Zwei Gerichtsprozesse in Deutschland legen bittere Antisemitismus-Realität offen
Während der gesellschaftliche Diskurs um Israel und Palästina immer hitziger wird, zeigen zwei laufende Gerichtsverfahren in Berlin und Hamburg auf alarmierende Weise, wie tief antisemitischer Hass inzwischen auch in den akademischen Raum eingedrungen ist.
Es sind Fälle, die nicht nur juristisch bedeutsam sind – sondern auch ein moralisches Stimmungsbild einer Gesellschaft zeichnen, die sich fragen muss, wie wehrhaft sie gegenüber Judenhass wirklich ist.
Berlin: Ein Angriff im Herzen der Hauptstadt
Am Amtsgericht Tiergarten begann am Montag der Prozess gegen einen ehemaligen Studenten der Freien Universität Berlin. Ihm wird vorgeworfen, im Februar 2024 den israelischen Studenten Lahav Shapira brutal angegriffen zu haben.
Der Täter hat die Tat gestanden und sich entschuldigt – bestreitet jedoch ein antisemitisches Motiv. Die Staatsanwaltschaft geht hingegen klar von einem gezielten Angriff aus, ausgelöst durch Shapiras pro-israelisches Engagement nach dem Terroranschlag der Hamas im Oktober 2023.
Dass ein solcher Angriff im Herzen Berlins stattfinden konnte, war angesichts der zunehmenden Radikalisierung im Umfeld sogenannter „pro-palästinensischer“ Proteste leider vorhersehbar – und bleibt dennoch ein Skandal.
Umso bemerkenswerter ist es, dass Lahav Shapira den Mut aufbringt, sich als Nebenkläger öffentlich gegen diesen Hass zu stellen. Sein Engagement verdient höchste Anerkennung und Solidarität.
Hamburg: Gewalt nach einer Antisemitismus-Vorlesung
Ein zweiter Fall beschäftigt derzeit das Amtsgericht Hamburg. Dort steht eine 27-jährige Frau vor Gericht, der vorgeworfen wird, nach einer öffentlichen Vorlesung zum Thema „Judenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antizionismus – aktuelle Formen antijüdischer Gewalt“ eine jüdische Teilnehmerin attackiert zu haben.
Die 56-jährige Frau, Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hamburg, wurde laut Anklage beleidigt, gewürgt und ins Gesicht geschlagen. Auch sie tritt als Nebenklägerin auf.
Über Professor Guy Katz
Guy Katz, deutsch-israelischer und jüdischer Professor für International Business Management an der Hochschule München, kam 2004 aus Israel nach Deutschland. Vor seiner akademischen Karriere arbeitete er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee. Katz, der Enkel von vier Holocaustüberlebenden, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Oft wird er als "Fliegender Professor" bezeichnet, da er leidenschaftlich gerne selbst fliegt und sogar Fluglehrer ist – eine Kombination, die seine Begeisterung für die Lehre an der Hochschule, in Unternehmen und beim Fliegen vereint.
Die Tat ereignete sich im Kontext lautstarker, oft mit antisemitischen Parolen gespickter Proteste, wie sie im vergangenen Jahr deutschlandweit zu beobachten waren – auch an Universitäten. Was als politische Meinung getarnt wird, wird zunehmend zur legitimatorischen Hülle für offene Gewalt gegen Jüdinnen und Juden.
Ein gesamtgesellschaftlicher Prüfstein
Beide Verfahren sind mehr als nur juristische Auseinandersetzungen – sie sind Prüfsteine für unsere Demokratie. Es darf in Deutschland keine Toleranz gegenüber Antisemitismus geben – nicht auf der Straße, nicht in der Uni, nicht im Gerichtssaal. Wer jüdische Menschen angreift, greift das Fundament einer offenen Gesellschaft an.
Der Staat muss solchen Taten mit aller Konsequenz begegnen. Doch das allein reicht nicht. Auch Zivilgesellschaft, Hochschulen und Medien stehen in der Verantwortung, solche Vorfälle als das zu benennen, was sie sind: antijüdische Gewalt.
Kein “Konflikt”, kein “Streit”, kein “Missverständnis”. Sondern: Hass. Gegen Menschen, nur weil sie jüdisch sind.
Solidarität mit den Betroffenen ist das Mindeste. Aber es ist längst Zeit für mehr als das. Es ist Zeit, Haltung zu zeigen.