meter;
Altersgrenze: 250 Jahre (im Gebirge im Extremfall bis 500 Jahre);
Vorkommen im Landkreis: häufigste Baumart;
Holzeigenschaften: grobfaserig weich, harzreich, leicht spaltbar, im Außenbereich mittelmäßig dauerhaft, wenig beständig bei Wechsel zwischen nass und trocken;
Holzpreis: Bauholz zwischen 60 und 85 Euro pro Kubikmeter, Industrieholz zwischen 22 und 46 Euro pro Kubikmeter. Nach Stürmen und Borkenkäferbefall kann es zu Preisschwankungen kommen.
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