„Das ist Kokolores“: Kontroverse Debatte über Umbenennung der Faulhaber-Straße
Müssen die Kardinal-Faulhaber- und die Kardinal-Wendel-Straße in Wolfratshausen umbenannt werden? Diese Debatte hält CSU-Stadtrat Wolfgang Weichlein für „Kokolores“.
Wolfratshausen – Wolfgang Weichlein (CSU) sprach von „Kokolores“ und Dr. Manfred Fleischer (Wolfratshauser Liste) steht auf dem Standpunkt, dass die Waldramer „null Komma null“ Verständnis für die Debatte haben: Vor der möglichen Umbenennung der Kardinal-Faulhaber- und der Kardinal-Wendel-Straße in Waldram will der Stadtrat auf belastbare Untersuchungsergebnisse aus München warten. In der Landeshauptstadt steht die Kardinal-Faulhaber-Straße auf der Liste der „Straßennamen mit erhöhtem Diskussionsbedarf“. Zudem entschied der Wolfratshauser Stadtrat auf Anregung von Hans-Georg Anders (Grüne), dass Stadtarchivar Simon Kalleder in Würzburg nachfragt, warum die Domstadt den Kardinal-Faulhaber-Platz in Theaterplatz umbenannt hat.
SPD/FDP-Fraktionsgemeinschaft stieß Diskussion an
Die Diskussion angestoßen hatte wie berichtet die SPD/FDP-Fraktionsgemeinschaft. Laut deren Antrag müsse kritisch hinterfragt werden, ob die Ehrung der beiden Kardinäle Faulhaber (1869-1952) und Wendel (1901-1960) „durch die Benennung von Straßen weiterhin angemessen ist“. Faulhabers Rolle in der NS-Zeit ist umstritten, laut des Gutachtens über sexuellen Missbrauch in der Erzdiözese München und Freising wurde beiden Geistlichen „fehlerhaftes Verhalten“ in mehreren Fällen angelastet.
Vize-Bürgermeister Eibl: Auf „fundierte Erkenntnisse“ warten
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Vize-Bürgermeister Günther Eibl (CSU), der die jüngste Sitzung in Vertretung von Rathauschef Klaus Heilinglechner leitete, schlug den Mandatsträgern einen Kompromissvorschlag vor, den die Verwaltung formuliert hatte: Der Antrag von SPD/FDP solle „ruhen“, bis „fundierte Erkenntnisse“ auf dem Tisch liegen. Bereits im Juli hatte Stadtarchivar Kalleder die Räte wie berichtet über die umfangreiche Aktenlage informiert und dazu als Diplom-Historiker eine Stellungnahme abgegeben. Von Faulhaber seien antisemitische Aussagen überliefert, auf der anderen Seite habe er sich in den 1920er-Jahren für die Juden eingesetzt. Allerdings verurteilte Faulhaber die Judenverfolgung im „Dritten Reich“ nicht – das Attentat am 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler dagegen unmissverständlich. Dennoch stempelten seine Fehleinschätzungen Faulhaber nicht zum Nazi, bilanzierte Kalleder. Auch eines Kriegsverbrechens habe er sich nicht schuldig gemacht. Zu Wendels Rolle in der Nazi-Zeit finde sich „fast nichts“, berichtete der Stadtarchivar.
Die Politik greift in einen Bereich ein, in dem sie nichts zu suchen hat.
Dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth (Grüne) begrüßte den Kompromissvorschlag der Verwaltung. Der Antrag dürfe deswegen aber „nicht unter den Tisch fallen“. Kalleder solle die laufenden Forschungen „im Auge behalten“. Die Entscheidung aufzuschieben, heiße nicht, dass besagte Straßen in Waldram nicht doch umbenannt würden. „Wenn sich die Beweislast ändert“, merkte Gerlinde Berchtold (SPD) an.
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Dr. Fleischer erteilte dem Ansinnen eine kategorische Absage: „Besteht da wirklich kommunalpolitischer Handlungsbedarf?“ Definitiv nicht, so der Liste-WOR-Vertreter. „Die Politik greift in einen Bereich ein, in dem sie nichts zu suchen hat“, zumal seien die verstorbenen Kardinäle nicht „Kriegsverbrecher oder Pädophile“ gewesen.
„Wie kommt die SPD auf so eine Idee?“
Auch Weichlein hält die Diskussion für obsolet. Die Waldramer seien „nach wie vor gut katholisch“ – er frage sich, „wie die SPD überhaupt auf die Idee kommt, einen solchen Antrag zu stellen“.
Von Kokolores könne keine Rede sein, widersprach Assunta Tammelleo (Grüne) Weichlein vehement. Es gebe „gute Gründe“, das Thema im Stadtrat zu diskutieren. Manfred Menke (SPD) pflichtete ihr bei: Die Debatte schärfe nicht zuletzt „das geschichtliche Bewusstsein“, wenngleich auch Menke mit der Vertagung ( „bis sich etwas Gravierendes tut“) einverstanden war.
Stadtarchivar Kalleder bekam den Auftrag, den Stadtrat zu gegebener Zeit über neue Erkenntnisse und Untersuchungsergebnisse zur Verwicklung der Kardinäle in den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und der Unterstützung des NS-Regimes zu informieren. Erst dann wollen die Bürgervertreter das weitere Vorgehen und den Umgang mit den Straßenbezeichnungen in Waldram vertieft diskutieren und eventuell eine Entscheidung treffen. Weichlein, Eibl (beide CSU), Dr. Fleischer, Richard Kugler und Helmut Forster (alle Wolfratshauser Liste) stimmten gegen den Beschluss. cce