Bildung einer kriminellen Vereinigung: Reichsbürger vor Gericht

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Fürstenfeldbruck
  4. Olching

KommentareDrucken

Vor allem in Telegram war der Olchinger aktiv. © picture alliance/dpa/AP/Andy Wong

Ein 59-Jähriger aus Olching muss sich vor Gericht verantworten. Ihm wird unter anderem die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.

Olching/München – „Es ist unfassbar, was hier in diesem Land läuft, von den ganzen scheiß Zionisten, von den Kriegs- und Menschenrechtsverbrechern“, heißt es in einem der Posts, die der angeklagte Olchinger auf der Internetplattform Telegram veröffentlicht hat. Seit Montag muss sich der 59-Jährige am Münchner Landgericht verantworten. Im Gerichtssaal lässt er keinen Zweifel daran, dass er von seinen Reichsbürger-Thesen weiterhin überzeugt ist.

Von Beruf ist der Olchinger Bauvorsteher. So steht es jedenfalls in der 44-seitigen Anklage. Ebenfalls in der Anklage steht, dass er Anfang 2021 einen Telegram-Kanal eröffnet hat – mit über 52000 Followern.

Endlos und irrational

Nach eigenem Bekunden ging es dem Angeklagten darum, gegen „Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen“ gegenüber Kindern in Deutschland vorzugehen. So wie am 23. September 2021. Gegen 14:30 Uhr habe sein Telefon geklingelt, erinnerte sich ein Mitarbeiter des Jugendamts in Weiden in der Oberpfalz am Dienstag vor Gericht. „Endlos und völlig irrational“ habe ihn der Anrufer beleidigt und bedroht: Er sei „der letzte Dreck“ und außerdem sei „das Militärgericht im Anmarsch“.

Erst im Laufe des Telefonats sei klar geworden, dass es dem Anrufer um eine Frau mit zwei Kindern geht. Die Kinder seien nach den Sommerferien nicht zur Schule gekommen, berichtete der Sozialpädagoge.

Audio-Datei

Bei einem „routinemäßigen Hausbesuch“ sei zwar aufgefallen, dass die Frau „über einen Knopf im Ohr anscheinend Instruktionen befolgt“ habe. Nachdem aber „alles ordentlich“ gewesen sei, habe man keine weiteren Maßnahmen eingeleitet.

Wie sich herausstellt, war es der Angeklagte, der angerufen, das Telefonat aufgezeichnet, die Audio-Datei auf Telegram eingestellt und seine Follower gegen die Mitarbeiter des Jugendamts aufgehetzt hat: „Haut die Arschlöcher auf der Telefonliste zu! Macht ihnen klar, es kommen jetzt die Militärs, die werden gerichtet, sie verlieren ihr Leben. Es ist vorbei mit diesem Terror, dieser Schikane“.

Nach dem Post seien „viele Telefonate“ von Followern eingegangen, berichtete eine andere Mitarbeiterin des Weidener Jugendamts. Die Anrufe hätten sie „psychisch belastet“: wegen des zum Teil beleidigenden Inhalts, aber auch deshalb, weil „der kleine Post solche Wellen“ ausgelöst habe. Sogar aus Österreich hätten Follower angerufen.

Ordnungsgeld verhängt

Dem Olchinger liegen weitere Taten zur Last, die das Gericht in acht Verhandlungstagen bis Mitte Juli aufarbeiten will. Betroffen sind auch Mitarbeiter des Amtsgerichts Fürstenfeldbruck.

Neben der Bildung einer kriminellen Vereinigung werden dem Bauvorsteher Volksverhetzungen, Beleidigungen, Bedrohungen und weitere Delikte vorgeworfen. Staatliche Einrichtungen betrachtet er als Firmen, „die sich anmaßen, über Menschen Terror auszuüben, zu tyrannisieren, zu drangsalieren“. Den deutschen Staat hält er für eine im amerikanischen Delaware eingetragene Handelsgesellschaft. Die Staatsanwältin hat er als „blonde Tussi“ beleidigt und die Richter mit den Worten: „Sie Faschisten, Sie Nazis, Sie Menschenrechtsverletzer“

Dass der Vorsitzende Richter daraufhin ein Ordnungsgeld von 500 Euro verhängt hat, hat ihn wenig beeindruckt. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

Auch interessant

Kommentare