Menschen stehen Schlange für Putin-Herausforderer: Wie groß ist Nadeschdins Chance?

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Im März finden die Präsidentschaftswahlen in Russland statt. Ein Oppositionspolitiker sammelt reichlich Unterschriften für seine Kandidatur – doch Putins Wiederwahl gilt als sicher.

Moskau – Der russische Oppositionspolitiker Boris Nadeschdin bezeichnete den Ukraine-Krieg unlängst als „fatalen Fehler“. Bei der Präsidentschaftswahl in Russland im März will der ehemalige Duma-Abgeordnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin herausfordern – und wäre damit der einzige echte Gegenkandidat.

Allerdings muss Nadeschdin bis Ende Januar 100.000 Unterschriften sammeln, um überhaupt zur Wahl antreten zu können. Vor seinem Wahlkampfbüro in St. Petersburg standen zuletzt hunderte Menschen Schlange, um seine Kandidatur zu unterstützen. Doch welche Chancen hat Nadeschdin wirklich?

Präsidentschaftswahlen in Russland: Menschen stehen Schlange, um Nadeschdin zu unterstützen

In Russland verbleiben wenige Oppositionspolitiker: Alexej Nawalny sitzt in Haft, andere Putin-Kritiker wie Boris Nemtsow wurden ermordet. Boris Nadeschdin galt als enger Vertrauter Nemtsows und sorgte jüngst mit seiner Kritik am russischen Militäreinsatz in der Ukraine für Aufsehen. Politiker, die sich ähnlich geäußert hatten, mussten das Land bereits verlassen oder wurden inhaftiert. Ein Gesetz in Russland sieht Haftstrafen von bis zu zehn Jahren für kritische Äußerungen über den Krieg vor. Nun will der 60-jährige Nadeschdin als „Friedenskandidat“ bei den Präsidentschaftswahlen antreten. Seine Chancen auf eine Kandidatur stehen offenbar gut: Bis Montagabend (22. Januar) konnte Nadeschdin bereits fast 85.000 der 100.000 nötigen Unterschriften sammeln.

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Der russische Präsidentschaftskandidat Boris Nadeschdin bei einer Pressekonferenz am 14. Januar 2024 in St. Petersburg. © IMAGO/Artem Priakhin / SOPA Images

Vor dem Wahlkampfbüro des Gegenkandidaten in St. Petersburg hatten sich am Montag lange Schlangen gebildet, wie Aufnahmen auf Telegram zeigen. Für viele Menschen in Russland sei die Unterschrift für Nadeschdin eine Möglichkeit, „ihre Unzufriedenheit“ zum Ausdruck zu bringen, „ohne Angst vor einer Festnahme oder einer Entlassung haben zu müssen“, sagte etwa der 19-jährige Student Iwan Semjonow der Nachrichtenagentur AFP.

Unterstützung erhielt der Gegenkandidat auch von anderen Oppositionellen, etwa dem im Exil lebenden Aktivisten Maxim Katz oder Iwan Schdanow, dem Direkter der Antikorruptionsstiftung von Alexej Nawalny. Ein aktueller Blick auf die Webseite Nadeschdins am Dienstagmorgen wies bereits über 101.000 gesammelte Unterschriften aus. Der Kandidat hatte sein angepeiltes Ziel auf 150.000 hochgesetzt, demnach fehlten (Stand 23. Januar 2024, um 11.30 Uhr) noch rund 48.000 Unterzeichner.

Präsidentschaftswahlen in Russland: Nadeschdin echter Kontrahent oder chancenloser Gegenkandidat?

Auch wenn Nadeschdin die erforderlichen Unterschriften erreicht, könnte ihm Kremlchef Putin noch einen Strich durch die Rechnung machen und die Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen verhindern. Die zentrale Wahlkommission Russlands werde Nadeschdins Kandidatur wahrscheinlich nicht genehmigen, sagte der politische Analyst Fedor Karscheninnikow dem unabhängigen russischen Medium Meduza.

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Menschen stehen vor dem Wahlkampfbüro des Kandidaten Boris Nadeschdin in St. Petersburg Schlange, um seine Nominierung zu unterstützen (Bild vom 21. Januar 2024). © IMAGO/Artem Priakhin / SOPA Images

Der Kandidat sei nicht sofort geschasst worden, „weil er völlig hoffnungslos schien. Angesichts der ganzen Aufregung um ihn, bei der es um vom Kreml verabscheute Persönlichkeiten geht, sehe ich keinen Grund, warum sie ihn registrieren würden“, schrieb Karscheninnikow auf Telegram. Der Analyst ist sich „zu 85 Prozent“ sicher, dass der Kreml Nadeschdin aus dem Rennen nehme – „egal, wie viele Unterschriften es gibt oder wie hochwertig sie sind.“

Auch eine dem Kreml nahestehende, anonyme Quelle teilte Meduza mit, dass es keinen Antikriegskandidaten bei den Wahlen 2024 geben werde. Das Wahlsystem in Russland ist ohnehin manipuliert, dem Kremlchef ist der Sieg sicher. Der langjährige Vorsitzende der Kommunistischen Partei, Gennadi Sjuganow, und der Vorsitzende der nationalistischen Liberaldemokratischen Partei, Leonid Slutski, gelten mögliche Kandidaten für die Wahlen, die allerdings keine wirklichen Oppositionellen sind.

Vielmehr seien sie in ein System eingebunden, das den Anschein von Demokratie erwecken soll, ohne eine wirkliche Bedrohung für Putin darzustellen, hieß es von Kritikern. Der Kremlchef steht seit dem 31. Dezember 1999 an der Spitze von Russland. Im Jahr 2021 war eine historische Verfassungsreform beschlossen worden, die es Putin ermöglicht, bis 2036 zu regieren.

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