Ukrainerinnen auf Arbeitssuche: Andrang bei Jobmesse für Geflüchtete
Mangel an Arbeitskräften einerseits, viele erwerbslose Geflüchtete andererseits: Der „Jobturbo“ des Arbeitsministeriums soll diese beiden Probleme zu einer Lösung verbinden. In der Praxis heißt das: Zeit zum Kennenlernen. Ein Besuch beim Jobdating für Geflüchtete in Ebersberg.
Ebersberg – Etwas schüchtern schlendert Viktoriia die Infostände ab. „Mein Deutsch ist nicht so gut“, flunkert sie. Um dann zu sagen: „Mein Traum ist, in Deutschland eine feste Stelle zu bekommen.“ Die Visitenkarte einer Rosenheimer Zeitarbeitsfirma, die an ihren Bewerbungsunterlagen hält die Ukrainerin fest wie ein Kartenspieler den entscheidenden Trumpf. Die 43-Jährige ist mit ihrem inzwischen sechsjährigen Sohn aus Kiew nach Grafing geflüchtet, erzählt sie. Und ist auf der Suche nach einem Job in der Buchhaltung, am liebsten am Flughafen, das war ihr Job in der Heimatstadt, bis dort die russischen Raketen einschlugen.
Jobmesse in Ebersberg: 34 Arbeitgeber - 1000 potenzielle Bewerberinnen und Bewerber
Viktoriia ist eine von rund 1000 Menschen aus dem Ausland, die das Jobcenter Ebersberg und die für den Landkreis zuständige Arbeitsagentur Freising am Mittwoch in den Alten Speicher nach Ebersberg eingeladen haben. Die Ukrainer sind klar in der Mehrzahl, aber auch andere häufigen Herkunftsländer sind vertreten. In Ebersberg präsentieren sich 34 Arbeitgeber aus der ganzen Region, von der Post über den Stromversorger Rothmoser und den Discounter Aldi Süd bis zum Seniorenzentrum Pichlmayer, der Bäckerei Kreitmaier und dem Baumaschinenhersteller Kuhn. Sie suchen Lagerhelfer, Verkäufer, Kinderpfleger, Köche, Busfahrer oder Anlagenmechaniker, (m/w/d), versteht sich.

Fachkräftemangel und brach liegende Arbeitskraft: „Zeichen der Zeit erkannt“
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Der grassierende Fachkräftemangel in allen Branchen und die zu oft brach liegende Arbeitskraft der Geflüchteten hat das Bundesarbeitsministerium einen „Jobturbo“ ausrufen lassen, der in solche Veranstaltungen mündet: Arbeitgeber und potenzielle Angestellte sollen aufeinandertreffen, begleitet von einem Bewerbungsmappen-Check für den ungewohnten deutschen Arbeitsmarkt. „Wir wissen zu schätzen, dass Sie die Zeichen der Zeit erkannt haben“, lautet die Willkommensbotschaft von Jobcenter-Chef Benedikt Hoigt an die anwesenden Betriebe.

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Auffällig ist das offenkundig große Interesse der Zielgruppe an der freiwilligen Kennenlern-Veranstaltung. Schon wenige Minuten nach der Eröffnung herrscht ein Andrang, der binnen anderthalb Stunden eher zunimmt. Auffällig auch, dass es in der Mehrzahl Frauen wie Viktoriia sind, die sich an diesem Tag auf Jobsuche machen, oft begleitet von Kindern. Das deckt sich mit Statistiken, wonach fast drei Viertel der aus der Ukraine geflüchteten Erwachsenen Frauen sind, viele davon nun alleinerziehende Mütter. Ändern soll der Jobturbo eine andere Zahl: Ende 2023 hatte nur knapp ein Fünftel der erwerbsfähigen, nach Deutschland geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer einen Job. Viktoriia hofft auf ein paar Tage Homeoffice-Möglichkeit, ihrem Sohn zuliebe und damit sie weniger pendeln muss.
Bewerben in Deutschland: Sprache und Vorkenntnisse als Faktoren
Mit ihren Deutschkenntnissen hat sie wohl recht gute Karten. Schwerer tun sich Yuliia und ihre 19-jährige Tochter Adelina, die immer wieder auf eine Übersetzer-App zurückgreifen. „Ich liebe Blumen!“, sagt die Mama, wirkt dann aber etwas geknickt, als ihr Sonja Ziegltrum, die Chefin der Parsdorfer Blumenzentrale, beibringen muss, dass sie für den Verkäuferinnenjob eine Ausbildung braucht. Adelina träumt von einer Stelle als Tattoo-Künstlerin. Fasziniert ist sie aber auch von dem Fahrsimulator, den der Glonner Busunternehmer Ettenhuber aufgebaut hat. Wer weiß schon, was wird.

Ein bisschen verloren wirkt der Georgier Artur, der in der Ukraine als Bauchchirurg arbeitete, bevor er im Februar 2022 mit seiner Frau und den beiden Kindern vor dem Krieg nach Deutschland flüchtete. Der 50-Jährige erzählt: Er will einen Monat mit einem Gelegenheitsjob überbrücken, bevor der letzte Sprachkurs für seine deutsche Arztzulassung startet. „Ein Monat, das wird schwierig“, sagt er, bevor er sich ins Getümmel stürzt.
Für viele der Eingeladenen scheint jedenfalls ein Anfang gemacht. Zahlreiche Visitenkarten haben neue Besitzer, auch Viktoriia plant eine Bewerbung. Es ist ein bisschen wie beim Dating: Ob so ein erster Funke durchzündet, hängt dann von beiden Seiten ab.