„Verstrickungsgefahr“: Kunst-Installation ruft Polizei und Ordnungsamt auf den Plan
Eine temporäre Kunst-Installation in Wolfratshausen ruft Behörden auf den Plan. Auf eine „dringende Empfehlung“ reagieren Veranstalter und Künstlerin kreativ.
Wolfratshausen – „Verstrickungen sind eine punktuelle Sichtbarmachung von Beziehungen, Abhängigkeiten, Verbindungen, Zusammenhängen und Kontinuitäten“: Mit ihrem Kunstprojekt, das wie berichtet derzeit im und am Badehaus in Waldram zu sehen ist, hat sich die Penzbergerin Susanne Hanus jedoch auch unfreiwillig in eine Diskussion mit den Behörden verstrickt. Auf eine „dringende Empfehlung“ aus dem Wolfratshauser Rathaus reagierten die 49-Jährige und der Badehausverein jetzt „in künstlerischer Form“, wie Hanus im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt.
Kunst im öffentlichen Raum ragt zu weit in den öffentlichen Raum
Seit gut 20 Jahren überzieht die gebürtige Berlinerin im In- und Ausland Marktplätze, Häuser, Bäume und andere Objekte mit Wollfäden. Ihre jeweils temporären Installationen führen dem Betrachter vor Augen, dass alles mit allem verbunden sein kann. „Alle Orte, an denen bereits Verstrickungen stattgefunden haben, müssen mitgedacht werden“, erklärt die renommierte Kulturschaffende.
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Am Kolpingplatz hat die Penzbergerin eine Straßenlaterne, die Dachrinne und die hölzernen weißen Fensterläden der Dokumentationsstätte mit roten Fäden einem Spinnennetz ähnlich miteinander verknüpft. Am Erinnerungsort „stehen die Verstrickungen zum Beispiel für viele Lebenswege, die sich hier durch die Verwerfungen der Geschichte getroffen haben und sich hier verknüpft und verbunden oder auch wieder getrennt haben. Sie stehen für eine lebendige Erinnerungskultur, die versucht zu entwirren und doch partiell verwirrt bleibt“, informiert der Badehausverein auf seiner Homepage.
Behörde: Installation stelle Gefahr für Fußgänger und Radfahrer dar – besonders abends
Doch die Kunst im öffentlichen Raum ragt nach Meinung des städtischen Ordnungsamts und der örtlichen Polizei (der Wolfratshauser Dienststellenleiter Andreas Czerweny nahm die Verstrickungen persönlich in Augenschein), zu weit in den öffentlichen Raum hinein. Die engmaschige Installation an der südwestlichen Gebäudeecke, auf dem Gehweg zwischen Laterne und Hausmauer, stelle insbesondere in den Abendstunden eine Gefahr für Fußgänger und Radfahrer dar, beanstandete Hubert Bernwieser, Leiter des Rathaus-Referats Öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Er gab dem Badehaus schriftlich die „dringende Empfehlung“, an der neuralgischen Stelle „eine Absicherung“ beziehungsweise eine „Kennzeichnung“ anzubringen. Bernwieser wies auf die Haftungspflicht des Vereins hin, falls der körperliche Kontakt von Spaziergängern oder Fahrradfahrern mit der Kunst folgenschwer wäre. Und: Die Erlaubnis, Wollfäden an besagter Straßenlaterne anzubringen, könne die Kommune per se nicht erlauben – gefragt werden müssten die Bayernwerke.
Verletzungsrisiko: Badehaus-Mitglieder unternahmen Selbstversuche
Badehaus-Vorsitzende Dr. Sybille Krafft und Hanus reagierten auf das Schreiben mit leichter Verwunderung – vor allem aber mit Verständnis. „Uns ist das Wohl der Passantinnen und Passanten natürlich auch wichtig“, betont Krafft gegenüber unserer Zeitung. Sogar Selbstversuche wurden nach ihren Worten unternommen, um das potenzielle Verletzungsrisiko einschätzen zu können: „Wir haben uns in die Verstrickungen fallen lassen“, berichtet die Ickingerin mit einem Schmunzeln. Blessuren hätten die Probanden nicht erlitten, auch das filigrane Kunstwerk habe den willkürlichen Kraftakten stand gehalten.
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Die zwei Verkehrsschilder sind eine Sonderanfertigung
„Doch umsichtig wie wir sind“, so Krafft, kreierte der Verein gemeinsam mit der Penzbergerin eine „künstlerische Lösung“ (Hanus) für die verlangte Gefahrenprävention. Nicht zuletzt diene ihre Installation „der Toleranzerweiterung“, sagt die Künstlerin. Der Badehausverein ließ in Sonderanfertigung zwei täuschend echte Straßenverkehrsschilder mit dem Hinweis „Achtung –Verstrickungsgefahr“ produzieren und Anfang dieser Woche vor der Dokumentationsstätte aufstellen.
Eine Reaktion des Ordnungsamtes auf die kreative Aktion erfolgte noch nicht. Wolfratshausens Polizeichef Czerweny kündigte am Mittwoch auf Nachfrage an, sich die Beschilderung zeitnah anschauen zu wollen. (cce)
„Verstrickungen“, eine künstlerische Intervention von Susanne Hanus, ist bis 10. November am und in der Dokumentationsstätte Badehaus am Kolpingplatz in Waldram zu sehen. Infos und Öffnungszeiten unter www.erinnerungsort-badehaus.de.